Promotion Zehn Doktoranden auf der Ochsentour
Gesa Lüdecke, 30: Promotion zum Klimawandel
Mit dem Klimawandel beschäftigt sich Gesa Lüdecke in ihrer Dissertation. Sie will herauszufinden, welche Bedeutung die Medien haben können, um Menschen zu einem klimabewussten Handeln zu motivieren. "Das Thema ist ein Kompromiss aus meinem eigenen Interesse, da ich bereits in meiner Diplomarbeit ein ähnliches Thema verfolgt habe, und aus einem Forschungsinteresse meines Doktorvaters", erklärt die 30-Jährige.
Für die Arbeit erhält sie ein Promotionsstipendium der Leuphana-Universität Lüneburg. "Darauf kann man sich wie auf andere Stipendien auch bewerben", sagt Lüdecke, "allerdings ist der Konkurrenzkampf nicht so stark." Außerdem müsse die Bewerbung nicht so umfangreich sein wie bei anderen Stiftungen.
Durch eine Projektarbeit am Institut für Umweltkommunikation sei sie in die Promotion "reingerutscht". Nach dem Abschluss würde sie aber lieber in der Praxis arbeiten: "Ganz vorn steht die Arbeit bei einer Tierschutz- oder Umweltschutzorganisation."
Als größte Herausforderung sieht sie die Angst vor dem eigenen Versagen. "Ich befinde mich noch am Anfang meiner Promotion und habe schon öfter das Gefühl gehabt, alles hinschmeißen zu wollen." Sie versuche aber, sich nicht verrückt zu machen, denn: "Durchhaltevermögen ist eine absolute Grundvoraussetzung. Selbst wenn man für sein Thema brennt, ist die Ausdauer entscheidend über einen Erfolg oder eben einen Misserfolg."
Bei Lars Nuschke regiert König Fußball
Fußball ist der Deutschen liebstes Freizeitvergnügen - und Thema der Dissertation, die Lars Nuschke kürzlich an der Göttinger Uni eingereicht hat. Titel: "Name-Sponsoring im europäischen Fußball: Eine komparative Analyse von Deutschland, England und Österreich."
Schon beim Diplom habe er ein "artverwandtes Thema" gehabt - und noch viele offene Fragen erkannt. "Die Frage nach Alternativen zur Promotion hat sich mir deswegen nicht gestellt." Zwei Jahre lang sammelte Nuschke als Dozent für Sportmarketing auch Erfahrungen in der Lehre.
Der 29-Jährige kann sich vorstellen, "irgendwann auch den wissenschaftlichen Weg einzuschlagen, aber momentan reizt mich eine Herausforderung in der freien Wirtschaft doch mehr". Der Doktortitel sei natürlich auch eine Zusatzqualifikation für den Lebenslauf. "Das kann allerdings nicht die alleinige Motivation sei", betont der leidenschaftliche St. Pauli-Fan.
Manchmal ringt er mit sich selbst - "gerade wenn Gedanken sich als falsch herausgestellt haben oder mit bürokratischen Anforderungen der Uni zu kämpfen war". Ausgesprochen wichtig sei es, in einem Doktorandenkreis über die besonderen Probleme einer Promotion sprechen zu können: "Man sollte seine Thesen und Arbeitsfortschritte regelmäßig mit anderen diskutieren und versuchen, daraus neue Ansätze abzuleiten" - in diesem Sinne ist Promovieren auch ein Mannschaftssport.
Jessica Aschemann vereinbart Promotion und Familie
Eigentlich hat Jessica Aschemann drei Jobs: Sie arbeitet an der Universität Kassel, schreibt an ihrer Doktorarbeit und hat zwei kleine Kinder. "Die Verbindung von Forschen, Schreiben und Arbeit in der Lehre macht mir Spaß", sagt die 32-Jährige.
In ihrer Dissertation beschäftigt sie sich seit Anfang 2004 mit dem Einfluss nährwert- und gesundheitsbezogener Angaben auf das Kaufverhalten bei Lebensmitteln. Die Doktorarbeit ist für sie ein Muss: "Ich finanziere nicht die Promotion, sondern die Promotion finanziert mich - sie ist Teil meiner Arbeit."
Ende des Jahres möchte sie abgeben, nach knapp fünf Jahren. "Ich werde etwas länger gebraucht haben, aber nicht so viel länger, wie man vielleicht denkt", so Aschemann.
Ihre Familie helfe ihr, Aufwand und Nutzen besser abzuwägen, und sei ein wichtiger Antrieb. Bei beiden Kindern, drei Jahre und ein Jahr alt, ist sie ab Beginn des Mutterschutzes fünf Monate zu Hause geblieben, danach fünf Monate ihr Partner. Ab dem Alter von sieben Monaten gab es dann auch noch eine Tagesmutter für 32 Wochenstunden.
Es ist nicht immer einfach, die drei Aufgaben unter einen Hut zu bringen. "Für die konkrete Verknüpfung von Arbeit, Promotion und Kinder gibt es für mich keine Unterstützung durch die Uni, abgesehen von der positiven Einstellung meines Chefs und Betreuers", so Aschemann. Was für sie am, meisten zählt: eine positive Einstellung und eine kinderfreundliche Umgebung.
Mostafa Akbari lehnte Jobangebote ab
An der RWTH Aachen hat Mostafa Akbari Informatik mit Nebenfach Psychologie studiert. Hier schreibt er auch seine Doktorarbeit und geht der Frage nach, ob Frauen und Männer sowie Studenten und Schüler aus verschiedenen gesellschaftlichen Schichten gleich gut mit eLearning-Angeboten zurechtkommen. "Es gibt einige Berufe und Stellen, die mit einer Spezialisierung über die Promotion besser erreichbar werden", so Akbari.
Der 29-Jährige wurde im Iran geboren, ist mittlerweile aber deutscher Staatsbürger. Seine Herkunft war für ihn kein Problem: "Ich bin sehr gut integriert in Deutschland." Direkt nach dem Informatikabschluss hatte Akbari mehrere Job-Angebote von Unternehmens- und IT-Beratungen, entschied sich aber dann doch für die Promotion.
"Auch bei den Top-Beratungen sollte man nach zwei Jahren die Promotion oder einen MBA machen", sagt er, "deshalb ist es besser, sich jetzt die zwei Jahre zu sparen." Dadurch stiegen auch die Karrierechancen.
Zur Finanzierung seiner Arbeit hat Akbari ein Stipendium aus der Exzellenzinitiative der RWTH Aachen erhalten. Natürlich gibt es auch Momente, in denen er die Entscheidung für die Doktorarbeit bereut: "Wenn man mal mehr Geld ausgeben möchte oder einen Job machen will, der einen nicht in Gedanken 24 Stunden am Tag beschäftigt."
Die Angebote aus der freien Wirtschaft hätten deutlich über seinen jetzigen Einkünften gelegen. Mit seiner Dissertation wolle er aber der Gesellschaft etwas zurückgeben - "in Form von Forschungsergebnissen, die man erbringt".
Marco-Alexander Zentler - Laptop mit Dissertation geklaut
Marco-Alexander Zentler hat in Tübingen echte Orchideenfächer studiert: Ägyptologie plus als Nebenfächer Vergleichende Religionswissenschaft sowie Sprachen und Kulturen des christlichen Orients. Da lag eine Promotion nahe: "Ohne sie sind in kulturwissenschaftlichen Fächern keine akademischen Stellen zu bekommen." Und der 33-Jährige würde gern an der Universität bleiben, auch wenn er eine Tätigkeit als Kulturreiseleiter nicht ausschließt.
In seiner Dissertation beschäftigte sich Zentler mit dem Weiterleben altägyptischer Elemente in der koptischen Kultur der Spätantike, mit einem Schwerpunkt auf religiösen Themen. Finanziert hat das die Graduiertenförderung der Konrad-Adenauer-Stiftung.
Zentler kämpfte bei der Doktorarbeit mit allerlei Schwierigkeiten: Eine schwere Erkrankung zog sich über mehrere Monate hin. Kaum war sie überstanden, brach die nächste Katastrophe über ihn herein: Aus seinem Wohnheimzimmer wurde der Laptop geklaut - samt Tasche mit wichtigen Ausdrucken, Unterlagen und Sicherungs-CD. Das Schlimmste: "Es war ein geplanter Einbruch in mein Zimmer, weil die Türe nicht aufgebrochen wurde."
Zwar habe er die meisten Dateien zusätzlich auf einem Institutsrechner gespeichert, aber danach habe ihm das Gefühl zu schaffen gemacht, niemandem im Wohnheim trauen zu können. "Der Zeitverlust betrug etwa ein Dreivierteljahr", schätzt Zentler. Im Juni konnte er die Arbeit dann endlich abgeben - und sich über ein "Magna cum laude" freuen.
Romi Domkowsky kennt ihr Theater-Thema aus der Praxis
Zwei Uni-Abschlüsse hat Romi Domkowsky schon: Diplom und Master. Und macht an der Universität der Künste Berlin nun ihren dritten - mit der Promotion zum Thema "Die Wirkung des Theaterspielens auf junge Menschen".
Der Doktortitel spielt für sie aber eine Nebenrolle, "Status hat für mich nicht eine solch große Bedeutung". Die 31-Jährige wollte sich intensiv mit einem Thema beschäftigen, das sie sehr interessiert. "Ich promoviere nicht, um zu promovieren."
Vor der Promotion war Domkowsky selbstständig. Und trotz Mastertitel wurde sie bei der Bezahlung oft nur als Sozialpädagogin eingestuft. "Schon da war ich überqualifiziert, das wird mit dem Doktortitel nicht anders werden", ahnt sie.
Zum ersten Mal stieß Domkowksy 1997 bei ihrer Diplomarbeit auf das Thema, das sie bis heute nicht mehr losgelassen hat - und zugleich sehr wichtig für ihr Berufsfeld als Theaterpädagogin geworden ist. Denn wegen leerer öffentlicher Kassen gebe es "einen großen Legitimationsdruck für soziale Kulturarbeit und kulturelle Bildung". Das betreffe die Theaterarbeit mehr als etwa Musik und Bildende Kunst, die an Schulen etabliert seien.
"Der Anspruch, eine Legitimation zu liefern, wird an meine Studie herangetragen", so Domkowsky. Das sei aber gar nicht ihre Motivation. Seit acht Jahren hat sie auch Lehraufträge und kann sich auch vorstellen, in der Lehre zu bleiben: "Die Arbeit mit den Studis macht mir großen Spaß."
Philipp G. Axt promoviert neben einem Vollzeitjob
An der Bayreuther Uni hat Philipp G. Axt BWL studiert. An der Philosophischen Fakultät schreibt er nun seine Doktorarbeit zur Anwendbarkeit ethischer Normen bei Interessenkonflikten in der Unternehmensberatung.
Das Thema kommt nicht von ungefähr: Er ist seit fast zehn Jahren als Unternehmensberater tätig. "Ich möchte auch mein eigenes Handeln kritisch hinterfragen", so der 34-Jährige.
Ein Berater habe mit seiner Arbeit an den Schlüsselstellen unternehmerischer Entscheidungen besondere Verantwortung für die Konsequenzen seiner Empfehlungen. "Diese Verantwortung kann in der Realität jedoch nicht immer so gelebt werden, wie man sich das im Idealfall wünschen würde."
Für die Promotion hat sich Axt entschieden, "um neben der oft sehr stark effizienzgetriebenen Arbeit in der Beratung die zweite Gehirnhälfte nicht 'einrosten' zu lassen". Sein Thema befinde sich genau an der Schnittstelle zwischen der praktischen Tätigkeit und wissenschaftlichen Perspektive.
Klar ist aber: Der Beruf geht vor. "Die Promotion ist - leider - immer auf zweiter Priorität", so Axt, "erst muss der Mensch essen, dann kann er denken." Für die Dissertation bleibe in einer arbeitsreichen Woche keine Zeit. "Deshalb reserviere ich ganze Tage oder möglichst Wochen dafür, und dann ist in dieser Zeit die Dissertation die Haupt-Arbeit."
Trotz Arbeit und Dissertation habe er auch noch ein Privatleben - "ohne gute Planung und Selbstorganisation geht das natürlich nicht".
Anne Christina Mess ist eine spätberufene Doktorandin
Mit ihrer Doktorarbeit hat Anne Christina Mess, 46, erst sehr spät angefangen. 1991 hatte sie in Hamburg ihr Studium als Diplom-Psychologin abgeschlossen, es folgten Ausbildungen in Psychotherapie und Sportpsychologie. "2003 war ich schwer krank und nahm mir vor, noch den Master of Mediation zu machen, falls ich überleben sollte", sagt sie.
An der FernUni Hagen schloss sie dieses Studium 2005 ab und begann dann in Hamburg mit ihrer Doktorarbeit zur "Wirksamkeit und Dauerhaftigkeit der Ergebnisse von Mediationen und Beratungen bei Trennungen und Scheidungen". "Das Thema ermöglicht mir eine inhaltliche Synthese meiner beiden Universitätsstudiengänge und beruflichen Erfahrungen", so Mess. Außerdem sei es ein noch wenig beackertes Forschungsfeld und ein "Themenbereich mit Zukunft."
Promovieren wollte Mess schon nach dem Psychologiestudium, bekam aber eine Stelle in einer Fachklinik in Süddeutschland. Als sie dann 15 Jahre später mit der Doktorarbeit loslegte, spürte Mess zunehmende "Praxismüdigkeit" im doppelten Sinne: "Ich hatte viel Erfahrung in meiner eigenen Praxis für Psychotherapie, Mediation und Personalentwicklung und eben auch in der praktischen Arbeit mit Patienten."
Es entwickelte sich ein starker Wunsch nach wissenschaftlichem Austausch. Das Schreiben der Doktorarbeit empfindet Mess als große Bereicherung: "Ich erlebe eine zusätzliche Stärkung meines Durchhaltevermögens und meiner Frustrationstoleranz."
Martin Meyer sucht noch nach einem Doktorvater
Mit der Doktorarbeit hat Martin Meyer bereits begonnen. Nur: Ihm fehlt noch der Doktorvater. Er studierte in Duisburg Informatik und Pädagogik und unterrichtet inzwischen am Weiterbildungskolleg in Lippstadt Mathematik, Psychologie und Informatik.
Seine große Leidenschaft sind Taschenrechner. Der 40-Jährige hat bereits ein Buch mit einem neuen didaktischen Ansatz geschrieben: Implizites Lernen der Regeln, die für die Bedienung moderner Taschenrechner nötig sind. "Der Taschenrechner hat dabei die Funktion eines Lehrers", erklärt Meyer, "er hilft dabei, mathematische Sachverhalte besser zu verstehen."
In der Doktorarbeit möchte er sich nun mit dem "Lernen von Regeln zur Kategorisierung von Gesichtern in Strichzeichnungen" befassen. Ein Experiment mit 201 Teilnehmern hat er bereits durchgeführt. "Ich will promovieren, weil ich forschen will", so Meyer. Ihm schwebt die Gründung eines Instituts mit dem Ziel der Erforschung, Entwicklung und Evaluation innovativer Lernformen vor. "Die Promotion ist Voraussetzung, um überhaupt ernsthaft Forschung betreiben zu können", sagt der Pädagoge.
Die größte Herausforderung ist für ihn nun, einen geeigneten Betreuer zu finden, obwohl er seit zehn Jahren aus dem Wissenschaftsbetrieb draußen ist. "Ich bin Quereinsteiger, aber hoch motiviert." Sollte er mit seinem aktuellen Exposé keinen Betreuer finden, wird er es mit einem anderen Projekt versuchen: "Neues Exposé, neues Glück."
Jannis Panagiotidis schreibt im Ausland
In Tübingen studierte Jannis Panagiotidis Geschichte und Politikwissenschaft. Für die Doktorarbeit hat er Deutschland verlassen und ist seit September 2007 am Europäischen Hochschulinstitut (EUI) in Florenz. Dort haben Doktoranden aus ganz Europa beste Forschungsmöglichkeiten - und können sich Dank üppiger Stipendien vier Jahre voll auf die Dissertation konzentrieren.
Panagiotidis schreibt über "Ethnische Migration aus der Sowjetunion nach Deutschland, Israel und Griechenland". Damit hatte er sich schon in der Magisterarbeit beschäftigt. "Das Thema kombiniert alle meine Interessen in der Geschichte", so der 27-Jährige. Der ungewöhnliche Ansatz half ihm auch, sich von anderen Bewerbern abzuheben.
"Das Umfeld ist phantastisch", schwärmt er über das Institut in Florenz. Neben einer gut ausgestatteten Bibliothek und international renommierten Professoren gibt es auch finanzielle Unterstützung für bis zu sechs Forschungsreisen. Außerdem komme man am EUI "mit völlig anderen Wissenschaftskulturen" in Berührung.
Nach der Promotion möchte Panagiotidis unbedingt in der Wissenschaft bleiben. Seine Dissertation schreibt er auf Englisch, obwohl er sie am EUI auch auf Deutsch einreichen könnte. Der Grund liegt für ihn auf der Hand: "Die Arbeit wird mehr gelesen, wenn man sie auf Englisch publiziert hat." So sei er nicht auf den deutschen Markt festgelegt, "außerdem fällt mir das akademische Schreiben im Englischen leichter."