Leben ganz ohne Plastik "Da sind wir konsequent"

Weichmacher machen ihnen Angst, darum leben der Student Marian Klapp und seine Familie plastikfrei. An der Käsetheke brauchen sie deshalb starke Nerven und freuen sich, wenn bald das letzte Plastiktrumm aus ihrer Wohnung verschwindet.

Marian Klapp braucht nicht viel für seine Körperpflege. Er mischt Zitronensaft mit Wasser und reibt sich die Flüssigkeit unter die Arme. Auch das Putzmittel, das er benutzt, ist ein Eigenfabrikat: Es besteht aus Natron und Waschsoda und soll genauso gute Dienste leisten wie all das Zeug, das es im Supermarkt gibt.

Es ist nicht so, dass Marian keinen Wert auf Hygiene legt. Auch seine Wohnung soll sauber sein. Der Grund, warum er diesen Aufwand betreibt, ist ein anderer: Der 25-Jährige lehnt die Behältnisse ab, in denen die Flüssigkeiten verkauft werden. Die sind nämlich zu einem großen Teil aus Plastik und damit aus einem Stoff, den Marian am liebsten komplett aus seinem Alltag verbannen möchte.

Der Psychologiestudent lebt gemeinsam mit Freundin Eva und der zehn Monate alten Tochter Anna am Rand von Braunschweig im Grünen, seit drei Jahren boykottiert er fast alles, was irgendwie mit Plastik zu tun hat. "Eine Freundin erzählte mir damals, dass der Stoff große Auswirkungen auf unseren Körper und die Umwelt haben kann: Unfruchtbarkeit, Hormonstörungen, Allergien, Krebs. Das hat mich schockiert", sagt Marian. Der junge Mann mit den blonden Haaren wirkt besorgt, wie er da in seinem Wohnzimmer sitzt und Studien zitiert: Vor allem Neugeborene, Kinder und ältere Menschen können demnach durch Plastikpartikel und Weichmacher, die zum Beispiel in Tüten stecken, Schaden nehmen.

"Vieles ist nicht so schwer, wie es scheint"

Marian ist nicht allein mit seiner Angst. Weil die Medien regelmäßig über mögliche Gefahren berichten, steigt die Zahl derer, die plastikfrei leben wollen, beständig. Die Industrie hält dagegen - und verweist darauf, dass in Deutschland strenge Grenzwerte für die Konzentration von Weichmachern und anderen Inhaltsstoffen existieren. Marian beruhigt das nicht: "Es gibt keine angemessenen Studien, wie sich Plastik langfristig auf unsere Gesundheit auswirkt", sagt er.

Für den jungen Familienvater ist es besonders wichtig, dass das Essen seiner Familie nicht mit Plastik in Berührung kommt. Die Auswahl an Joghurts ist für ihn daher kleiner, Wasser aus Kunststoffflaschen kommt für ihn nicht infrage. Auch sonst versucht er, weitgehend auf Verpackungen zu verzichten: Beim Bäcker um die Ecke kennen die Verkäufer Marian schon - und packen ihm seine Einkäufe automatisch in die Papiertüten und Stoffbeutel, die er und Eva immer in ihren Rucksäcken dabeihaben.

Etwas Überzeugungskraft braucht es dagegen manchmal bei den Verkäufern an der Käsetheke, damit sie die Produkte in die mitgebrachte Metalldose legen, statt sie - wie eigentlich vorgeschrieben - in Papier oder Plastikfolien einzuschlagen.

Stoffwindeln und ein Schnuller aus Naturkautschuk

Andere Lebensmittel kaufen Marian und Eva bei einer Braunschweiger Einkaufsgenossenschaft, die ein paar Kilometer von ihrer Wohnung entfernt liegt. Es ist eine Art Tante-Emma-Laden, in dem Dutzende Holzregale mit großen Behältern voller Mehl, Weizen, Linsen und anderer Lebensmittel stehen, aus denen man sich die Ware in mitgebrachte Dosen und Gläser abfüllen kann.

"Vieles ist nicht so schwer, wie es scheint", sagt Marian, "sondern nur eine Gewohnheitssache." Seinen Plastikkamm hat der Student längst gegen einen aus Holz getauscht, und der alte Wasserkocher aus Plastik wurde durch einen aus Edelstahl ersetzt. Tochter Anna wird mit Stoffwindeln gewickelt und hat einen Schnuller aus Naturkautschuk - einen herkömmlichen wird sie nie bekommen. Spielzeug aus Plastik, mit dem viele andere Kinder in ihrem Alter spielen, ebenfalls nicht. "Da sagen wir auch schon mal höflich, aber bestimmt, wenn wir ein Geschenk nicht annehmen möchten", sagt Eva.

Trotzdem lassen sich noch immer Gegenstände aus Plastik in Marians und Evas Wohnung finden, ein Wäschekorb zum Beispiel. "Von heute auf morgen komplett alle Dinge auszutauschen, können wir uns finanziell nicht leisten", sagt Marian, "aber das Bewusstsein ist da, und das ist ein erster Schritt, vielleicht der wichtigste." Er und Eva halten schon Ausschau nach einem Weidenkorb, der den alten Wäschekorb ersetzen soll.

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