Zoff um Online-Jobbörsen Die Job-Piraten vom Arbeitsamt
Ab 1. Dezember soll alles anders werden. Wer einen Job sucht, muss dann nicht mehr die über 400 Online-Stellenbörsen umpflügen, sondern klickt nur noch eine neue Online-Plattform an. Denn dort stehen künftig alle offenen Stellen, vom Hilfsarbeiter bis zum Manager. So malt es sich jedenfalls die Bundesanstalt für Arbeit (BA) aus. Damit werde nicht nur die Vermittlungsquote erhöht, sondern auch der Bewerbungsprozess beschleunigt.
Die Bundesbehörde erlebte in den letzten Monaten heftige Kritik an den Personal Service Agenturen, an Mini-Jobs und Jobfloatern. Nun braucht sie ein Erfolgerlebnis und pumpt 57 Millionen Euro in den Aufbau des "Virtuellen Arbeitsmarktes", der möglichst viele der in Deutschland offenen Stellen im Internet zugänglich machen sowie Arbeitgeber und Bewerber zusammenführen soll. Schon die Einführungskampagne wird teuer; allein für 2004 soll ein Werbebudget von 20 Millionen Euro bereitstehen.
Doch die Sache hat einen Haken: Für eine wirklich umfassende Stellenbörse fehlen der BA schlicht die Jobangebote. Bisher wird nur jede dritte offene Stelle den Arbeitsämtern gemeldet. Denn viele Unternehmen sind unzufrieden mit der Qualität der Bewerber. Daher nutzen sie verschiedene Rekrutierungskanäle: Wer einen Lagerarbeiter braucht, geht meist übers Arbeitsamt. Wer dagegen Fach- und Führungskräfte sucht, nutzt eher Zeitungen oder Online-Jobbörsen.
Private Anbieter sind bei Führungskräften stärker
So haben im Internet die großen Jobbörsen längst den attraktiven Markt der Fach- und Führungskräfte besetzt. Dabei vermitteln sie keineswegs nur Arbeitslose, sondern vor allem Wechselwillige.
Von den Nutzern von fünf großen Jobbörsen (Jobpilot, Monster, Stepstone, Jobscout24 und Jobware) waren im Juli nur vier Prozent ohne Job, auf der Arbeitsamt-Website waren es dreimal so viele. Zugleich nutzen leitende Angestellte und Manager die privaten Online-Jobbörsen deutlich stärker.
Der Markt ist also klar aufgeteilt. Genau das will die BA nun ändern und sich ebenfalls in den gut funktionierenden Vermittlungsmarkt für Fach- und Führungskräfte drängen. "Die möchten einfach bessere Vermittlungserfolge haben als mit den Arbeitslosen, um ihr Image aufzupolieren", glaubt Frank Hensgens, Marketing-Direktor bei der Jobbörse Stepstone. "Dabei würde es viel mehr Sinn machen, sich auf ihre Kernsegmente der schwerer vermittelbaren Arbeitslosen zu konzentrieren."
Unterstützung bekommt Hensgens dabei vom zur BA gehörenden Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. Das IAB hatte in einem Bericht vom Juli 2002 festgestellt, dass fast 40 Prozent der Arbeitslosen keinen Berufsabschluss haben - eine "wirksame Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit" müsse daher gerade bei dieser Problemgruppe ansetzen.
Zeitungsverleger protestieren ebenfalls
Stattdessen setzt das Arbeitsamt auf den "Stellenmarkt für alle" im Internet. "Das ist doch nichts anderes als die virtuelle Wiedereinführung des Vermittlungsmonopols auf Kosten der Arbeitslosen", zürnt Kai Deininger von der Jobbörse Monster.
Besonders verärgert sind die privaten Jobbörsen über die Wettbewerbsverzerrung: Während sie ihre Umsätze mit Anzeigen von Unternehmen generieren müssen, soll beim "Virtuellen Arbeitsmarkt" alles umsonst sein, finanziert mit Beitrags- und Steuergeldern. "Betreibt die BA da nicht unter dem Deckmantel des gesetzlichen Auftrags zur Vermittlung von Arbeitslosen Dienstleistungsdumping?", fragt Gerhard Kenk vom Branchendienst Crosswater Systems. "Wenn ich meinen Pass verlängere, muss ich ja auch Gebühren zahlen. Warum wird hier für staatliche Leistung kein Geld verlangt?".
Auch die Zeitungsverleger schlagen Alarm. Sie befürchten weitere Einbußen beim ohnehin stark gebeutelten Stellenmarkt. Die Bundesanstalt für Arbeit stricke an einem Monopol, greife damit in den Prozess des fairen Wettbewerbs ein und gefährde Verlage in ihrer Existenz, protestierte der Bundesverband Deutscher Anzeigenblätter.
Mitarbeiter der Jobbörsen bald arbeitslos?
Die Behörde indes kann kein Problem erkennen. Schließlich sei man schon immer die größte Stellenbörse gewesen und habe in allen Bereichen vermittelt. In einem Interview mit der Zeitschrift "Personalwirtschaft" behauptete BA-Vorstand Heinrich Alt sogar, die kostenlosen Leistungen der BA seien überhaupt keine Verzerrung des Wettbewerbs, sondern "gesetzlich so gewollt".
"Bulldozer-Strategie" titelte die Fachzeitschrift dazu. Und die Jobbörsen wollen nicht ausbluten. "Wenn alle Bewerber - so wie es die BA möchte - irgendwann auf den Virtuellen Arbeitsmarkt gehen, dann bräuchten die Unternehmen bei privaten Anbietern keine Anzeigen mehr zu schalten", sagt Christopher Funk, Deutschland-Manager bei Jobpilot.
Die Bundesanstalt solle sich daher auf ihr Kerngeschäft beschränken und überlegen, wie sie die Prozesse unter Einbindung der großen Jobbörsen gestalten könne, forderte Funk daher bereits im September gemeinsam mit seinen Kollegen von Monster, Stepstone und Jobscout24.
Jobbörsen wussten nichts von der angeblichen Kooperation
Sein Vorschlag: eine gemeinsame Plattform mit den privaten Anbietern anstelle des zentralistischen Ansatzes. Unternehmen und Bewerber könnten dann direkt an die für die jeweiligen Zielgruppen geeigneten Jobbörsen weitergeleitet werden.
"Damit wäre allen geholfen, und es wäre sogar noch Platz für neue Spezialjobbörsen", so Funk. Doch darauf hat die BA bisher nicht reagiert und verweigert - angeblich aus Wettbewerbsgründen - jedes weitere Gespräch mit den vier Branchenführern. Man will mit den Anbietern nur noch einzeln verhandeln.
Ein Blick zurück ergibt vor allem ein Lehrstück über die Arroganz des Mächtigen: Bereits auf der CeBit im März verkündete die Behörde die Kooperation mit großen Jobbörsen und schmückte sich sogar mit deren Logos - obwohl die nichts davon wussten. Im Juni beklagte sich das Quartett der vier großen Jobbörsen, dass es noch immer kein Modell für eine Zusammenarbeit gebe. Erst im Juli wurde vereinbart, dass die Jobbörsen einzelne Stellenangebote an den "Virtuellen Arbeitsmarkt" weiterleiten, sofern das Unternehmen zustimmt.
"Wer sich nicht wehrt, ist einverstanden"
Doch auch damit war es bald wieder vorbei - wegen der geplanten ungefragten Übernahme aller veröffentlichten freien Stellen der Unternehmen aus dem Internet durch "Job-Roboter". Das Motto: Wenn die Firmen ihre Anzeigen nicht bei uns schalten, dann holen wir sie uns eben selbst.
Technisch sei es möglich, jede Website für Jobroboter zu sperren, erklärte BA-Vorstand Heinrich Alt noch im Oktober. "Jedes Unternehmen kann sich also wehren. Wer das nicht tut, ist unserer Ansicht nach damit einverstanden." Zudem stünden die Ergebnisse des Jobroboters zunächst nur den BA-Mitarbeitern zur Verfügung. Ob man das später ausweite, werde sich zeigen.
Inzwischen rudert BA-Projektleiter Jürgen Koch mit der fragwürdigen Behauptung zurück, die Websites der Großunternehmen seien ohnehin meist gegen Roboter gesperrt. Nur wenn das nicht der Fall sei, hole sich der Jobroboter die Stellenanzeige und leite sie an die Vermittler weiter. Die fragten dann erst im Unternehmen nach, ob es einverstanden ist, dass die BA Bewerber vermittelt.
Die Karriereportale wehren sich weiter
Auch den Zoff mit den Jobbörsen spielt Koch herunter: "Natürlich machen alle Jobbörsen mit, nur nicht schon am 1. Dezember", gibt er sich siegessicher. Bisher konnte er allerdings nur zwei Jobbörsen als Kooperationspartner gewinnen. Dabei arbeitet Jobs.de bereits seit April 2002 mit der BA zusammen, und auch die Kooperation mit Jobstairs.de dürfte der Behörde nicht viele neue Stellen bringen.
Jobstairs ist eine von 28 großen Unternehmen finanzierte Stellenbörse und hat sich mit der BA auf einen gemeinsamen technischen Standard geeinigt; die Firmen können freie Stellen nun direkt an den Virtuellen Arbeitsmarkt weiterreichen. Doch das dürfte eher selten passieren. Denn Jobstairs positioniert sich als Top-Portal der Top-Unternehmen für Top-Bewerber - die wird man kaum übers Arbeitsamt suchen.
Während die Bundesanstalt dem Start ihrer Mega-Stellenbörse weiter euphorisch entgegenfiebert, steuern die vier großen Jobmärkte auf Gegenkurs: Am Freitag in Berlin sensibilierten sie Politiker und Journalisten für das ordnungspolitisch brisante Thema. Das Arbeitsamt-Angebot drohe, eine florierende und effiziente Branche mit
einem Jahresumsatz von gut 100 Millionen Euro zu ruinieren, warnen die privaten Anbieter. Sie konterten mit dem eigenen Konzept "Wettbewerb im Netz", das sie als marktwirtschaftliche Alternative sehen.