Reden über Gehälter Sex? Spannend! Geld? Tabu

Entspannte Plauderei am Feierabend: Beim eigenen Gehalt hört der Spaß auf
Foto: CorbisHamburg - Unglaublich, was man auf Bürofluren so alles erfahren kann: Wer nur lang genug Großraumbüro, Drucker und Kantinentisch teilt, der hat meist nur noch wenig Geheimnisse voreinander. Der eine sorgt sich wegen der pubertierenden Kinder, dem nächsten graut vorm anstehenden TÜV. Und die Kollegin im Vertrieb geht gerade durch eine schwierige Scheidung.
Nur bei einem Thema endet die innerbetriebliche Offenheit: Dem eigenen Gehalt.
Ein Verhalten, das im internationalen Vergleich noch sonderbarer wirkt. Denn nicht in allen Ländern ist man beim Thema Geld derartig verkrampft. "Wenn man zum ersten Mal vom Taxifahrer gefragt wird, was man denn so verdiene, ist man natürlich völlig perplex", erzählt etwa Rolf Daufenbach. Mehrere Jahre hat der Psychologe als Entwicklungshelfer in Asien gearbeitet. Und da wird die Frage nach dem Gehalt in einer Reihe mit der Frage nach dem Wetter gestellt.
Nicht immer hat Daufenbach geantwortet. Seine eigene Erziehung zu überwinden, das sei nicht einfach. "Ob man nun in die Kirche geht oder nicht", sagt er, "bei uns gibt es einen christlich geprägten Wertekanon: Vor Gott sind alle gleich - und das wird stark in der Gesellschaft gelebt." So erklärt er sich die kulturellen Unterschiede beim Thema Einkommen.
In hierarchisch geprägten Ländern ist Geld kein Tabuthema
Geld schaffe eine Hierarchie, und die sei in Deutschland nicht erwünscht. Jemand, der bei uns sage, er könne sich eine S-Klasse leisten, der komme schlecht an. Jemand, der sage, er habe ein Auto mit einem kleinen Sternchen vorne drauf, der wirke schon wieder sympathisch. "Weil er den Unterschied verbal kleiner macht", sagt Daufenbach.
In anderen Ländern würden die Menschen nie auf die Idee kommen, ihren Reichtum oder ihre Armut zu verbergen. Daufenbach arbeitet heute beim Institut für Interkulturelles Management und bereitet Menschen auf ihren Auslandsaufenthalt vor. "Jeder, der in ein hierarchisch geprägtes Land geht", sagt er, "muss mit der direkten Frage nach dem Geld rechnen." Auch in Asien, seinem Spezialgebiet, habe der Umgang mit Geld wie in Europa religiöse Wurzeln. "Dort hat man Religionen, die nicht so sehr vom Gleichheitsgedanken geprägt sind", sagt Daufenbach. "Dort wird eher differenziert."
In einigen Ländern gibt es sogar unterschiedliche Personalpronomen für die ältere Schwester und die jüngere Schwester. Hierarchien sind dort wichtig, sie werden stark gelebt. "Daher muss man natürlich wissen", sagt Daufenbach, "wie man zu einer anderen Person auf der imaginären Hierarchieskala steht. Die Frage nach dem Gehalt hilft da und ist völlig normal."
Man will weder Neid noch Mitleid ernten
Zudem verstärkt sich bei Vielen das Unbehagen, über Geld zu reden, je besser man sein Gegenüber kennt. Wer mit dem Personalverantwortlichen schon öfter Mittagessen war, dem mag es als doppelt unangenehm erscheinen, über sein Salär zu sprechen. Schließlich möchte man bei dem netten Kollegen nicht als Raffke dastehen. Daher sind die Verhandlungen bei einem Jobwechsel immer leichter. Mit fremden Menschen lässt es sich nun mal leichter über Geld reden.
Das eigene Gehalt den Kollegen zu verraten, kann einem übrigens niemand verbieten: Schweigeklauseln in Arbeitsverträgen sind nicht wirksam, das hat im letzten Jahr das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern entschieden. Es muss den Beschäftigten erlaubt sein, über ihr Gehalt zu reden, damit sie erkennen können, ob ihr Arbeitgeber gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstößt, begründete das Gericht.
Nur bei der einen Frage, die jeden interessiert, schweigt der Flurfunk. Weil niemand sich traut, sie zu stellen - schließlich will man sie auch selbst nicht beantworten. Nein, übers Gehalt sprechen die Deutschen nicht. Sogar noch seltener als über Sex, das ergab eine Forsa-Umfrage vor zwei Jahren. In Deutschland raten zwar die meisten Experten dazu, auch weiterhin nicht so offen mit dem eigenen Gehalt zu sein - weil man entweder Neid oder Mitleid ernten kann. Beides ist nicht schön. Doch unsere Verschwiegenheit führt auch zu Problemen. Etwa bei Gehaltsverhandlungen. Hier wäre es gut einzuschätzen, was Freunde und Kollegen für ihre Arbeit bekommen - und ob man im Verhältnis dazu endlich mal mehr fordern kann oder ohnehin schon ganz gut dasteht.