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Studentische Gründerszene: Geld mit Liebe

Studenten im Gründerfieber Schön doofe Ideen

Sie bedrucken Torten, lassen weiße Tauben fliegen, vermieten Cocktailkleider oder toasten Würste: Studenten gründen die verrücktesten Start-ups. Inzwischen hat sich eine Gründerszene an Deutschlands Hochschulen etabliert - allerdings gibt es große Unterschiede von Uni zu Uni.
Von Laura Gitschier

Durch die pink-weiß gestrichenen Flure zieht der zarte Hauch frisch gebackenen Kuchens. Auf dem Boden stapeln sich rosa verzierte Pappboxen, die nach Nürnberg, Dresden und Berlin verschickt werden. Im Zimmer nebenan beugt sich eine Frau konzentriert über ein viereckiges Gebäckstück.

So duftet es immer in den Geschäftsräumen des Internetshops "deineTorte.de" , sie liegen in einem Industriepark im Osten von Köln. Das Unternehmen haben Alexander Weinzetl, heute 28, und ein Kumpel während ihres BWL-Studiums in Köln entwickelt und gegründet. Kunden können auf der Website nach dem Bausteinprinzip individuelle Torten zusammenstellen. Ob Nusskuchen mit Familienbild, Brownie mit Donald-Duck-Motiv oder eine Akt-Torte für den Liebsten: Die beiden Gründer erfüllen die phantasievollsten Kundenwünsche - das kann schon mal ein paar hundert Euro kosten.

Eine Konditorin und ihre Helfer verzieren dafür täglich frisch gelieferte Tortenrohlinge von Kölner Konditoren. Zuerst rollen sie Marzipanplatten ganz dünn aus. Als wäre es Papier, legen sie nun diese zarte Schicht in einen Spezialdrucker, der mit Lebensmittelfarbe das gewünschte Motiv gestochen scharf direkt aufs Marzipan überträgt - beispielsweise ein Foto oder ein Firmenlogo, das der Kunde zuvor im Internet hochgeladen hat. Wenn's richtig brummt, produziert das Team von "deineTorte.de"  in wenigen Tagen Hunderte solcher individuellen Backwerke. In der Anfangszeit vor zweieinhalb Jahren waren es gerade mal zehn Stück pro Tag.

Hinter jeder Kurve wartet ein Hindernis

Torten bedrucken - auf die Idee muss man erst einmal kommen. Zwar gelten Deutschland und die hiesigen Unis, etwa im Vergleich zu den USA, noch lange nicht als Gründerparadies. Aber es tut sich eine Menge auch an deutschen Hochschulen; an Kreativität jedenfalls fehlt es den studentischen Start-up-Erfindern nicht.

Wie viele Jungakademiker es sind, die so wie die Kölner Tortenjungs ihr eigenes Unternehmen gründen, wird nirgends explizit erfasst. Laut KfW Bankengruppe haben sich in Deutschland im Jahr 2010 knapp eine Million Menschen selbständig gemacht. Davon war ein knappes Fünftel nicht älter als 24, ein gutes Viertel zwischen 25 und 34 Jahre alt.

Der Aufbau einer Firma ist ein langer Weg, ein steiler Weg, hinter jeder Kurve wartet ein neues Hindernis. Wie schwer es ist, Fuß zu fassen, merkten Alexander Weinzetl und sein Mitgründer ziemlich schnell. Denn ursprünglich wollten die beiden Freunde nur den Tortendrucker an sich vertreiben, ein nettes sauberes Geschäft, nix mit Schoko und klebrigem Marzipan. Nur: Die Geschäftsidee zündete nicht. Sie sattelten um auf den Tortenversand. "Das Projekt abzubrechen", erzählt Weinzetl, "trotz all der Arbeit und all des Geldes, das wir investiert hatten, und uns komplett umzuorientieren, das war die größte Herausforderung."

Der erzwungene Neustart hat sich für die beiden Gründer aber gelohnt. Schon nach gut einem Jahr konnten sie sich ihr erstes eigenes Gehalt auszahlen. Mittlerweile beschäftigen sie zwei feste Mitarbeiter und vier Teilzeitkräfte. Seit einem halben Jahr bieten die Kölner Internetkonditoren ihre Dienste sogar in Frankreich an, auf "votreGateau.fr". Fabriqués en Allemagne - produziert wird weiterhin in der Domstadt.

Das Umfeld hat oft kein Verständnis

An Expansion denkt Student Steven Pakasathanan aus Flensburg noch lange nicht. Er ist Entwickler einer Homepage, auf der jeder alltägliche Dinge ohne Gebühren mieten und vermieten kann. Unter den etwa hundert Gegenständen, die mittlerweile zur Verfügung stehen, finden sich ein Angelset für 20 Euro pro Tag, ein Cocktailkleid für 8 Euro und - das freut den 23-jährigen Gründer besonders - auch ein Akkuschrauber.

Mit einem Akkuschrauber fing nämlich alles an: Genau der fehlte dem Studenten der Regenerativen Energietechnik vergangenen Sommer, als er einen Schrank aufbauen wollte. Anstatt sich lange zu ärgern, geriet er ins Grübeln - knapp drei Monate später ging seine Seite "Lend and Rent"  online, Vision inklusive: "Mein Ziel ist es", sagt Steven entschlossen, "dass Menschen Dinge bald nur noch kaufen, um sie später zu vermieten."

Damit das klappt, arbeitet der Student heute in jeder freien Stunde an seiner kleinen Firma. Er ist überzeugt, dass sich die Schufterei irgendwann auszahlen wird. Dies eint all die Jungunternehmer: der feste Glaube an ihre Idee.

Den brauchen sie auch, zumal, wenn sie noch studieren. Es ist nicht einfach, morgens zu lernen und nachmittags ein Unternehmen zu führen. Dazu kommt: Oft hat das Umfeld kein Verständnis für die doch so grandiose Idee! Jedes Prozent Wachstum kostet Nerven. Und stets lauert die Pleite.

Wichtigste Frage vor der Gründung: Wer braucht das eigentlich?

Wer so clever ist wie Markus Weigl, 26, der gerade erst die Handelshochschule in Leipzig absolviert hat, macht einfach sein Hobby zum Beruf. Er verdient sein Geld mit der Liebe oder, na ja, eher mit Liebeskitsch: Seine Hochzeitstauben GmbH  lässt das weißgefiederte Friedenssymbol-Geflügel bei Hochzeitsfeiern in den Himmel steigen. Der Sachse hatte sich bereits als kleiner Junge leidenschaftlich der Taubenzucht verschrieben. Während des Studiums gründete er dann sein Start-up, heute arbeitet Markus Weigl hauptberuflich in der Firma. Seine Vögel flattern, beispielsweise zum Programmpunkt "Märchenhafte Pfautaubenzeremonie", unter anderem in Dresden, Chemnitz und Berlin durch die Lüfte.

Zunehmend unterstützen die Universitäten das Gründerfieber ihrer Studenten, das hat eine Studie von Wirtschaftsgeografen der LMU München festgestellt: Deutschland verfüge mittlerweile über eine etablierte Start-up-Kultur an den Hochschulen. Trotzdem gibt es noch große Unterschiede von Uni zu Uni. Am besten schneidet im Ranking die Technische Universität München ab. Es folgen die TU Berlin und die Bergische Universität Wuppertal, die sogar eigene Gründungslehrstühle eingerichtet haben.

An vielen Universitäten helfen Gründerbüros den Studenten bei den ersten Schritten. Etwa an der Uni Köln: Hier überprüfen zwei Mitarbeiter kostenlos die Geschäftsidee und klären Fragen wie: Welche Rechtsform sollte die Firma haben? Wie sieht ein ordentlicher Businessplan aus? Die Zahl der Interessierten steige, berichtet Mitarbeiter Marc Kley.

Es reicht nicht, nur besser, schneller, billiger zu sein

Die Güte der Ideen allerdings schwankt wohl sehr. Ungefähr zwei ernsthafte Gespräche in der Woche führt das Kölner Team. "Die Hälfte der Interessierten sieht man nur einmal und dann nie wieder, nachdem wir im Erstgespräch die Idee bewusst kritisch hinterfragt haben", erzählt Kley. Dafür seien die anderen 50 Prozent dann aber erst recht angefixt und kommen, gut vorbereitet, zu den weiteren Beratungen.

Manche scheitern schon am "Pitch", also daran, ihre Geschäftsidee klar und interessant darzustellen und das Gegenüber zu überzeugen. Es geht dabei im Grunde um die vermeintlich schlichte Frage: Wer braucht das eigentlich? Einfach nur besser, schneller oder billiger zu sein, erklärt Kley, reiche nicht aus - denn das behauptet jeder Gründer. Wichtiger sei es, konkrete Zahlen nennen zu können: dass sich beispielsweise 20 Prozent der sonst üblichen Kosten durch den Einsatz einer neuen Technologie sparen ließen.

Viele Junggründer planen zu ungenau oder unterschätzen den Arbeitsaufwand, den eine Gründung mit sich bringt. Der eine setzt die Anfangspreise zu gering an, der andere vergisst, den eigenen Lohn mitzukalkulieren. Dabei zeigen sich BWL-Studenten kaum besser vorbereitet als Ingenieure oder Naturwissenschaftler.

Zwei Studenten glauben an die Wurst-Toast-Kultur

Wirtschaftsstudent Marco Bruns, 29, und Ingenieur Felix Rennies, 26, haben sich ihren Talenten entsprechend die Arbeit geteilt. Der eine ist zuständig für die technische Raffinesse, der andere für wirtschaftliche Strategien und Marktanalysen. Das Bremer Duo entwickelte noch während der Studentenzeit einen Wursttoaster . In ihre Edelstahlmaschine steckt man senkrecht zwei Bratwürste in die runden Öffnungen, wartet drei Minuten, und, voilà, gleichmäßig gebräunt poppen die Würstchen wieder hoch.

Die Idee entstand auf einer Reise durch Großbritannien. Die Studenten fanden, dass die Engländer einfach keine gute Wurst zubereiten können. Das müsse man automatisieren, witzelten die beiden. Ihre Idee sei, so sagt es Felix, einfach nur "schön doof" gewesen. "Uns war aber schnell klar: Nur weil es witzig ist, kauft das Ding niemand." Also machten sie sich an die Arbeit. Zwei Jahre brauchte es, da waren die beiden bei der fünften Version des Geräts angelangt und zogen los, einen 100-seitigen Businessplan in der Tasche.

Seit der Markteinführung vor fünf Monaten haben sie schon mehr als hundert Snack-Toaster verkauft, an Tankstellen, Spielotheken und Kneipen - und das für einen Preis von 600 Euro. Sogar nach Singapur, Holland und Israel gingen Geräte. Heute können Marco und Felix von ihrer Smartwurst GmbH leben und sich selbst ein kleines Gehalt auszahlen. Beide hatten in der Zwischenzeit gute Jobangebote. Sie lehnten ab, um die internationale Wurst-Toast-Kultur weiter voranzubringen.

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