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Privates im Job Wenn der Freund zum Kollegen wird

Als Freunde in der gleichen Firma zu arbeiten oder gemeinsam eine zu gründen - kann das gut gehen? Wer privat auf der gleichen Wellenlänge funkt, ist nicht zwangsläufig der beste Kollege. Neid und Rivalität lassen bisweilen selbst stabile Freundschaften zerbrechen.
Von Dorothee Fricke
Foto: Christina Wiesen

Job weg, Beziehung kaputt. Das Jahr 2008 fängt für Christiane Bischoff aus Hannover nicht gut an. Bei ihrem langjährigen guten Freund Thorsten Windus-Dörr kann sich die 26-Jährige ausheulen. Der hört ihr aber nicht nur zu, sondern macht ihr auch ein Angebot: "Mit dem Mann kann ich dir nicht helfen, aber vielleicht habe ich einen Job für dich."

Windus-Dörr hat sich gerade mit einer eigenen PR-Agentur selbstständig gemacht und sucht eine Assistentin. Bischoff greift zu, obwohl andere Freunde sie warnen: "Ihr seid doch befreundet. Das kann nicht gut gehen, wenn Thorsten dein Chef wird." Doch bisher geht es gut: Seit gut vier Monaten arbeitet Bischoff in der Agentur "Eins A Kommunikation" von Windus-Dörr und ist zufrieden - mit Job und Chef. "Thorsten ist fair zu mir. Sogar Kritik kann ich von ihm gut annehmen", sagt die Wirtschaftswissenschaftlerin Bischoff.

Auch Windus-Dörr hält seine Assistentin für einen Glücksgriff. Er betont, dass er Christiane Bischoff nicht eingestellt habe, weil er mit ihr befreundet ist, sondern weil er überzeugt war, dass sie gute Arbeit leisten wird: "Das habe ich auch meinem Geschäftspartner deutlich gemacht."

Dass es zwischen Thorsten Windus-Dörr und Christiane Bischoff so gut läuft, ist keine Selbstverständlichkeit: Wer sich privat gut versteht, muss nicht automatisch gut zusammenarbeiten. "Der größte Fehler ist es, anzunehmen, dass alles so bleibt wie bisher", sagt der Psychologe und Karriereberater Uwe Gremmers.

Denn wenn aus einem guten Freund der Chef, aus der Kollegin eine enge Freundin oder aus dem besten Kumpel in der Uni-Zeit Geschäftspartner werden, ändern sich die Rollen. "Es ist wichtig, dass man seine Erwartungen aneinander definiert und sich klar darüber austauscht, was die neue Situation bedeutet." Wenn es erst zu einem Streit gekommen ist, sei es oft schon zu spät: "Nicht geklärte Erwartungen sind nicht die Konflikte von morgen, sondern die Konflikte von übermorgen", so Gremmers.

"Schnaps ist Schnaps, Job ist Job"?

Der Autor des Buches "Neu als Führungskraft" erlebt, dass es oft dann knallt, wenn sich die Hierarchien ändern. Er erlebt, dass sich damit vor allem junge Führungskräfte schwer tun: "Wer aufsteigt und ein Team führen soll, das aus befreundeten ehemaligen Kollegen besteht, muss den anderen klar machen, dass er von nun an auch mal unangenehme Entscheidungen treffen muss und den anderen vielleicht nicht immer alles erzählen darf."

Eventuell sei es auch sinnvoll zu vereinbaren, Berufliches und Privates künftig stärker zu trennen nach dem Motto "Schnaps ist Schnaps, und Job ist Job". Verstecken muss man eine Freundschaft aber nicht. Die Einstellung von Thorsten Windus-Dörr hält Uwe Gremmers für richtig. Der geht mit der Freundschaft zu Christiane Bischoff ganz offen um: Als kürzlich eine neue Mitarbeiterin angefangen hat, habe er gleich am ersten Tag zu ihr gesagt: "Wundern Sie sich nicht, dass Frau Bischoff und ich uns duzen. Wir kennen uns nämlich schon sehr lange."

Die meisten Job-Freundschaften entstehen ohnehin erst am Arbeitsplatz: 75 Prozent der vom Frankfurter Arbeitspsychologen und Karrierecoach Hermann Refisch für seine Dissertation zum Thema "Führung und Freundschaft" befragten Führungskräfte gaben an, im Berufsleben Freunde gefunden zu haben. Der Spruch "Je höher, desto einsamer" stimme nicht zwangsläufig, so Refisch: Viele der Befragten hätten berichtet, von Freundschaften zu profitieren.

Nach dem Urlaub war es vorbei mit der Freundschaft

Für Berufseinsteiger, die nach dem Uni-Abschluss oft die Stadt wechseln, ist der Arbeitsplatz oft der erste und manchmal der einzige Ort, neue Leute kennenzulernen. "Grundsätzlich spricht überhaupt nichts dagegen, sich mit Kollegen anzufreunden", sagt Refisch, "nur sollte man das nicht überstürzen." Oft würden Bekanntschaften mit echten Freundschaften verwechselt, und dann steht man am Ende ziemlich einsam da.

Das hat Meike König (Name von der Redaktion geändert) vor einigen Jahren erlebt. Die Sozialpädagogin tritt ihren zweiten Job nach dem Studium in einem neu gegründeten Beratungszentrum an: Mit den neuen Kollegen freundet sie sich schnell an. "Wir waren eine Viererclique, zwei Männer, zwei Frauen." Nicht nur im Job halten sie zusammen, es folgen private Unternehmungen und Einladungen zu Geburtstagsfeiern. Gemeinsames Feindbild ist die nach Meinung aller unfähige Leitung des Zentrums.

Durch einen Zufall erfährt Meike König, dass es einen Wechsel in der Führung geben soll. "Ich hatte die betreffende Person direkt darauf angesprochen. Er bat mich, es niemanden weiterzusagen." König hält Wort, dann fährt sie in den Urlaub. In dieser Zeit wird die Personalie verkündet. Alle sind überrascht. Auf die Frage: "Hat das jemand gewusst?", antwortet die neue Führungskraft: "Ja, die Meike."

Distanz hat auch Vorteile

Daraufhin wird die ahnungslose König im Urlaub angerufen und wüst von ihren Kollegen beschimpft. Ihr wird vorgeworfen, nicht loyal gewesen zu sein, weil sie die wichtige Information für sich behalten hat. Nach ihrem Urlaub ist nichts mehr so wie vorher: Die Freundschaft ist aus, alle Versuche von König mit den Menschen, die sie nicht nur für ihre Kollegen, sondern auch für Freunde hielt, zu sprechen, scheitern.

"Das war keine echte Freundschaft", urteilt Uwe Gremmers, "die Kollegen hatten sich gegen einen Dritten, den unbeliebten Chef, solidarisiert." Ein scheinbarer Vorteil, den König nicht mit ihren Kollegen geteilt hat, habe zu Neid geführt. "Bei einer echten Freundschaft will ich das Beste für meine Freunde und möchte diese auch voranbringen. Hier habe ich eher den Eindruck, dass man sich gegenseitig kleinhalten wollte."

König hat aus ihrer bitteren Erfahrung gelernt: Heute als Freiberuflerin lässt sie Freundschaft erst zu, wenn eine Zusammenarbeit beendet ist: "Im Job gibt es gute Beziehungen, aber keine Freundschaft", sagt sie, "man streitet sich mit Distanz und ist nicht so verletzlich."

Bittere Erkenntnisse: Die ganze Arbeit bleibt an einem Partner hängen; eine Freundin wird zur Rivalin

Foto: Christina Wiesen

Natürlich kann man es nicht 100-prozentig vermeiden, menschlich enttäuscht zu werden, wer aber nicht zu früh Verpflichtungen eingeht, kann sich schützen. Das fängt schon beim mittäglichen Kantinenbesuch an: "Man sollte darauf achten, nicht immer mit der gleichen Clique essen zu gehen", rät Hermann Refisch. Auch bei allzu privaten Gesprächsthemen ist Vorsicht angebracht. "Über Themen wie Hobbys, Reiseziele oder ehrenamtliches Engagement kann man gerne erzählen. Das macht Sie auch als Person transparenter."

Allerdings: Tabu sind anfangs heikle Themen wie Krankheiten oder Beziehungsprobleme. "Lassen Sie alles weg, was den Zuhörer belasten könnte und was jemand gegen sie verwenden kann." Neulinge dürfen aber ruhig einen gemeinsamen Kneipenbummel oder eine Verabredung zum Badminton anregen. Vorsicht geboten ist bei allem, was als Anbaggerversuch gedeutet werden kann.

Bei der Frage, wann aus dem netten Kollegen, mit dem man ab und zu ein Bier trinken geht, ein echter Freund wird, solle man laut Refisch auf sein "Bauchbarometer" hören. Für den Umgang mit den anderen Kollegen gelten für echte Job-Freunde ähnliche Regeln wie für Liebespaare, die zusammen arbeiten. Das heißt: Nicht ständig zu zweit zusammen glucken. "Wer Freundschaft zu demonstrativ zur Schau trägt, riskiert, von wichtigen Informationen abgeschnitten zu werden", sagt Hermann Refisch. Wenn Gespräche verstummen, sobald jemand anderes an den Tisch kommt, löst dies Misstrauen bei den Kollegen aus. Im Umgang miteinander sollte Ehrlichkeit das oberste Gebot sein. Das ist insbesondere dann wichtig, wenn es zu einer Konkurrenzsituation kommt.

"Ich war zutiefst enttäuscht"

Die Freundschaft von Ramona Cichy und ihrer besten Freundin wäre an einer ähnlichen Situation beinahe zerbrochen: Beide machen während ihres Biologiestudiums ein Praktikum im selben Institut. Cichy bewirbt sich dort auf eine Doktorandenstelle, die Freundin weiß von der Bewerbung.

Als Cichy bei der zuständigen Professorin nachhakt, wie es mit der Stelle aussieht, erfährt sie, dass die sich bereits vor zwei Wochen für ihre Freundin entschieden hat: "Ich war zutiefst enttäuscht. Nicht nur von der Professorin, sondern auch von meiner Freundin." Aber die beiden jungen Frauen schaffen es, sich auszusprechen: "Es stellte sich heraus, dass meine Freundin sich einfach nicht getraut hat, mir zu erzählen, dass sie 'meine' Stelle bekommen hat."

Ramona Cichy ist froh, dass die Freundschaft dennoch gehalten hat. Längst hat die heute 28-Jährige eine andere Stelle außerhalb der Wissenschaft gefunden, auch die Freundin ist nicht mehr für das Institut tätig. "So etwas soll unsere Freundschaft nie mehr belasten", sagt Cichy.

Eine besondere Herausforderung für eine Freundschaft bedeutet es, wenn man sich gemeinsam selbstständig macht. Die Geschichte von MyMuesli, einem Online-Shop, in dem sich der Verbraucher sein individuell gemixtes Müsli bestellen kann, ist auch die Geschichte einer Freundschaft.

Die Passauer Uni-Freunde Philipp Kraiss, Max Wittrock und Hubertus Bessau sind auf dem Weg zum Badesee, als sie im Radio den unsäglich schlechten Spot einer Müsli-Firma hören. Wenig später ist die Idee für MyMuesli geboren - und sie geht den zwei BWL-Studenten Kraiss und Bessau und dem angehenden Juristen Wittrock nicht mehr aus dem Kopf. "Wir wollten schon länger was zusammen aufziehen und haben eigentlich nur nach der richtigen Idee gesucht." Lange Zeit gehen sie mit dem Müsli-Konzept schwanger, probieren Produkte und loten verschiedene Vertriebsstrategien aus.

"Wir sind alle Machertypen - das passt zusammen"

Erst ein Jahr später im Sommer 2006 – den Studienabschluss haben inzwischen alle in der Tasche – geht es richtig los. Ein Jahr, in dem sich Kraiss, Bessau und Wittrock aber auch gegenseitig geprüft haben. "Wir sind alle Machertypen – das passt zusammen. Außerdem ergänzen sich unsere Fähigkeiten wunderbar", sagt Max Wittrock. Doch er gibt auch zu: "Wenn ich gemerkt hätte, dass es einer von den beiden nicht wirklich ernst meint, hätte ich mir das mit der Gründung noch einmal überlegt." Uwe Gremmers hält dies für genau die richtige Einstellung: Eine Freundschaft allein sei noch kein Garant für eine erfolgreiche Gründung. Die Philosophie müsse stimmen: "Das ist bei den Gründern von MyMuesli aber offensichtlich der Fall."

Was passieren kann, wenn man nicht mit der gleichen Einstellung an eine Gründung herangeht, hat Ronny Fieber aus Jena erlebt: Mit einem Kumpel gründet er schon während des Studiums eine Studentenjobbörse. Fieber hängt sich voll rein: "Pro Woche habe ich mindestens 30 bis 35 Stunden für die Firma gearbeitet." Ein Engagement, das er auch von seinem Co-Gründer erwartet. Doch der gibt ständig vor, sich mehr ums Studium kümmern zu müssen. "Dadurch blieb oft die ganze Arbeit an mir hängen." Immer wieder gibt es Streit, nach drei Jahren trennen sie sich endgültig. Eine Einigung erst vor Gericht können sie gerade noch abwenden. Bis heute grüßen sich Fieber und sein ehemaliger Freund nicht mehr.

Max Wittrock, Hubertus Bessau und Philipp Kraiss von MyMuesli können sich eine solche Situation überhaupt nicht vorstellen. "Jeder von uns steckt seine volle Arbeitskraft in die Firma." Allen ist klar, dass die Einnahmen aus dem Müsli-Business sofort wieder in die Firma investiert werden. Sich selbst zahlen die 25- bis 27-jährigen Gründer nur ein Gehalt von knapp über dem Bafög-Höchstsatz aus. Bei der Gründung der GmbH haben die drei zwar den üblichen Gesellschaftsvertrag aufgesetzt, darüber hinausgehende schriftliche Vereinbarungen gibt es nicht.

Wenn kein Vertrauen da ist, hilft auch kein Vertrag

"Für mich ist das ein bisschen wie bei einer Ehe. Wenn das Vertrauen nicht stimmt, dann hilft auch kein Ehevertrag", sagt Wittrock. Bisher gibt ihnen nicht nur der Erfolg von MyMuesli Recht - das Start-up hat gleich mehrere Gründerpreise gewonnen und wächst beständig -, sondern auch die Tatsache, dass sie weiterhin befreundet sind. Zwar werde auch mal heftig diskutiert, aber die Türen hätten noch nie geknallt, beteuern die drei.

Experten raten jungen Gründern trotz aller Euphorie zum Abschluss eines "Ehevertrages": "Wer schriftlich festlegt, was passiert, wenn einer aussteigen will, ist später auf der sicheren Seite", sagt Hermann Refisch, "dann muss auch eine Freundschaft nicht daran zerbrechen." Den Passauer Müsli-Jungs, wie sie sich selbst gern nennen, rät er außerdem, regelmäßige Feedbackrunden einzuführen, bei denen man sich offen über alles austauscht, was einen gerade nervt. "Das ist vor allem dann wichtig, wenn eine Firma wächst und nicht mehr alles auf Zuruf funktioniert."

Wittrock, Bessau und Kraiss sehen das bisher locker. Für sie hält es die Freundschaft eher gesund, wenn jeder in der Freizeit auch mal gezielt eigenen Interessen nachgeht. Max Wittrock ist öfter mal ein Wochenende weg, weil seine Freundin in Berlin lebt, Hubertus Bessau geht gerne segeln, Philipp Kraiss fährt leidenschaftlich gerne Fahrrad.

Ganz anders Christiane Bischoff und Thorsten Windus-Dörr: Der Agentur-Geschäftsführer und seine Assistentin freuen sich drauf, demnächst mal wieder ganz in Ruhe ein Bier trinken zu gehen. "Seit wir zusammen arbeiten, kommen wir kaum noch dazu, privat etwas zu unternehmen."

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