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Job & Karriere

Ratgeber Die kniffligsten Karriere-Fragen

Kann ein Bewerber eine Kündigung in der Probezeit schlüssig erklären? Wie verkauft man zweitklassige Uni-Noten erstklassig, wie kriegen Männer elegant die Kurve in die Elternzeit? Vertrackte Leserfragen beantwortet Martin Wehrle, Autor des "Lexikons der Karriere-Irrtümer".

1. Schneller Firmenwechsel: Wie verkaufe ich einen Frühabgang?

Die Lesermail:
Ich bin erst seit neun Monaten bei meinem jetzigen Arbeitgeber, habe aber den dringenden Wunsch, wieder zu wechseln. Gibt es eine Mindestzeit, die man in einer Firma bleiben sollte? Macht so ein früher Wechsel einen schlechten Eindruck im Lebenslauf? Und beantrage ich ein Zwischenzeugnis oder bewerbe ich mich ohne aktuelles Zeugnis?

Arbeitgeber sind wie Wahrsager - nur dass sie nicht in die Glaskugel, sondern in Ihren Lebenslauf schauen. Aus Ihrer (Un-)Stetigkeit in der Vergangenheit schließen sie auf Ihr künftiges Verhalten. Diese Prognose fällt umso schlechter aus, je mehr Frühabgänge Ihr Lebenslauf enthält. Warum Geld und Mühe in Ihre Einarbeitung investieren, wenn Sie bald wieder entschwinden? Darum rate ich meinen Klienten: Bleiben Sie mindestens zwei, besser drei Jahre in einer Firma, ehe Sie zu neuen Ufern streben.

Und wenn Sie es nicht mehr aushalten? Dann sollten Sie prüfen: Liegt es wirklich an der Firma? Oder hat Ihre Unzufriedenheit damit zu tun, dass Ihre Ansprüche an den Beruf und die Realität auf verschiedenen Kontinenten wohnen? Gerade Hochschulabgänger nehmen nur ungern zur Kenntnis, dass jeder Beruf zu großen Teilen aus Routine besteht. Sogar der Hollywoodstar muss wochenlang sein Drehbuch lernen, ehe er vor die Kamera darf. Das müssen Sie aushalten. Auch an Ihrem nächsten Arbeitsplatz.

Gehen wir davon aus, Sie haben sich bei der Wahl der Firma vergriffen. Dann hilft der Trick des Herzensbrechers: Er gibt jeder neuen Eroberung das Gefühl, etwas Besseres als die Letzte zu sein. Darum halten seine Neuen die Tatsache, dass er sich (früh) von der Vorgängerin trennt, nicht für ein Warnsignal - sondern für einen Beweis großer Liebe.

Finger weg vom Zwischenzeugnis

Finden Sie heraus, was in Ihrer Wunschfirma zählt. Studieren Sie die Stellenausschreibung genau: Worauf ist man in der Firma stolz? Welche Werte stehen auf der Fahne? Was soll der Stelleninhaber bewirken? Testen Sie das Angebot, sprechen Sie mit Kunden, telefonieren Sie mit der Personalabteilung. Je besser Sie die neue Firma kennen, desto leichter fallen eine maßgeschneiderte Bewerbung und eine schlüssige Argumentation im Vorstellungsgespräch. Machen Sie deutlich, dass Sie nicht irgendein Bewerber sind, sondern dass Sie die Firma verstanden haben, ihre Probleme lösen können und dass Sie zu ihr - nur zu ihr! - so gut passen wie Neptun ins Meer.

Dann geht der Personaler nicht mehr davon aus, dass eine Fluchtmotivation Sie beim Wechseln leitet (Sie wollen weg von der alten Firma und sind bei der Wahl der neuen nicht wählerisch) - sondern dass Sie eine begehrte Anreizmotivation treibt (Sie haben die "Firma Ihres Lebens" gefunden, dafür wechseln Sie jederzeit, auch sehr früh).

Was das Zwischenzeugnis angeht: Finger weg davon! Erstens machen Sie sich am aktuellen Arbeitsplatz zur flügellahmen Ente - man durchschaut Ihre Wechselabsicht. Zweitens stellt sich der neue Arbeitgeber die Frage, ob dieses Zeugnis nicht Hinweis auf ein zerrüttetes Verhältnis ist. Und drittens: Welche Heldentaten sollten dort stehen, nach nur neun Dienstmonaten?

Die Alternative: Legen Sie Ihrer Bewerbung eine "Tätigkeitsbeschreibung" bei, in der Sie Ihre jetzige Aufgabe festhalten. Das ist für den neuen Arbeitgeber genauso hilfreich. Und für Sie ohne Risiko.

Mäßige Noten: Wie zeige ich, dass ich dennoch erstklassig bin?

Die Lesermail:
Ich beende demnächst mein Studium und habe ein Problem - meine Noten sind nur mittelmäßig. Dabei habe ich bereits drei verschiedene Werkstudenten-Tätigkeiten durchlaufen, ein halbjähriges Praktikum mit super Feedback absolviert und war auch im letzten Jahr in China, um ein Auslandspraktikum zu absolvieren. Zudem steht eine Tätigkeit für einen Lehrstuhl an. Mit welcher Strategie verkaufe ich mich als Bewerber optimal?

Wenn Sie ein Absolvent wie die meisten wären, wenn Sie nur Abitur, Studienabschluss und eine dünne Erfahrung als Praktikant vorweisen könnten, wären Ihre Noten in der Tat ein Stolperstein. Denn woraus, wenn nicht aus der Qualität Ihrer Abschlüsse, sollten die Firmen auf die Qualität Ihrer Arbeit schließen? Und wie, wenn nicht über gute Noten, wollten Sie sich von anderen Bewerbern abheben?

Aber in Ihrem Fall sehe ich die Sache anders. Sie können genau das belegen, was die Personaler bei den meisten Abgängern vermissen: praktische Erfahrungen und überdurchschnittliches Engagement. Dass Sie drei Tätigkeiten als Werksstudent durchlaufen und ausgezeichnetes Feedback als Praktikant bekommen haben, dass Sie sogar in China waren und nun auch noch für einen Lehrstuhl arbeiten - dies alles hebt Sie aus der Masse der Bewerber. Mit diesem Pfund können Sie in Ihrer Bewerbung wuchern.

Aber ehe Sie an fremde Türen klopfen: Sprechen Sie doch erst mal die Firmen an, wo Sie als Praktikant oder Werkstudent gepunktet haben. Dort wird man sich an Sie erinnern, an Ihre Persönlichkeit und Ihre Arbeitsleistung. Die Noten bremsen diese Begeisterung nicht, schließlich sind sie kein Selbstzweck, nur Indikator für Ihre Arbeitsqualität.

Wenn Sie sich bei anderen Firmen bewerben: Arbeiten Sie heraus, dass es für Sie wichtig war, die Theorie durch praktische Erfahrungen zu erden. Zeigen Sie auf, welche Ihrer Erfahrungen sich mit den Anforderungen der neuen Stelle decken. Im Anschreiben und auf einer "dritten Seite" können Sie diese Botschaft vorzüglich transportieren.

Auf diese Weise wird es Ihnen gelingen, sich schon als Bewerber den Ruf eines zupackenden Praktikers zu erwerben. Damit heben Sie sich von den meisten anderen Absolventen ab, die bei den Firmen unter dem Generalverdacht stehen, akademische Theoretiker zu sein. Praktische Erfahrung ist mindestens so wertvoll wie ein Abschluss, bei dem vorm Komma eine 1 steht.

Elternzeit als Mann: Wie nehme ich sie, ohne meiner Karriere zu schaden?

Die Lesermail:
Wie kann ich als Mann in einem eher konservativ geprägten Unternehmen mindestens zwei Monate in Elternzeit gehen, ohne dass es die Karriere gefährdet? Im Moment habe ich eher den Eindruck, bei meinem Chef würde eine Welt (oder ein Weltbild) zusammenbrechen. Und wie sieht es später im Lebenslauf aus, wenn ich mal acht Wochen zu Hause Windeln gewechselt habe?

Genauso gut könnten Sie mich fragen: "Wie fasse ich einem Krokodil in den Rachen, ohne gebissen zu werden?" Das Problem ist nicht Ihre Elternzeit, sondern es sind die Überzeugungen in Ihrem "konservativ geprägten Unternehmen". Dort - wie in den meisten deutschen Firmen - glaubt man immer noch: Ein guter Arbeitnehmer zieht sein Berufs- dem Privatleben vor. Dutzende von Fragen im Vorstellungsgespräch, etwa "Worauf sind Sie in Ihrem Leben am stolzesten?", wollen die Gewichtung zwischen beiden Bereichen erschnüffeln.

Wir sind uns einig, dass dieses Denken eher zu Sklaventreibern als zu modernen Führungskräften passt. Aber das können Sie Ihrem Chef schlecht sagen. Deshalb: Stellen Sie Ihre Elternzeit nicht als "Privatprojekt" dar, etwa nach dem Motto: "Ich will das Kind in meinen Armen aufwachsen sehen …", sondern arbeiten Sie den Vorteil für die Firma heraus. Zum Beispiel: "Es ist mir wichtig, dass ich in der entscheidenden Zeit zwei Monate bei meinem Kind bin. Ich glaube, das kann ich viel Kraft für die nächsten Arbeitsjahre tanken und auch Energie für die Firma sparen, weil sich das Verhältnis zwischen Vater und Kind besser entwickelt ..." Diese Argumentation greift einen Zipfel der Wahrheit und wird von Ihrem Chef noch am ehesten akzeptiert.

Was Ihren Lebenslauf angeht: Führen Sie die Erziehungszeit an, wenn Sie sich in einem Unternehmen bewerben, das modern und familienfreundlich ist (wäre es nicht ohnehin besser, in eine Firma zu wechseln, die Ihre Werte teilt?). Falls Sie wieder in ein konservatives Umfeld wollen: Lassen Sie die Erziehungszeit im Lebenslauf weg. Schließlich wollen Sie dem künftigen Arbeitgeber keine Argumente gegen, sondern solche für Ihre Einstellung liefern (das Wort "Bewerbung" kommt von "Werbung").

Diese Strategie gilt ganz besonders, wenn Sie noch in einem Alter sind, das - aus Ihrer Sicht - weitere Kinder erhoffen oder - aus Sicht der Firma - weitere Kinder befürchten lässt.

Entlassung in der Probezeit: Wie kaschiere ich den Makel?

Die Lesermail:
Meine Probezeit wird nicht verlängert. Wie soll ich in künftigen Vorstellungsgesprächen damit umgehen? Sollte ich gar die sechs Monate im Lebenslauf streichen und den Job verschweigen?

Die ersten sechs Monate einer Tätigkeit sind eine magische Grenze: Wer sie überschreitet, hat seinen Arbeitgeber offenbar überzeugt (denkt die nächste Firma). Wer dagegen früher geht, wurde offenbar gegangen. Dieser Makel lässt sich auch durch wohlwollend formulierte Zeugnisse nicht überdecken.

Im Vorstellungsgespräch hilft Ihnen die Flucht nach vorn. Aber sprechen Sie nicht von Fehlern, die Sie am alten Arbeitsplatz begangen haben. Und schieben Sie solche Fehler schon gar nicht anderen in die Schuhe, etwa dem letzten Chef - denn aus der Art, wie Sie über ihn sprechen, wird auf Ihren Umgang mit dem neuen Chef geschlossen.

Vielmehr sollten Sie betonen, was Sie für sich gelernt haben. Zum Beispiel können Sie sagen: "Diese sechs Monate waren eine wichtige Zeit für mich. Anfangs hatte ich geglaubt, es sei eine Stärke, alles ohne fremde Hilfe zu schaffen. Später wurde mir klar, dass es eher eine Stärke ist, die eigenen Grenzen zu kennen und den Rat erfahrener Kollegen zu holen. Künftig werde ich deshalb..."

Damit haben Sie eigene Fehler (indirekt) eingeräumt, aber die Not zur Tugend gemacht: Beim Gesprächspartner bleibt nicht in erster Linie Ihr Fehler hängen - der schwingt nur zwischen den Zeilen -, sondern Ihre Lernfähigkeit und Ihre Offenheit. Schon gelten Sie nicht mehr als gescheitert, sondern als geläutert. Entscheidend ist wieder Ihre Prognose für die Zukunft und nicht Ihre Vergangenheit.

Und was ist mit der Möglichkeit, diese Zeit aus dem Lebenslauf zu streichen? Gerade für Abgänger ist diese Versuchung groß: Kann es nicht sein, dass Sie die ersten sechs Monate nach dem Studium für eine Weiterbildung, etwa eine Sprachreise, genutzt haben? Eine längere Spanne zwischen Studium und Berufseinstieg ist bei der heutigen Lage des Arbeitsmarktes nichts Ungewöhnliches.

Moralisch halte ich solche Schwindeleien für vertretbar, denn die Firmen binden Ihnen auch nicht auf die Nase, welche Projekte im letzten halben Jahr gescheitert sind und wie oft der Gerichtsvollzieher an der Tür geklingelt hat. Aber Sie brauchen starke Nerven, denn wer garantiert Ihnen, dass nicht mal ein Kollege aus Ihrer alten in die neue Firma wechselt?

Die Arbeitswelt ist klein. Und ein Vertrag ist schnell wegen "arglistiger Täuschung" gekündigt. Wählen Sie jenen Weg, den Sie besser vor sich und vor anderen vertreten können.

Gehaltserhöhung: Wie setze ich sie nach einem internen Wechsel durch?

Die Lesermail:
Ich bin seit zwei Jahren in meiner Firma und nun in eine neue Abteilung gewechselt. Dort bin ich Leiterin eines strategisch wichtigen Vorstandsprojektes. Ich hätte gern eine Gehaltserhöhung. Meine Stelle wird in dieser Hinsicht noch endgültig bewertet. Wie soll ich vorgehen - eine Bewertung abwarten? Soll ich in der Verhandlung höher pokern, als ich es eigentlich erwarte? Was tun, wenn mein Chef "nein" sagt? Welche Argumente können ihn überzeugen?

Als Gehaltscoach zitiere ich oft das Sprichwort: "Nur das quietschende Rad wird geölt." Warten Sie nicht auf ein Weltwunder oder darauf, dass Ihr Chef von allein auf Sie zukommt oder die Stelle höher gestuft wird. Bitten Sie Ihren Vorgesetzten um ein Gespräch über die Perspektiven der neuen Position. Klären Sie seine Erwartungen und zeigen Sie, mit welchen Ideen Sie ihn vorwärts bringen. Je besser Sie vorbereitet sind, desto mehr Eindruck werden Sie machen.

Auf dieser Basis lenken Sie zum Gehalt. Sprechen Sie immer von "Gehaltsanpassung", nie von "Gehaltserhöhung". Natürlich werden Sie nicht teurer, sondern wollen für ein Plus an Leistung und Verantwortung auch ein Plus an Gehalt. Also keine zusätzliche Ausgabe für die Firma, sondern eine Investition, die sich auszahlt.

In welchen Punkten ist die neue Position anspruchsvoller als die alte? Welche besonderen Qualifikationen bringen Sie mit? Wie sieht der Marktwert für vergleichbare Positionen aus? Streuen Sie die Saat der Argumente, ehe Sie an die Gehaltsernte gehen. Setzen Sie Ihre Forderung so an, dass Ihr Chef Sie ein gutes Drittel nach unten handeln kann; Feilschen gehört zum Spiel. Eine Erhöhung von 300 Euro im Monat ist für ihn eine Zumutung, wenn Sie 300 gefordert hatten, aber ein Erfolg, wenn er Ihnen 500 ausgeredet hat.

Im Kopf sollten Sie ein Minimalziel haben, unter das Sie nicht gehen. Und ein Alternativziel, zum Beispiel eine Prämie, das Ihnen als Brücke dient, wenn die Standpunkte beim Grundgehalt festgefahren sind. Definieren Sie mit Ihrem Chef eine besondere Leistung, ein Ziel auf Jahresfrist, wofür Sie eine Prämie bekommen. Gerade gehobenen Vorgesetzten ist dieses Vergütungsmodell bestens vertraut, deshalb nehmen sie es in der Verhandlung leicht an.

Bleiben Sie hartnäckig, falls Ihr Chef "nein" sagt; jetzt hört die Verhandlung nicht auf, jetzt fängt sie erst an. Bei großem Widerstand hilft die Frage: "Was müsste ich leisten, um eine Gehaltsanpassung in der angesprochenen Höhe zu bekommen?" Nun ist er gezwungen, Ihnen eine Perspektive aufzuzeigen. Nicht selten lässt sich daraus doch noch ein Prämienziel ableiten.


In der SPIEGEL-ONLINE-Serie erklärt Martin Wehrle die heimlichen Spielregeln im Job.

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