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Zweitberuf Lehrer Sprung ins kalte Wasser

Weil es an Lehrern fehlt, heuern viele Bundesländer auch Quereinsteiger mit profunder Berufserfahrung an. Meist haben sie eine zweijährige Zusatzausbildung vor sich und sind bei den neuen Kollegen nicht immer willkommen. Die Chancen und Voraussetzungen sind sehr unterschiedlich - ein Rundflug durch die Länder.

Wer an einer Universität sein Diplomstudium in einem naturwissenschaftlichen oder technischen Fach erfolgreich abgeschlossen hat, dem stehen in den meisten Bundesländern die Schultüren offen: Um den Lehrermangel in einzelnen Fächern auszugleichen, haben die Kultusministerien Sonderprogramme für Quer-, Seiten- und Direkteinsteiger eingeführt, manche schon vor zehn Jahren. Am leichtesten ist der Zugang für künftige Berufsschullehrer, da hier bundesweit ein großer Bewerbermangel herrscht.

Die Mehrheit der Quereinsteiger lockt die Aussicht auf eine gesicherte berufliche Perspektive im Schuldienst. Die Altersgrenze für die Seiteneinsteiger-Programme bei den Kultus- und Bildungsministerien liegt in den meisten Ländern bei 37 Jahren. Viele streben die Übernahme in das Beamtenverhältnis an, die in der Regel bei gesundheitlicher Eignung nach dreijähriger Tätigkeit möglich ist. Wer in Mangelfächern unterrichtet, hat bisweilen auch Chancen mit über 40.

Was die pädagogische und fachdidaktische Ausbildung angeht, müssen Quereinsteiger mit Lehramtsstudenten während des Vorbereitungsdienstes, dem Referendariat, gleichziehen. Denn die Sonderprogramme ermöglichen oft nur den erleichterten Zugang, bieten aber keine zusätzliche Schulung.

"Referendare zweiter Klasse?"

Im Forum von www.referendar.de , einer Community für Lehramtsreferendare, werden die Probleme von und mit Seiteneinsteigern in der Praxis deutlich: Nicht nur die Vermittlung des fachlichen Wissens fällt vielen schwer, auch die Akzeptanz unter den Kollegen ist mitunter nicht sicher. So mancher fühlt sich als "Referendar zweiter Klasse", während die "normalen" Lehrer sich im Fachlichen gemaßregelt vorkommen.

Thomas Gottfried, Pressesprecher im bayerischen Kultusministerium, hält eine pädagogische Nachqualifikation für "redundant". Denn: "Die Basiskenntnisse, die man in der Universität erwirbt, sind nicht umfangreich. Das wird im Referendariat ausgeglichen." Das wird in vielen Ländern ähnlich gesehen. Saarländische Bewerber müssen beispielsweise während des Referendariats noch ein zweiwöchiges Einführungspraktikum absolvieren.

"Wir bekommen ununterbrochen Anrufe von Leuten, die ins Lehrfach wechseln wollen", sagt Rainer Böttcher vom Bundesverband der Lehrerinnen und Lehrer an beruflichen Schulen. Doch viele Bewerber kommen aus Berufsfeldern, in denen gleichzeitig das Angebot an Ausbildungsplätzen zurückgeht, also eigentlich kein Bedarf an Lehrerzuwachs besteht.

Die Seiteneinsteiger-Programme der Länder seien im wesentlichen gleich, erläutert Böttcher. Einen universitären Diplom-Abschluss müssten die Bewerber in den meisten Ländern nachweisen: "Ein Bachelor-Abschluss reicht nicht, da sind sich alle einig."

Das Fachwissen zählt

Ausschlaggebend sind die Fachkenntnisse. Zusatzqualifikationen wie beispielsweise Erfahrung in der Erwachsenenpädagogik oder Unterricht bei freien Trägern sind laut Böttcher nicht relevant. Der spezielle Nachholbedarf im Bereich Pädagogik und Fachdidaktik werde in den meisten Ländern im Referendariat oder berufsbegleitend am Staatlichen Seminar ausgeglichen.

Die intensivste Ausbildung erhalten Quereinsteiger in Niedersachsen. Die Göttinger Universität beispielsweise erhielt vor einem Jahr für ihr Reform-Konzept zur Lehrerbildung einen Preis vom Stifterverband der Deutschen Wirtschaft und der Stiftung Mercator. Seit 2001 können Diplom-, Magister- und Bachelor-Absolventen der Fächer Physik, Latein, Spanisch und evangelische Theologie einen einjähriger Intensivstudiengang absolvieren und den für die Lehrerbildung neuen Masterabschluss erwerben.

"Auf universitärer Ebene gibt es kein ähnliches Angebot in Deutschland", sagt Doris Lemmermöhle, Vizepräsidentin der Universität und Erziehungswissenschaftlerin. Seit zwei Jahren wird in Göttingen zusätzlich der viersemestrige Studiengang "Master of Arts in Education" angeboten. Er wendet sich an Diplom-, Magister-, und Bachelor-Absolventen, die ihren Abschluss in einer Fachwissenschaft mit Unterrichtsbezug erworben haben. Die beiden Intensivstudiengänge sollen die Quereinsteiger mit dem notwendigen pädagogischen und fachdidaktischen Rüstzeug ausstatten. 25 Studenten werden pro Studiengang zugelassen. Die Bewerber sollen nicht älter als Anfang 40 sein, müssen bei einem Auswahlgespräch ihre Motivation für den Jobwechsel verdeutlichen und zudem auch pädagogische Probleme und fachdidaktische Unterlagen beurteilen.

Ausweg aus dem Schweinezyklus

"Die Intensivstudiengänge sind eine Möglichkeit, dem Schweinezyklus entgegen zu steuern", sagt die Göttinger Erziehungswissenschaftlerin. Schweinezyklus wird ein Phänomen genannt, das auf vielen Rohstoffmärkten, im Immobilienmarkt und eben auch in der Lehrerausbildung zu beobachten ist: Ein hoher Bedarf an Lehrkräften führt zu mehr Lehramtsstudenten. Bis sie aber im Unterricht eingesetzt werden können, vergehen vier bis fünf Jahre - dann drängen alle und damit zu viele Bewerber gleichzeitig in den Schuldienst. Der Bedarf sinkt wieder, damit auch die Studentenzahlen - und einige Jahre später kommt es erneut zu einem Mangel an Lehrkräften.

Auch Nordrhein-Westfalen braucht Seiteneinsteiger - aber längst nicht so viele, wie sich bewerben: In Deutschlands größtem Bundesland haben im Februar 1385 Lehrerinnen und Lehrer ihren Dienst angetreten, 49 davon sind Seiteneinsteiger. Im vergangenen Jahr waren es bei 1260 Neueinstellungen noch 77. Vor allem an den Berufskollegs werden Lehrer gesucht. Wer Mathematik, Physik, Latein, Kunst und Musik studiert hat, hat aber auch am Gymnasium Einstellungschancen.

In Bayern werden für das kommende Schuljahr voraussichtlich 70 Seiteneinsteiger für das Lehramt an Gymnasien zugelassen - in den Fächern Mathematik, Physik und Informatik. Die Bewerber müssen mit mindestens der Note "gut" bestanden haben und dürfen zu Beginn des Referendariats das 38. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Bewerbungsschluss ist am 29. April 2005.

Gute Aussichten an Baden-Württembergs Berufsschulen

Mecklenburg-Vorpommern kämpft mit einem dramatischen Einbruch der Schülerzahlen, so dass Quereinsteiger in den meisten Fällen nur Aussicht auf Teilzeit-Anstellung haben. Der Fächer-Bedarf ist laut Heike Neitzert, Pressesprecherin des Bildungsministeriums, regional sehr verschieden: Religion, Latein, Musik, Kunst und Französisch zählen zu den Mangelfächern.

In dem kleinen Land Bremen mit seinen beiden Städten Bremen und Bremerhaven haben Quereinsteiger nur in seltenen Ausnahmefällen die Möglichkeit ins Lehramt zu wechseln. "Wir sind durch unsere Größe in einer anderen Situation als die Flächenländer", sagt Pressesprecher Rainer Gausepohl, "in den meisten Fächern haben wir genügend Bewerber."

Ohne Direkteinsteiger käme in vielen Ländern der Unterricht teilweise zum Erliegen. Das gilt besonders für Baden-Württembergs Berufsschulen: Laut Kultusministerium wurden 2004 für die Fachbereiche Metalltechnik/Maschinenbau 78 Prozent, im Bereich Elektro- und Informationstechnik sogar 85 Prozent Direkteinsteiger eingestellt, wie Hermann Reichert, Leiter des Referats Bedarfsplanung, Statistik und Lehrereinstellung, berichtet. Wer über passende Fachkenntnisse verfügt und unter 40 ist, kann im Ländle bei einer A13-Bezahlung gleich in den beruflichen Schuldienst wechseln. Der Bewerber verpflichtet sich dabei, zusätzlich zur Unterrichtszeit pädagogische Kenntnisse nachzuholen.

Von Barbara Link, Jobpilot.de 

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