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Sackgassen im Beruf "Zum Erfolg gehört auch Scheitern"

Jahrelang für die Karriere gerackert - und trotzdem will es einfach nicht laufen. Wer sich beruflich auf dem Holzweg befindet, muss das rechtzeitig erkennen und umsteuern, sagt Hans-Jürgen Stöhr. Er leitet eine "Agentur für gescheites Scheitern".

SPIEGEL ONLINE: Als Karriereberater in Rostock geben Sie Tipps zum gescheiten Scheitern. Ist das ein ernst gemeintes Projekt?

Hans-Jürgen Stöhr: Aber klar! Zweifeln Sie etwa daran?

SPIEGEL ONLINE: Etwas sonderbar klingt das schon. Im Grunde strebt doch jeder danach, erfolgreich zu sein. Wieso wollen Sie Leuten ausgerechnet beim Scheitern helfen?

Stöhr: Ich erkläre das Scheitern ja nicht zum Lebensziel. Ich denke aber, dass es zum Leben gehört, auch scheitern zu können. Alle reden nur von Erfolg, das Scheitern ist in unserer Gesellschaft ein Tabuthema. Und genau das möchte ich ändern. Zum Erfolg gehört es schließlich auch zu erkennen, wenn man sich offenbar auf dem Holzweg befindet.

SPIEGEL ONLINE: Und wer das erkennt, kann gescheit scheitern?

Stöhr: Davon bin ich überzeugt. Ich unterscheide zwischen gutem und schlechtem Scheitern. Schlechtes Scheitern ist, wenn man den offensichtlichen Misserfolg nicht akzeptieren kann. Anstatt nach Alternativen zu suchen, pulvert man weiter Kraft und Geld in eine Sache, um doch noch zum Erfolg zu kommen - obwohl es schon längst aussichtslos ist. Das kann ein Unternehmer mit finanziellen Problemen sein oder ein Student, der durch das Examen gefallen ist. Irgendwann gelangt man in eine Sackgasse, in der es keine Möglichkeit mehr für eine Neuorientierung gibt. Das Scheitern nicht akzeptieren zu können, halte ich für schlecht.

SPIEGEL ONLINE: Gutes Scheitern wäre demnach, noch im rechten Moment die Kurve zu bekommen?

Stöhr: Genau. Beim guten Scheitern nimmt man zum rechten Zeitpunkt wahr, dass man sich von einem Projekt verabschieden muss. Man akzeptiert, dass etwas nicht so hingehauen hat, wie man es ursprünglich gedacht hat, und lernt langsam, sich von der Idee zu verabschieden und loszulassen - auch wenn es das komplette Studium ist oder das eigene Unternehmen, in das man lange Jahre investiert hat. Wenn das gelingt, ist es viel einfacher, sich neu zu orientieren und etwas anderes zu starten.

SPIEGEL ONLINE: Wer lässt sich denn überhaupt beim Scheitern beraten?

Stöhr: Das ist ganz unterschiedlich. Einige haben sich selbständig gemacht und sind in Schwierigkeiten gekommen. Es gibt aber auch Studenten, die ihr Studium nicht zu Ende bringen können oder Arbeitnehmer, denen es in keinem Job gelingt, über die Probezeit hinauszukommen. Wir gucken uns gemeinsam an, welche Gründe das haben kann und versuchen, einen Ausweg zu finden.

SPIEGEL ONLINE: Brauchen Ihre Kunden dafür viel Leidensbereitschaft?

Stöhr: Ganz einfach ist es nicht. In erster Linie muss man nämlich sich selbst fragen: Wie bin ich in diese verzwickte Situation hineingekommen? Die Leute machen oft die äußeren Rahmenbedingungen für ihr Scheitern verantwortlich. Dabei beginnt die Problematik oft ganz woanders - bei einem selbst. Wir versuchen deshalb, zunächst die eigene Sicht auf die Dinge aufzudecken. Oft hat es mit der eigenen Haltung oder mit Einstellungen zu tun.

SPIEGEL ONLINE: Zum Beispiel?

Stöhr: Ich will jetzt nicht einen neuen Trend ausrufen. Aber es ist schon auffällig, wie viele Auszubildende und Studenten ihre Lehre oder ihr Studium abbrechen: mittlerweile jeder Dritte. Bei vielen habe ich das Gefühl, dass sie selbst nicht so genau wissen, was sie eigentlich wollen. Und dann mit so einer Mentalität an die Sache herangehen wie 'Naja, ich gucke jetzt erstmal, wohin es geht. Anders entscheiden kann ich mich ja immer noch.' Das halte ich für den falschen Weg. Man muss bei jeder Entscheidung - egal ob privat oder beruflich - die Balance hinbekommen: dass man einerseits vorausschauend plant und andererseits offen, flexibel und sensibel bleibt für eine Situation, in der man nicht den richtigen Weg einschlägt. Das muss man bei seiner Berufsplanung einfach berücksichtigen und verinnerlichen.

SPIEGEL ONLINE: Trotzdem ist es doch schwierig zu entscheiden, ob es sich noch lohnt, an einer Sache festzuhalten, oder ob man lieber gleich die Brocken hinschmeißt.

Stöhr: Das stimmt, das ist in der Tat sehr schwierig. Meistens sträubt man sich sehr lange dagegen, das eigene Scheitern zu erkennen. Oder man möchte nicht wahrhaben, dass man in der Situation ist. Wenn man aber zu der Erkenntnis kommt, dass man letztlich mehr investiert als man herausbekommt, und das schon über einen sehr langen Zeitraum, dann sollte man doch mal über Alternativen nachdenken...

SPIEGEL ONLINE: ...das Scheitern also offensiv angehen.

Stöhr: Genau. Letztlich ist das Scheitern doch auch die Chance, etwas anders zu machen. Man muss ja nicht krampfhaft versuchen, etwas über Jahre durchzuhalten, wenn es einfach nicht gelingen will. Oft wird man mit einer anderen Alternative viel glücklicher.

Das Interview führte Britta Mersch

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