Serie "Bizarre Berufe" Key Accounter mit dem Schlüssel zum Kunden
Ein kurzer Blick, ein Zögern, endlich der befreiende Handschlag - ein Lächeln entspannt die Situation und lässt die Last stundenlanger Verhandlungen von Michael Reuberts Schultern fallen. Der 36-jährige ist Key Account Manager bei der Traditionsbrauerei Beck & Co. Nach vielen Gesprächen sind sich er und sein Gegenüber handelseinig, beide haben das Beste für sich und ihre Unternehmen herausgeholt.
Die Zufriedenheit seiner Kunden ist für Reubert das tägliche Ziel, damit eine langfristige Geschäftsbeziehung auch in dynamischen Zeiten hält. Große Fehler wären verheerend, denn als Key Account Manager betreut Reubert umsatzstarke "Schlüsselkunden" (Key Accounts) wie Rewe, Edeka und Tengelmann. "Die großen Konzerne machen einen vergleichsweise geringen Anteil an den gesamt von uns betreuten Kunden aus, erwirtschaften aber den Großteil unseres Umsatzes", erklärt Reubert den Hintergrund seines Jobs.
Der Schnittstellen-Manager als Allround-Talent
Spätestens Ende der fünfziger Jahre nämlich kam es mit der Entstehung erster Supermärkte für Food- und Non-Food-Produzenten zu einem neuen Kundenbild: Statt vieler kleiner Abnehmer spielten die wachsenden Riesen eine entscheidende Rolle - und die Fusionen der letzten Jahre verschärfen die Abhängigkeiten zusätzlich.
Gute Beziehungen sind deshalb keine Höflichkeit, sondern ein wirtschaftliches Muss. Das Problem liegt auf der Hand: Ist nicht nur das eigene Unternehmen groß, sondern auch die Organisationsstruktur des Kunden komplex, treten leicht atmosphärische Störungen und Reibungsverlusten - wenn nicht das Allround-Talent "Schnittstellenmanager" zwischengeschaltet wird.
Umsatzeinbrüche können sich auch große Unternehmen nicht mehr leisten. Kellogg's Deutschland musste dies Anfang des Jahres schmerzhaft erfahren, als nach zähen Preisverhandlungen der Großkunde Aldi absprang. Solche Turbulenzen bei Beck & Co. zu vermeiden, ist Reuberts tägliche Aufgabe: Er entwickelt "für unsere Schlüsselkunden nationale und internationale Vertriebskonzepte."
Daneben analysiert der Key Account Manager die Märkte und Absatzkanäle, führt Preis- und Konditionsgespräche und sorgt dafür, dass die Werbebotschaften der Markenprodukte auch im Handel umgesetzt werden und beim Kunden ankommen. "Service, Kontaktpflege und -aufbau gegenüber unseren Kunden sind mein Metier", sagt Reubert, der früher für Mars und Eckes Schneekoppe gearbeitet hat.
"Im Key Accounter schlagen zwei Herzen", erläutert Günther Fiesser von der Personalberatung Fiesser & Partner die besonderen Anforderungen an den Interessensjongleur. "Er muss Verkäufer und Mittler sein, ist im Außendienst und am Schreibtisch gleichermaßen Zuhause."
Eindeutig kein Job für Stubenhocker
Der Job ist nichts für Stubenhocker: Drei bis vier Tage pro Woche sind die geschäftigen Berater unterwegs - immer auf Tuchfühlung mit den umsatzträchtigen Kunden. Dabei dürfen sie sich die alltäglichen Anspannungen nicht anmerken lassen. "Ein Lächeln verkauft schließlich", sagt Karsten Brand von der Kienbaum Executive Consultants GmbH.
Doch die Key Account-Experten sind sich einig: Trotz der und allseits geforderten Soft Skills geht nichts ohne harte Basisqualifikationen. "Eine kaufmännische Ausbildung, vielleicht in der später angestrebten Branche, ist ein Muss", beschreibt Brand den Mindeststandard, "Promotionen sind eher selten anzutreffen." Und Reubert empfiehlt Wirtschaftsstudenten, frühzeitig passende Schwerpunkte zu belegen: "Marketing, Handelsbetriebslehre und Controlling sind von Vorteil."
Ob nun studiert oder nicht, Key Accounter müssen sich in ihrem Gebiet, im Markt ihres Sortiments auskennen wie kein Zweiter. Damit ist der Job nichts für Berufsanfänger: "Anwärter sollten Erfahrungen im Vertrieb sammeln, Märkte kennen lernen - im Innen- wie im Außendienst", beschreibt Michael Reubert die Hürden zum Kundenmanager de luxe.
Ein Teil des Gehalts ist die Provision
Die Lehrjahre zahlen sich aus, denn als Key Accounter sind nicht nur die Verdienstaussichten glänzend, auch die beruflichen Perspektiven müssen sich nicht verstecken: "Der Key Account Manager hat den Marschallstab im Tornister", meint Günther Fiesser und sieht erfolgreiche Mitarbeiter perspektivisch als Vertriebsdirektoren, Vorstandsmitglieder oder Geschäftsführer.
Aber auch die Kunden wissen eine gute Betreuung zu schätzen und locken vielfach mit lukrativen Stellen im eigenen Unternehmen. Kein Wunder, dass nicht-studierte Key Accounter mit 70.000 Mark Einstiegsgehalt beginnen und erst bei etwa 250.000 Mark plus Firmenwagen langsam das Ende der Fahnenstange erreicht ist. 10 bis 30 Prozent des Gehalts werden oft als Provision ausgezahlt. Die erfolgsorientierten Mittler stört das nicht, sondern spornt sie eher zu höheren Leistungen an.