
HU Berlin: Berufung nach Geschlecht
Bewerber-Bluff der HU Berlin Mathematiker gesucht, aber nur weibliche
Matthias Aschenbrenner und seine Frau Kirsten hatten schon lange von einer gemeinsamen Karriere in der deutschen Heimat geträumt. Im Frühjahr 2013 dann schien sich der Wunsch der beiden Professoren, die derzeit mit drei Kindern in Los Angeles leben, zu erfüllen: Er, der Topmathematiker der University of California, machte sich begründete Hoffnung auf eine Anstellung an der Berliner Humboldt-Universität (HU). Und auch seine Frau bekam eine Stelle in der deutschen Hauptstadt in Aussicht gestellt. Die Aschenbrenners schmiedeten Rückkehrerpläne.
Matthias Aschenbrenner war zum Probevortrag nach Deutschland gereist. Er hatte zuvor auf Stellen in Freiburg und Münster verzichtet, weil seine Frau dort keine Perspektive bekam. In Berlin nun schienen die Chancen gut: Sie, die Volkswirtin, erhielt einen Ruf auf eine Fachhochschulprofessur für Wirtschaft. Und die HU schrieb in der Stellenausschreibung für eine Professur in Reiner Mathematik ausdrücklich: "Bewerbungen aus dem Ausland sind erwünscht." Also flog Aschenbrenner, redete - und landete auf dem ersten Platz der Berufungsliste für die Berliner Professur, wie mehrere Mitglieder der Auswahlkommission bestätigen.
Dann aber kam es für die Aschenbrenners doch noch anders.
Die HU teilte dem Mathematiker mit, das Berufungsverfahren sei ergebnislos beendet worden. Die Stelle solle in den ersten drei Jahren "aus einem Programm zur besonderen Förderung des weiblichen Nachwuchses" finanziert werden, hieß es in dem Brief aus dem Präsidialbüro. Für jeden sei außerdem "absehbar und auch rechtzeitig erkennbar" gewesen, dass nur eine Frau berufen werden könne.
"An so einem Verfahren hätte ich mich nicht beteiligt"
Absehbar und erkennbar? Im Ausschreibungstext steht lediglich, die Stelle solle aus einem Topf "mit dem Ziel der Förderung der Chancengleichheit von Frauen" finanziert werden. Von einem Ausschluss männlicher Kandidaten steht dort nichts. Was Aschenbrenner freilich nicht wissen konnte: An der HU existiert ein interner Hinweis, dass für "vorgezogene Neuberufungen" auf Professorenstellen ausschließlich Frauen in Frage kommen.
Natürlich muss der HU zugute gehalten werden, dass sie die Zeichen der Zeit erkannt hat: Von knapp 44.000 Professoren in Deutschland waren zuletzt noch immer knapp 35.000 männlich. Der Frauenanteil liegt bei kümmerlichen 20 Prozent, in Naturwissenschaften und Mathematik sieht es besonders düster aus: Nur etwas mehr als jeder zehnte Lehrstuhlinhaber ist in diesen Fächern weiblich.
Auch Matthias Aschenbrenner weiß das - und trotzdem ärgert ihn, wie die HU mit ihm umgesprungen ist. Für ihn sei das Verfahren der "Gipfel der Intransparenz und Gleichgültigkeit" gewesen. Und offenbar war er auch nicht der Einzige, der nicht verständig genug war, die Ausschreibung richtig zu lesen.
Neben ihm hatte nicht nur der Drittplatzierte auf der Berufungsliste, ebenfalls ein Mann, die Ausschreibung missverstanden. Genauso wie den beiden erging es rund zwei Dritteln der Bewerber auf die Professur. Die Männer waren davon ausgegangen, es handle sich um eine geschlechterneutrale Stellensuche. Nur jede dritte Bewerbungen kam von einer Frau.
Die Berufungskommission war zwar über das HU-interne Ziel, die Professur aus Mitteln zur Frauenförderung zu finanzieren, informiert. Ein externes Kommissionsmitglied sagte SPIEGEL ONLINE allerdings dazu: "An einem Verfahren, das männliche Bewerber benachteiligt, hätte ich mich nicht beteiligt." Das Gremium entschied nach kurzer Debatte mehrheitlich, nicht Geschlechterproporz zur Entscheidungsgrundlage zu machen, sondern eine Bestenliste zu erstellen. Sollte sich doch die Uni um die Finanzierung des neu zu berufenden Professors kümmern.
Michael Hartmer, Geschäftsführer der Professorenvereinigung Deutscher Hochschulverband, hält den Abbruch des Verfahrens durch die HU für "scheinheilig" und "empörend", ohne dass der rechtswidrig wäre. Denn solange niemand berufen wird, könne auch kein Bewerber dagegen klagen. Sonst, so Hartmer, würde sein Verband einen Musterprozess gegen die Benachteiligten wegen des Geschlechts gern unterstützen.
Die Aschenbrenners im fernen Kalifornien hatten auch auf zwei Versprechen der deutschen Hochschulpolitik gesetzt: die "Rückkehrerförderung" und die Doppelkarriere für Ehepaare. Programme wie das German Academic International Network des Bundes wollen ausgewanderte Spitzenforscher wieder in die Bundesrepublik locken. Außerdem sollen Paare unter dem Stichwort Dual Career Service gemeinsam im Beruf aufsteigen können, wenn so ein Spitzenwissenschaftler gewonnen werden kann. Das hätte bei den Aschenbrenners gut gepasst. Doch die Berliner Uni-Bürokratie stand dem entgegen.

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