Plagiate Zur Strafe weniger Dienst bei vollem Professorengehalt
Die Überraschung war für Lisa Neumaier* doppelt groß: Ihr früherer Professor bot der Russischlehrerin eines Gymnasiums einen Lehrauftrag an der Bonner Universität an. Toll! Sofort ging sie auf die Instituts-Webseite für Slawistik, um ihr Wissen über das Fach und die Mitarbeiter auf den neuesten Stand zu bringen. Da entdeckte sie unverhofft ihre Staatsexamensarbeit über "Die Demontage des Menschlichen in der Kurzprosa von Daniil Charms", einem Poeten der Stalin-Zeit - und zwar im langen Schriftenverzeichnis ihres akademischen Lehrers. Tollhaus Uni!
Für eine Festschrift hatte der Professor einzelne Abschnitte aus der Examensarbeit lediglich nach vorne oder hinten umgestellt und einige unwesentliche Sätze zur Einleitung oder bei Übergängen hinzugefügt. Zu dieser Feststellung gelangten inzwischen auch die amtliche Kommission für wissenschaftliches Fehlverhalten und die Hochschulleitung, wie Prorektor Wolfgang Löwer SPIEGEL ONLINE bestätigt. Der Professor selber hüllt sich in Stillschweigen und ist weder dienstlich noch privat erreichbar. "Hier , der nicht da ist oder aber nicht da sein möchte", scherzt der automatische Telefonbeantworter.
Die Uni hat auf das Fehlverhalten dienstrechtlich reagiert, und zwar schärfer als andere Hochschulleitungen in vergleichbaren Plagiatsfällen. In Darmstadt, Berlin oder Erlangen blieb es stets bei einer rein symbolischen, rechtlich folgenlosen "Missbilligung" durch Rektor oder Präsident. Dagegen entzog die Bonner Universität dem Slawistik-Professor wegen Missbrauchs der Prüfungsschrift das Prüfungsrecht auf Dauer. Studenten brachten das an die Öffentlichkeit. Ferner setzte die Uni den Literaturwissenschaftler als Geschäftsführer im Institut ab und nahm ihm das Kommando über Personal und Geld.
"Jenseits eines rein symbolischen Tadels"
Wie bisher muss der Gelehrte allerdings Lehrveranstaltungen im üblichen Umfang anbieten. Die wird aber höchstens ein Student mit überflüssiger Zeit in Anspruch nehmen: Denn die einzelnen Vorlesungen und Seminare schließen im Bachelor-Master-Studium mit Semesterprüfungen (und Leistungspunkten) ab, bei denen der Slawistik-Professor ja nicht mehr mitwirken darf. Bis zur Pensionierung in knapp drei Jahren könnte der Gelehrte also praktisch reine Forschungsfreisemester genießen.
Der Bonner Asta ist, wie sonst selten, mit dem Vorgehen der Unileitung ausdrücklich einverstanden. "Eine Neubesetzung der Stelle wäre sicher der beste Weg. Wir halten es für schwierig, wenn Studierende weiterhin in den wissenschaftlichen Diskurs mit ProfessorInnen treten, denen ein Plagiat nachgewiesen wurde", so der Asta-Vorsitzende Christopher Paesen.
Auch Debora Weber-Wulff, Berliner Medienprofessorin und Mutter aller Plagiatsjäger im Lande, lobte die Reaktion der Uni. "Ich begrüße, dass Maßnahmen jenseits eines rein symbolischen Tadels ergriffen wurden", erklärt sie SPIEGEL ONLINE. "Ich weiß selber, wie schwierig es ist, rechtssicher vorzugehen. Man kann den Bonnern nur viel Glück wünschen!"
Die Uni will ein Zeichen setzen
Tatsächlich ist es ein Glücksfall für das Bonner Rektorat, dass der zurechtgestutzte Professor sich schon seit einem Vierteljahr nicht auf dem Rechtsweg wehrt. Beispielsweise könnte er das Prüfungsverbot nach geltendem Recht und nach Auffassung von Kommentatoren wie Heilbronner/Geis womöglich als Gefährdung eines persönlichen Grundrechts betrachten. Auch steht die Wegnahme von Personal und Finanzen nicht unbedingt im Einklang mit Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Minimalausstattung eines Lehrstuhls (Aktenzeichen 1 BvR 911/00 vom 26.10.2004).
Juristisch ist der Fall also nicht völlig eindeutig. Das Bonner Rektorat, besetzt mit Spitzenjuristen, zieht aber das Risiko einer streitigen Klärung vor Gericht einer ängstlichen Nachgiebigkeit vor. "Wir wollen zeigen, dass Professoren, die Vorbild sein sollen, bei geistigem Diebstahl nicht schonender behandelt werden als Studierende", sagte Jürgen Fohrmann, Dekan der Philosophischen Fakultät, SPIEGEL ONLINE,
Neben den dienstrechtlichen Maßnahmen hat die Uni zusätzlich disziplinarrechtliche Ermittlungen eingeleitet. Erfahrungsgemäß können die noch andauern, wenn der Hochschullehrer schon in Pension ist. Am Ende könnte theoretisch eine förmliche Abmahnung oder auch eine Geldstrafe herauskommen.
Hingegen wäre eine Entlassung aus dem Beamtenverhältnis kaum durchsetzbar, weil sie als unverhältnismäßig eingestuft werden könnte, so Prorektor Löwers vorläufige Einschätzung. Deshalb ist auch eine einstweilige Zwangsbeurlaubung bei verminderten Monatsbezügen ausgeschlossen. Vielleicht aber geht der Professor, um sich den Ärger mit dem Disziplinarverfahren zu ersparen, vorzeitig in den Ruhestand. Vielleicht.
(*Name geändert)