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Promotion Doktorspielchen mit dem PhD

An den deutschen Hochschulen schwindet das Vertrauen in die klassischen Studienabschlüsse. Nach Magister und Diplom erwischt es sogar den guten alten Doktortitel, der allmählich dem neuen "PhD" weichen muss. Das international bekanntere Markenzeichen sorgt allerdings für weitere Titelverwirrung.
Von Hermann Horstkotte

Für den Frankfurter Krebsforscher und Hochschullehrer Thorsten Heinzel ist es einerlei: Mal präsentiert er sich und die Mitglieder seiner Arbeitsgruppe, des "Heinzel Lab" , mit dem deutschen Doktortitel, mal mit dem englischen PhD, der Abkürzung für das Philosophical Doctorate (doctor philosophiae). Der Teamchef erläutert gegenüber SPIEGEL ONLINE: "Die englische Übersetzung ist in der internationalen Wissenschaft einfach die übliche." So wird aus Dr. Heinzel wie selbstverständlich Heinzel PhD.

Immer mehr Wissenschaftler von deutschen Universitäten treiben ein solches Wechselspiel. "Das ist nicht okay", hält Holger Conrad von der Kultusministerkonferenz dagegen. "Akademische Grade dürfen grundsätzlich nur in der Originalform geführt werden, wie sie an einer Uni erworben wurden." Zwar kann beispielsweise ein PhD aus England oder USA hier zu Lande in den Dr. umgewandelt (im Fachbegriff "nostrifiziert") werden. "Umgekehrt läuft das aber nicht", so Conrad. "Wer das nicht beachtet, begeht eine Ordnungswidrigkeit oder Straftat und riskiert eine saftige Geldbuße."

Das hieße: Aus der Traum vom selbsternannten internationalen Doktor. Freilich leisten ausgerechnet die Deutsche Forschungsgemeinschaft und der Deutsche Akademische Austauschdienst einer schillernden Begriffsverwendung seit Jahren Vorschub. Unter dem Titel PHD  fördern sie ein Doktorandenstudium, das auch auf ausländische Studenten abzielt, aber in der Regel zum normalen deutschen Dr. führt. Das große H soll jede Verwechslung der "Promotionen an Hochschulen in Deutschland" mit dem PhD ausschließen, beteuern die Verantwortlichen.

Promotion à l'Americaine

Die Begriffsverwirrung wird noch größer, weil es neben dem ausländischen PhD neuerdings vereinzelt - längst nicht überall - auch einen deutschen gibt. Dafür müssen die Länder zunächst ihre Hochschulgesetze und die Universitäten ihre Promotionsordnungen ändern. Die Goethe-Uni Frankfurt beispielsweise bietet ab diesem Wintersemester eine "Promotion à l'Americaine"  in Economics an. Das Programm orientiert sich bewusst an "stark nachgefragten Vorbildern aus den USA".

Zugleich "soll den Bachelor- und Master-Studiengängen Rechnung getragen werden. So setzt etwa die Aufnahme in das Programm keinen Diplomabschluss voraus". Mindestvoraussetzung ist vielmehr irgendein sechssemestriges, also typisches Bachelor-Studium. Das anschließende Promotionsstudium dauert vier Jahre und ist straff organisiert.

Mitinitiator Michael Binder erläutert: "Mit unserer Laufzeit unterscheiden wir uns vom herkömmlichen Graduiertenkolleg deutscher Prägung, in dem lediglich ein Jahr Lehre vorgesehen ist." Die Doktorarbeit des einzelnen entsteht nicht in der traditionellen und viele erfahrungsgemäß zermürbenden "Einsamkeit und Freiheit", sondern im stützenden Klassenverband unter ständiger Fortschrittskontrolle durch die Professoren. Mit dem neuen Ph.D-Abschluss will der Fachbereich Wirtschaftswissenschaften nicht zuletzt "auch einen zukunftsweisenden Akzent in der aktuellen Elitediskussion setzen". Mit anderen Worten: Die moderne Elite bildet sich offenbar im Team und ist so international wie der PhD.

"Von allen nur die Besten"

In Göttingen besteht schon seit drei Jahren eine entsprechende Graduate School of Physics. Gründungsdekan Reiner Kree gab die Parole aus: "Mit dem Master of Sciences und dem PhD können wir ein sehr gutes Angebot auf dem internationalen Bildungsmarkt platzieren. Wir wollen von allen nur die Besten."

Dafür garantieren anspruchsvolle Aufnahmeprüfungen. Die handverlesenen Kandidaten müssen einen Bachelor- oder gleichwertigen Abschluss mitbringen und können nach der Promotion zwischen dem deutschen und dem internationalen Doktortitel wählen. Die Hochschulleitung hält bewusst an der Gleichwertigkeit fest.

Hingegen gibt es in der Medizin schon gestufte Doktorgrade. Wer etwa in Hannover den dreijährigen PhD-Studiengang "Molekulare Medizin" absolvieren und damit in die wissenschaftliche Forschung will, muss bereits Dr. med. sein oder aber ein naturwissenschaftliches Diplom vorweisen. Diese Regelung entspricht der Auffassung des Wissenschaftsrats, des wichtigsten Gremiums zur Politikberatung in Deutschland, dass die medizinische Promotion im Durchschnitt nur die Qualität einer Diplomarbeit hat.

Titelwahrheit im Wettbewerb

In der Medizin ist ein Doktortitel Standard und vergleichsweise leicht zu erschlagen: Die Promotion dauert meist nur einige Monate, in den Geisteswissenschaften dagegen einige Jahre. Für die Zukunft denke der Wissenschaftsrat, so sein Vorsitzender Karl Max Einhäupl, wie in den USA generell an einen Medical Doctor (MD), den angehende praktische Ärzte durch eine kleine schriftliche Arbeit im Staatsexamen erwerben könnten. Eine wissenschaftliche Doktorarbeit müsse sich davon dann aber "deutlich unterscheiden". An den Medizinischen Hochschulen in der niedersächsischen Landeshauptstadt markiert heute schon der PhD diesen Unterschied.

Bayern knüpft gegenwärtig an seinen Hochschulen ein "Elitenetzwerk mit besonderen Herausforderungen für exzellente Studierende und Graduierte". Als Lohn für die geistigen Höchstleistungssportler empfiehlt der Amtschef im Münchener Wissenschaftsministerium, Ulrich Wilhelm, den "internationalen PhD-Grad" made in Germany.

Andere werden ihn stattdessen nach wie vor im Ausland machen, Harvard in Oxford (wo aber der Titel wiederum unter "DPhil" firmiert). Als Alternative bleibt auch noch der herkömmliche nationale Dr.-Titel. Die neue Vielfalt kann im Wettbewerb der Akademiker überhaupt nicht schaden - vorausgesetzt, in der Öffentlichkeit besteht Titelwahrheit und die nötige Titelklarheit.

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