Urteil des Verfassungsgerichts Deutschlands Professoren müssen mehr verdienen

Zweiter Senat des Verfassungsgerichts: Professorenbesoldung nicht "amtsangemessen"
Foto: dapdKarlsruhe - Die Besoldung von Professoren in Hessen ist zu niedrig angesetzt und damit verfassungswidrig. Das hat das Bundesverfassungsgericht in einem am Dienstag in Karlsruhe verkündeten Urteil entschieden. Demnach haben Hochschullehrer Anspruch auf ein höheres Grundgehalt und ein einklagbares Recht auf Zahlung von Leistungszulagen. Die 2005 eingeführte sogenannte W-Besoldung verstößt gegen das Prinzip der angemessenen Bezahlung von Beamten, entschieden die Richter.
Gegen das geltende System der W-Besoldung (W steht dabei für Wissenschaft) hatte ein Marburger Chemieprofessor geklagt. Er war 2005 mit einem Grundgehalt von zunächst 3890 Euro eingestellt worden. Dazu kamen sogenannte Leistungsbezüge in Höhe von knapp 24 Euro. Dies hielt er angesichts seiner Aufgaben für nicht angemessen.
Das derzeitige Besoldungssystem sieht drei Gehaltsstufen für Professoren vor und löste damals die sogenannte C-Besoldung ab. Entscheidender Unterschied: Das Grundgehalt sank ab, mit zunehmendem Dienstalter bekommen die Wissenschaftsbeamten nun nicht automatisch mehr Geld pro Monat. Stattdessen gibt es eine nach oben offene Leistungskomponente, mit der Bund und Länder den Wettbewerb unter Wissenschaftlern ankurbeln und Spitzenleistungen belohnen können. Diese leistungsabhängigen Bezüge vergeben Hochschulen bislang nach eigenen Kriterien.
Berlin zahlt bislang am schlechtesten
"Die deutliche Mehrheit des Senats hielt die Grundgehaltsätze der W-Besoldung für zu niedrig", begründete Andreas Voßkuhle, Vorsitzender des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts, das Urteil. Grundlage sei das Alimentationsprinzip aus Artikel 33, Absatz 5 des Grundgesetzes, das eine angemessene Besoldung von Beamten gebietet.
Die in Hessen gezahlte Besoldung sei "evident unzureichend", entschieden die Richter des Zweiten Senats mit einer Mehrheit von 6:1 Stimmen. Das Gehalt eines Professors in der Besoldungsgruppe W2 entspreche etwa der Besoldung eines 40-jährigen Oberstudienrats. Das Grundgehalt reiche nicht aus, "um dem Professor nach seinem Dienstrang, nach der mit seinem Amt verbundenen Verantwortung und nach der Bedeutung des Berufsbeamtentums für die Allgemeinheit einen angemessenen Lebensunterhalt zu ermöglichen", heißt es zur Begründung des Urteils.
Mögliche Leistungszulagen halten die Richter zwar weiter für zulässig. Bei der Frage nach einer angemessenen Alimentation seien Zulagen aber nur zu berücksichtigen, wenn die Kriterien hinreichend bestimmt sind und Professoren "unter klar definierten, vorhersehbaren und erfüllbaren Voraussetzungen einen einklagbaren Rechtsanspruch auf die Gewährung von Leistungsbezügen" hätten. In Hessen sei das nicht der Fall, so die Richter. Die Landesgesetzgeber sollen deshalb bis Anfang 2013 eine amtsangemessene Professoren-Vergütung ausarbeiten.
Hessens Wissenschaftsministerin Eva Kühne-Hörmann (CDU) sagte nach der Urteilsverkündung, ihr Bundesland werde auch weiter an einer leistungsbezogenen Besoldung für Professoren festhalten. Leistungsanreize bildeten die "feste zweite Säule der Besoldung, auch wenn sie zurzeit nicht als klare gesetzlich verbriefte Ansprüche ausgestaltet sind". Kühne-Hörmann wies außerdem darauf hin, dass laut Hessischem Hochschulgesetz Professoren auch als Angestellte beschäftigt werden könnten. Das eröffne "mehr Freiraum für finanzielle Leistungsanreize".
Das Urteil betrifft neben Hessen auch weitere Bundesländer. Am wenigsten bekommt ein Professor derzeit in Berlin. Dort steigt ein Juniorprofessor (W1) mit 3525 Euro pro Monat ein. Am besten verdienen W1-Professoren in Bayern (knapp 3890 Euro) und Baden-Württemberg (3924 Euro). Das höchstmögliche Grundgehalt erhalten W3-Professoren im Südwesten mit rund 5500 Euro. Unterstützt hatte die Klage des Chemieprofessors der Deutsche Hochschulverband (DHV). Er vertritt die Professoren und den wissenschaftlichen Nachwuchs und ist mit mehr als 27.000 Mitgliedern die mächtigste deutsche Professorenlobby.
Der Präsident des DHV, Bernhard Kempen, sieht im Bundesverfassungsgerichturteil einen großen Erfolg für eine leistungsgerechte und konkurrenzfähige Vergütung von Professoren. Der DHV sehe sich darin bestätigt, dass die 2002 von der damaligen Bundesministerin Edelgard Bulmahn (SPD) auf den Weg gebrachte Besoldungsreform nicht verfassungsgemäß ist. Das Urteil sei vor allem eine gute Nachricht für den wissenschaftlichen Nachwuchs und erstrecke sich nicht nur auf Hessen.
Besoldungstabelle W-Besoldung mit Stand: Januar 2012*
Besoldung | W 1 | W 2 | W 3 |
---|---|---|---|
Bund | 3926,84 | 4478,10 | 5425,82 |
Baden-Württemberg | 3924,26 | 4578,74 | 5528,94 |
Bayern | 3889,20 | 4500,60 | 5366,75 |
Berlin | 3525,55 | 4027,35 | 4890,35 |
Brandenburg | 3764,92 | 4295,30 | 5207,46 |
Bremen | 3728,47 | 4256,15 | 5163,64 |
Hamburg | 3869,08 | 4401,56 | 5317,32 |
Hessen | 3710,92 | 4239,10 | 5147,49 |
Mecklenburg-Vorpommern | 3816,31 | 4354,02 | 5278,75 |
Niedersachsen | 3819,99 | 4358,20 | 5283,84 |
Nordrhein-Westfalen | 3816,31 | 4354,02 | 5278,75 |
Rheinland-Pfalz | 3871,36 | 4416,29 | 5300,47 |
Saarland | 3761,68 | 4281,57 | 5175,65 |
Sachsen | 3837,86 | 4375,58 | 5300,31 |
Sachsen-Anhalt | 3837,86 | 4375,58 | 5300,31 |
Schleswig-Holstein | 3830,36 | 4367,02 | 5289,94 |
Thüringen | 3805,25 | 4323,89 | 5228,00 |
Quelle: Deutscher Hochschulverband