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Neuregelung gescheitert Praktikanten schauen in die Röhre

Monatelang rangelten Arbeits- und Bildungsministerium um eine Initiative für fairere Praktika. Das Ergebnis: kein Ergebnis. CDU-Politikerin Schavan stemmt sich gegen jede Form von Regulierung - ein herber Rückschlag für die "Generation Praktikum".
Von Christoph Titz und Niddal Salah-Eldin

Sie sind in einer Großen Koalition, doch bei Praktikantenrechten sprechen sie zwei Sprachen: SPD-Arbeitsminister Olaf Scholz und CDU-Bildungsministerin Annette Schavan. Im Petitionsausschuss des Bundestags kamen ihre Parteien nicht weiter und verwiesen den Gesetzesvorschlag des Arbeitsministeriums in die Fachausschüsse - und vielleicht aufs endgültige Abstellgleis.

Damit ist ein greifbarer Kompromiss zu einer gesetzlichen Neuregelung von Praktika und deren Definition als Ausbildungsverhältnisse vorerst gescheitert - zum Leidwesen von vielen Tausenden Praktikanten. Dass sich die Berliner Politik überhaupt mit den Praktikanten beschäftigte, liegt auch an einer enorm erfolgreichen Petition im Jahr 2006: Die Initiative zur Stärkung der Rechte von Praktikanten erreichte rund 100.000 Unterschriften, dem Deutschen Bundestag kollabierte kurzzeitig der Petitions-Server.

Erst als die griffige Formel "Generation Praktikum" längst die Runde gemacht hatte, schaltete sich auch die Berliner Politik ein. Seit fast drei Jahren lautet die zentrale Frage: Wie viel Schutz steht Praktikanten zu? Und ab wann gefährden zu viele Regeln, dass Praktika noch vergeben werden?

Sogar mit windelweichem Vorschlag noch gescheitert

Bislang dürfen Praktikanten bis zu zwei Monate nach Ende der Hospitanz gegen eine zu geringe Bezahlung klagen. Eine Praktikantin hat tatsächlich ein faireres Salär erstritten. Bundesarbeitsminister Scholz wollte nun erreichen, dass solche Ansprüche bis zu drei Jahre nach Praktikumsende geltend gemacht werden können. Dazu wollte sein Ministerium den Paragrafen 612 des BGB erweitern und so auch eine Regelung zur angemessenen Vergütung der meist unbezahlten Lernzeit von Schülern, Studenten und Absolventen erreichen.

Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Praktikant sollen stets schriftlich festgehalten werden. Hinzu kommt die Umkehr der Beweislast: Der Unterschied zwischen Lern- und Arbeitsverhältnis soll präziser definiert werden; im Streitfall müssen Arbeitgeber vor Gericht beweisen, dass sie Praktikanten zur Ausbildung und nicht als Arbeitskraft eingesetzt haben.

Das jedenfalls war der Scholz-Plan, der schon weit hinter den Forderung von Praktikanten-Vertretern zurückblieb. Eine Untersuchung des Bundesarbeitsministeriums hatte gezeigt, das zwei Drittel aller Praktikanten kein oder fast kein Geld bekommen. Pikant für Arbeitsminister Scholz: Auch sein Haus zahlt bislang kein Geld an die bis zu 100 Praktikanten, die es jährlich beschäftigt - sie erhalten lediglich einen Essensgutschein und Fahrtkostenzuschuss.

Im Arbeitsministerium sollen ausschließlich Studenten Praktika absolvieren, keine Absolventen. Diese eher feinsinnige Unterscheidung traf Scholz auch bei seinen Vorschlägen für die Neuregelung - stets geht es nicht um Studenten, nur um Praktikanten mit abgeschlossener Ausbildung. Und auch für sie wollte Scholz weder ein Mindestsalär noch eine Maximaldauer des Praktikums.

"Eine solche Regelung killt Praktika"

Mit seinem bereits weichgespülten Plan scheitert Scholz nun an Bundesbildungsministerin Annette Schavan. Ihr Haus macht schlicht nicht mit. "Eine solche Regelung schafft keine Praktika, sondern killt Praktika", so ein Sprecher Schavans.

Zwar räumt auch das Bildungsministerium ein, es gebe Firmen, die Praktikanten als billige Arbeitskräfte benutzten und sie als Lückenfüller bei Personalengpässen missbrauchten. Das sei aber "kein Massenphänomen, sondern ein spartenspezifisches Problem", sagt Staatssekretärin Cornelia Quennet-Thielen.

Besonders missfällt Schavans Ministerium die Beweislastumkehr, nach der künftig die Firmen belegen sollten, dass sie ihre Praktikanten nicht ausbeuten. Außerdem bemängelt die Staatssekretärin die Ausweitung der Klagefrist für geschröpfte Praktikanten von zwei Monaten auf drei Jahre - also praktisch alles, was das Arbeitsministerium vorgeschlagen hatte. Zu Mindestvergütung und Maximaldauer sagt das Ministerium ohnehin Njet.

Schavans Haus machte klar, man werde "keine Regelungen unterstützen, die zum Verlust von Praktikumsplätzen führen". Die Bildungsministerin stützt sich auf den Deutschen Industrie- und Handelskammertag. Der DIHK veröffentlichte Anfang Dezember eine Umfrage: Jedes zweite Unternehmen gab an, es würde bei Umsetzung der neuen Regeln keine Praktikanten mehr beschäftigen. Ein Viertel der Unternehmen würde zumindest weniger Praktika anbieten.

"Nicht einmal ein Minischutzschirm"

Dass Arbeitgeber gegen Regeln sind, die sie in die Pflicht nehmen, ist wenig überraschend. Dem Bildungsministerium lieferte die Umfrage Munition für die Auseinandersetzung mit dem Hause Scholz. Beide Seiten seien sich "auf Ebene der Staatssekretäre zweimal einig gewesen", die Einigung war dann aber am Dienstagabend "nicht mehr gültig", sagte ein Sprecher des Arbeitsministeriums SPIEGEL ONLINE. Das sei "bedauerlich".

Klaus Brandner, parlamentarischer Staatssekretär im Arbeitsministerium, gab die Schuld am Scheitern der CDU/CSU. "Die Union muss sich bewegen", sonst würde sie "den Missbrauch weiter hinnehmen". Ein Mitglied des Petitionsausschusses sagte SPIEGEL ONLINE, es gebe jetzt "keinen konkreten Zeitplan mehr".

Mit ihrer Tatenlosigkeit lasse die große Koalition die Praktikanten weiter ohne Schutzrechte im Regen stehen, sagte Nele Hirsch, von der Fraktion Die Linke. Seit Jahren speise die Bundesregierung die Praktikanten mit folgenlosen Ankündigungen ab.

Eine Lösung bis zur Bundestagswahl 2009 hält der bildungspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Kai Gehring, für ausgeschlossen. Die Initiative sei für "diese Legislatur vom Tisch", Scholz und Schavan hätten sich nicht einmal auf "einen Minischutzschirm für die Generation Praktikum" einigen können.

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