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Internationale Absolventen: Denn sie wissen nicht, wie sie bleiben sollen

Foto: Peter_Fˆrster/ picture-alliance / dpa/dpaweb

Studie Deutschland vergrault Fachkräfte

Deutschland scheitert daran, internationale Absolventen als Fachkräfte im Land zu halten, belegt eine neue Studie. Die Autoren kritisieren: Mindestens drei von vier ausländischen Hochqualifizierten wollen nach dem Studium gerne bleiben, wissen aber oft nicht wie.
Von Heike Sonnberger

Mindestens drei von vier Doktoranden und Master-Studenten aus Nicht-EU-Staaten, die in Deutschland studieren, würden nach ihrem Abschluss gern hier leben und arbeiten. Umsetzen kann diesen Wunsch jedoch nur etwa ein Viertel. Das zeigt eine Studie des Sachverständigenrates deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR), die am Donnerstag vorgestellt wurde.

Für die Studie "Mobile Talente?"  füllten mehr als 6200 internationale Studenten an Universitäten in Deutschland, Frankreich, den Niederlanden, Großbritannien und Schweden online einen Fragebogen aus. Dabei kam heraus: Auch in den anderen Ländern möchten die meisten jungen Akademiker aus nichteuropäischen Staaten vorerst in ihrem Studienland bleiben - doch vergleichsweise wenige tun es tatsächlich, wie Zahlen der OECD deutlich machen. Demnach liegt die Verbleiberate im OECD-Durchschnitt bei rund 25 Prozent. In Deutschland liegt der Wert etwas höher, in Frankreich sogar über der 30-Prozent-Marke.

"Die Untersuchung zeigt deutlich, dass keines der fünf Länder die Potentiale der internationalen Studierenden ausschöpft", sagte die Direktorin des SVR-Forschungsbereichs, Gunilla Fincke, über die aktuelle Studie. Dabei gehe es um hoch qualifizierte potentielle Zuwanderer: jung, gut ausgebildet und mit Land und Leuten bereits vertraut. Ein großes Problem sei, dass Studenten nicht gut über die rechtlichen Regelungen für den Übergang auf den Arbeitsmarkt informiert seien.

Für die Studie wurden nur Master-Studenten und Doktoranden befragt. Die wichtigsten Ergebnisse:

  • In Deutschland ist die Zahl der Bleibewilligen am höchsten: Fast 80 Prozent der angehenden Master-Absolventen und 67 Prozent der Doktoranden möchten vorerst nicht in ihre Heimatländer zurück. Am anderen Ende der Skala findet sich Großbritannien mit gut 50 Prozent.
  • Studenten der Ingenieur- und Naturwissenschaften wollen häufiger bleiben als Sozial- und Geisteswissenschaftler. "In Berufen, in denen mehr kulturspezifisches Wissen und Sprachkenntnisse erforderlich sind, ist ein Verbleib in einem anderen Land also schwerer vorstellbar als in technischen Berufen."
  • In den Niederlanden haben die Befragten am stärksten das Gefühl, auch nach dem Studium gerngesehene Zuwanderer zu sein. Fast jeder zweite internationale Student gab dort an, sich willkommen zu fühlen, nach dem Abschluss zu bleiben und Arbeit zu suchen. Die wenigsten stimmten dieser Aussage in Frankreich zu, in Deutschland war es gut jeder Dritte.
  • Beim Thema Diskriminierung schnitten Deutschland und Frankreich am schlechtesten ab: Knapp 40 Prozent sagten, sie seien mit Vorurteilen und Diskriminierung aufgrund ihrer Herkunft konfrontiert worden.
  • Nur wenige Befragte - zwischen 5,3 Prozent in Großbritannien und 12,5 Prozent in Deutschland - können sich vorstellen, länger als fünf Jahre in ihrem Studienland zu bleiben. Viele gaben an, ein bis zwei Jahren bleiben zu wollen. "Die verbreitete Annahme, dass internationale Studierende von vornherein ein Sprungbrett zur dauerhaften Einwanderung in ein hoch entwickeltes Land suchen, erweist sich damit als falsch."
  • Ihren Wunsch, in der EU zu bleiben, begründeten die Studenten am häufigsten mit internationaler Berufserfahrung und den guten Job-Aussichten, Familie oder Freunde spielten seltener eine Rolle. "In meinem Heimatland gibt es viele deutsche Unternehmen", zitiert die Studie einen 32-jährigen angehenden Ingenieur aus Thailand. "Wenn ich schon vor der Rückkehr hier in einer deutschen Firma Erfahrungen sammeln könnte, wäre das für mich eine großartige Chance."
  • Studenten aus Nord- und Südamerika und aus Afrika möchten eher zurück als Studenten aus asiatischen Ländern, vor allem aus China und Indien, sowie aus Osteuropa. Am wenigsten sind Studenten aus den USA, Kanada, Australien oder Neuseeland an einem Verbleib interessiert.
  • Es bleiben eher diejenigen, die besser über die rechtlichen Regelungen informiert sind. Weniger als jeder Fünfte gibt an, sich gut mit seinen Möglichkeiten für den Übergang in den Arbeitsmarkt auszukennen. Schlusslicht ist Deutschland: Hier fühlt sich fast die Hälfte der Befragten schlecht oder gar nicht informiert.

In Frankreich und Deutschland seien die Hürden für eine Zulassung zum Studium zwar niedriger als in den anderen drei Ländern. Die Möglichkeiten, nach dem Abschluss zu bleiben, sind dagegen vergleichweise restriktiv (siehe Kasten am Textende).

Die Bundesregierung wurde von den Autoren der Studie jedoch dafür gelobt, dass sie es ausländischen Studenten weiter erleichtern will, im deutschen Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. "In Deutschland sind damit die Weichen für eine überfällige Liberalisierung der Regelungen für internationale Hochschulabsolventen gestellt", sagte Fincke vom SVR-Forschungsbereich. Nun müsse der Gesetzentwurf für die Umsetzung der EU-Hochqualifiziertenrichtlinie schnell verabschiedet werden.

Der deutsche Arbeitsmarkt für nichteuropäische Studenten

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