Schauspielerin Daniela Holtz "Sicher frei ist nur einmal im Jahr"
"Vom klassischen Nine-to-five-Job ist mein Arbeitsalltag weit entfernt: Vormittags probe ich von 10 bis 14 Uhr, abends dann von 18 bis 22 Uhr, es kann aber auch schnell mal deutlich später werden. Mein Tagesablauf ist sehr zweigeteilt und durch die Arbeit bestimmt. Am Nachmittag habe ich zwar Pause, eine vierstündige Pflichtruhezeit, aber wirklich viel unternehmen kann man da nicht. Oft bleibe ich im Theater, weil es sich schlicht nicht lohnt, nach Hause zu fahren. Samstags wird auch geprobt, aber nur am Vormittag. Dazu kommen natürlich die Vorstellungen, oft steht man nicht nur unter der Woche, sondern auch am Wochenende auf der Bühne.
Je nach Größe des Ensembles müssen die einzelnen Schauspieler mehr oder weniger arbeiten. An Häusern mit kleinerem Ensemble kann man schon mal 25 Vorstellungen pro Monat spielen, Feiertage selbstverständlich inklusive. Der einzige Tag, an dem ich während der Spielzeit garantiert frei habe, ist Weihnachten. Das ist für mich einer der großen Nachteile meines Berufs: Die Feiertage rauschen an dir vorbei, weil du ganz normal arbeitest, anstatt mit deiner Familie oder Freunden zusammen zu sein.
Während der Spielzeit kann ich als fest angestellte Schauspielerin auch nicht einfach so verreisen. Auch wenn ich keine Vorstellung habe, muss ich mich beim Theater abmelden. Für den Fall, dass eine andere Vorstellung ausfällt und die eigene dann spontan eingeschoben werden muss - das gibt es öfter. Für die Übernahme einer fremden Rolle in einem anderen Stück kann man sogar von einem genehmigten Urlaub zurückgerufen werden. Dann muss man die Rolle in sehr kurzer Zeit lernen und schnell damit auf der Bühne stehen. Das kommt aber höchstens einmal pro Jahr vor. Alles ohne finanziellen Zuschlag. Wenn das Theater entgegenkommend ist, bekommt man für Vertretungen einen Aufschlag. Vorgesehen ist das aber nicht. Überstunden bekomme ich nicht bezahlt.
Man lebt fast ausschließlich im Theater
Ich finde, es ist höchste Zeit für mehr Anerkennung, für das Gefühl, dass unser Einsatz, unser Engagement gesehen und honoriert wird. Das müsste nicht unbedingt in Form von Geld sein, auch wenn Schauspieler sicher mehr verdienen könnten als derzeit. Ein Freund von mir, auch Schauspieler, hat dazu neulich gesagt: 'Ich höre auf am Theater. Die zahlen einfach nicht genug Schmerzensgeld.' Freizeitausgleich für Überstunden wäre für mich schon ein Anfang. Ich will ja keinen Dienst nach Vorschrift und finde es nach wie vor sehr befriedigend, Kunst machen zu dürfen. Da nehme ich auch gerne mal längere Arbeitszeiten in Kauf, wenn uns in der Probe die Inspiration packt. Der Kick auf der Bühne ist auch eine Art Lohn.
Trotzdem: Als Schauspieler muss man viele Kompromisse eingehen, nicht nur finanziell, sondern auch im Privatleben. Der Partner muss verstehen, was einen treibt, wenn man jeden Abend bis 23 Uhr probt oder Vorstellung hat. Kurz vor einer Premiere, wenn es in die Endproben geht, lebt man fast ausschließlich im Theater. Mein Freund ist Freiberufler und flexibler mit seinen Arbeitszeiten. Zum Glück, sonst würden wir uns in solchen Zeiten wohl kaum mehr sehen.
Noch habe ich keine Kinder. Aber ich habe viele Kolleginnen, die deswegen erstmal deutlich weniger gespielt haben. Einer der Partner muss dann zurückstecken, eine Pause machen oder frei arbeiten. Sonst sieht man sein Kind nicht, und das ganze Geld geht für den Babysitter drauf.
Mein Fazit: Manche Arbeitsbedingungen sind wahrlich verbesserungsfähig. Aber das Schöne an meinem Beruf ist ja auch, dass man eben nicht nach dem Nine-to-five-Muster arbeitet. Dass nie das Gleiche passiert, dass man mit jedem Stück vor eine neue Herausforderung gestellt wird. Deshalb wird es für mich immer so spannend bleiben, wie ich es mir von kaum einem anderen Job vorstellen kann."
Aufgezeichnet von Sarah Schelp
Christina Weiss, 27, Morgen-Moderatorin im Radio
Angelika Beck, 30, Bordfotografin