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Schauspielerin Dayan Kodua "Ich musste mich oft prügeln"

Dayan Kodua war die erste schwarze Miss Schleswig-Holstein, heute ist sie eine erfolgreiche Schauspielerin - und hat trotzdem mit Klischees zu kämpfen. Wie hält man das aus?

Es gibt Menschen, die sind erfolgreich, wenn andere längst hingeworfen hätten. Sie überwinden Hürden, an denen andere scheitern. Was zeichnet diese Menschen aus, die es gegen viele Widerstände geschafft haben? Dieser Frage geht SPIEGEL ONLINE in mehreren Multimediaporträts nach. Um die Antwort vorwegzunehmen: Es ist Ehrgeiz, ja. Aber nicht nur der.

Der Treffpunkt könnte kaum idyllischer sein: Ein Bauernhofcafé in Seevetal bei Hamburg. Ringsum sind Weiden. Pferde grasen. Kinder trinken naturtrüben Apfelsaft. "Ich bin oft hier", erzählt Dayan Kodua, eine große, schlanke, schwarze Frau mit sehr offenem Gesicht. "Ich mag diesen Ort, weil er mich an meine Kindheit erinnert."

Sie ist in einem afrikanischen Dorf in Ghana aufgewachsen, hatte ihr eigenes Maisfeld und ein Gemüsebeet hinter dem Haus. Schon als kleines Mädchen bestellte sie dieses Feld, machte Feuer im Herd, kochte Essen. Morgens lief sie kilometerweit zur Schule, nachmittags zurück.

"Ich habe damals extrem viel gelernt", sagt Dayan Kodua. Zum Beispiel Geduld, als sie ihre Pflanzen hegte. Selbstbewusstsein, denn die Erwachsenen erwarteten viel von Kindern, trauten ihnen aber auch viel zu. Menschenkenntnis, weil ihre Großmutter ihr den Rat gab: "Sieh den Menschen in die Augen."

Dayan Kodua glaubt, dass die Zeit in Ghana sie besonders geprägt hat. Umso mehr ärgert sie sich über das Bild, das viele Europäer von Afrikanern haben: arm, bildungsfern, benachteiligt. "Das ist einfach falsch. Was ich aus Ghana mitgenommen habe, sind wahre Schätze, die ich in mir trage."

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Dayan Kodua: Schwarz, erfolgreich, deutsch

Foto: Maria Feck

Dayan Kodua verzweifelt nicht, egal wie schwer sich das Leben gerade anfühlt. Als sie acht Jahre alt war, zogen ihre Mutter und ihre Schwester zum Vater nach Deutschland, sie selbst blieb bei einer Freundin. "Das war schlimm. Ich habe nächtelang geweint. Aber irgendwann hatte ich damit abgeschlossen", sagt sie.

Erst zwei Jahre später, 1991, wurde sie in ein Flugzeug zu ihrer Familie gesetzt: ohne eine Ahnung von Europa zu haben, ohne ein Wort Deutsch zu können - und ohne die Erfahrung, als Mensch mit dunkler Hautfarbe aufzufallen und diskriminiert zu werden.

"Meine Schwester hat mich gleich gewarnt. Andere Kinder würden mich als 'Neger' beschimpfen. Ich solle dann draufhauen und 'Arschloch' sagen." Dayan Kodua grinst, dann wird sie ernst. "Ich musste mich dann leider tatsächlich oft prügeln."

Rassismus tut ihr bis heute weh, aber sie kann jetzt damit umgehen. Zum Beispiel, wenn man ihr wegen ihrer Hautfarbe wenig Intelligenz oder Bildung zutraut. "Einige Leute sagen völlig überrascht: 'Sie sprechen ja so gut Deutsch?!' Dann antworte ich: 'Sie aber auch!'"

Dayan Kodua nimmt Rassismus nicht mehr persönlich. Sie beobachtet, wie und wo er sich zeigt: "Kleinbürger zum Beispiel akzeptieren mich nicht als Deutsche, sondern fragen: 'Wann gehst du denn zurück?' In der 'Oberschicht' fallen eher solche Sätze: 'Unsere Putzfrau sieht auch so aus wie Sie. Geht es Ihnen gut bei uns in Deutschland?'"

Dayan Kodua erkennt die Bilder in den Köpfen: von armen Schwarzen, denen man helfen muss und die man vorrangig als Dienstboten einordnet. "Ich wurde bei Filmpremieren schon mit der Bedienung verwechselt und sollte Getränke bringen oder den Mantel weghängen."

Sie liebe es, Geschichten zu erzählen, sagt sie, und man spürt, wie sie Menschen dabei zum Zuhören bewegen und in ihren Bann ziehen kann. Dass sie als Schauspielerin einmal so erfolgreich sein könnte, war nach ihrer Ankunft in Deutschland, in Kiel-Gaarden, nicht klar. Dayan Kodua fiel es schwer, sich zu Hause zu fühlen, die Beleidigungen auszuhalten. Ihr Selbstbewusstsein schrumpfte. "Ich lief oft mit gekrümmten Schultern", sagt sie. Außerdem hatte sie Mühe mit der Sprache. Bis Rüdiger kam, ein Freund ihres Vaters, der ihr sagte: "Wenn du nicht Deutsch lernst, wirst du Putzfrau."

Dayan Kodua:
My Black Skin

Schwarz. Erfolgreich. Deutsch.

seltmann+söhne; 60 Seiten; 35 Euro.

So ging Dayan Kodua zu dem Sprachkurs, bei dem Rüdiger sie angemeldet hatte. Und danach fragte noch der Chef ihrer Mutter, ob sie nicht modeln wolle. "Damit hat sich viel verändert. Ich lief wieder aufrecht", erzählt sie.

Damals war sie 14, probierte gerne Neues aus - und startete von da an richtig durch: Cheerleading, Basketball, Modelschule, Laufsteg-Events, Gesangsauftritte mit Stars wie Lou Bega oder Right Said Fred. Hauptschulabschluss, Realschule, Fachgymnasium. Zur Schule fuhr Dayan Kodua mit dem eigenen Auto - gekauft vom selbst verdienten Geld.

Nach dem Abitur folgte eine Schauspielausbildung in Berlin, danach in Los Angeles, Film- und Fernsehrollen in den USA und Deutschland. Eine Blitzkarriere. Seit einigen Jahren hat Dayan Kodua außerdem einen Mann, ihre Söhne sind zwei und sechs Jahre alt.

"Was ich erreicht habe, ist für mich nicht selbstverständlich", sagt sie. "Ich bin dankbar und freue mich über Kleinigkeiten, zum Beispiel, dass ich gerade so schön in der Sonne sitze. Ich hatte oft Glück. Es gab immer wieder Menschen, die mir geholfen haben. Aber ich gehe selbst auch offen auf Menschen zu."

Und sie will anderen Mut machen, vor allem anderen "nicht deutsch aussehenden Deutschen". Ihre Botschaft: Schiebt nicht jede Schwierigkeit auf eure Hautfarbe. Seht, was man schaffen kann! Bis heute erinnert sie sich gern daran, dass sie 2001 die erste schwarze Miss Schleswig-Holstein wurde. "Ich hatte mir eine Schönheitskönigin bis dahin selbst immer nur als blonde Prinzessin vorgestellt", sagt sie.

Vorbilder hätten ihr damals geholfen, Grenzen zu überwinden, glaubt Dayan Kodua. Auch deshalb hat sie ein Buch initiiert: "My Black Skin. Schwarz. Erfolgreich. Deutsch". Ein Bildband, in dem dunkelhäutige Menschen erzählen, wie sie es nach oben geschafft haben.

Dayan Kodua selbst sieht sich auch noch nicht am Ziel ihrer Träume. "Dieser ganz große Durchbruch, dieser 'life changing moment', der fehlt noch", findet die Schauspielerin. Oft bekomme sie als nicht deutsch aussehende Deutsche klischeebesetzte Rollen angeboten. Im neuen Franken-Tatort, der von fremdenfeindlichen Übergriffen erzählt, spielt sie eine afrikanische Journalistin.

Manchmal denkt Dayan Kodua, dass sie in einem anderen Beruf vielleicht weniger unter Druck stünde, entspannter wäre - aber eben nicht glücklicher. Das treibt sie immer weiter an.

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