Gebärdensprache für Kleinkinder Erst zeigen, dann sprechen

In Bremer Kitas nutzen Erzieher Gebärden, um sich mit Kleinkindern besser zu verständigen. Auch immer mehr Eltern setzen auf Babyzeichensprache. Aber hilft sie beim Spracherwerb?
Kinder üben Zeichensprache

Kinder üben Zeichensprache

Foto: Carmen Jaspersen/ dpa

Wie bewegt man eine Horde Kleinkinder zum Aufräumen? Alina Uhlhorn und ihre Kolleginnen von der Kindertagesstätte St. Pius in Bremen versuchen es mit Singen und Gestikulieren: "Alle Kinder, groß und klein, räumen jetzt das Spielzeug ein!" Dabei führen sie die Hände vor ihren Körpern zusammen, als würden sie Spielsachen aufhäufen. Die Kinder schnappen sich Bälle und Autos, innerhalb von Sekunden ist aufgeräumt.

Uhlhorn und ihre Kolleginnen nutzen ihre Hände, um zu unterstreichen, was sie zu den Kindern sagen. Dahinter steckt "Baby-Signal": Die Methode verwendet Gebärden aus der Deutschen Gebärdensprache und ist laut Gründerin Wiebke Gericke für Kinder zwischen sechs und 24 Monaten geeignet.

Erzieherinnen üben mit ihrer Kindergruppe die Zeichensprache für Babys.

Erzieherinnen üben mit ihrer Kindergruppe die Zeichensprache für Babys.

Foto: Carmen Jaspersen/ dpa

Die Idee: Die Kleinen sollen sich, schon bevor sie sprechen, einfacher mitteilen können. "Wir nutzen Gebärden als Brücke zum Sprechen", erklärt die Pädagogin. Seit 2005 bietet ihr Hamburger Unternehmen Kurse an, in denen Eltern und Kita-Personal Gebärden lernen.

Essen, trinken, schlafen, aber auch Tiere oder Fahrzeuge lassen sich so ausdrücken - erst von den Großen, dann von den Kleinen. Die Idee stammt aus den USA, nun gibt es auch in Deutschland mehrere Anbieter solcher Kurse.

"Baby-Signal" sei hauptsächlich im norddeutschen Raum verbreitet, sagt Gericke, aber die Nachfrage wachse beständig. Zum Einsatz kommen die Babygebärden mittlerweile zum Beispiel in zahlreichen Bremer Kindertagesstätten.

Die Eltern hätten das Konzept positiv aufgenommen, berichten die Erzieherinnen der Kindertagesstätte St. Pius. Manche Kinder beobachteten eine Gebärde einmal und kopierten sie sofort, andere schauten monatelang nur zu.

An diesem Tag machen fast alle Mädchen und Jungen mit. 20 kleine und 12 große Hände formen im Sekundentakt wechselnde Gesten. Ein blonder Junge, der auf einer Treppenstufe sitzt, wirbelt eifrig seine Fäuste durch die Luft und dreht dann die offenen Hände neben seinem Kopf zum "Tatütata".

Die Lieblingsgebärde der Kinder sei aber "nochmal", erzählt Erzieherin Uhlhorn und dreht den erhobenen Zeigefinger. Das sei unter den mehr als 100 Gebärden, die sie beherrscht, auch ihr Favorit. Zu jeder Gebärde sagt sie immer auch das entsprechende Wort. "Die Sprache soll ja auch erlernt werden."

Dass Gebärden die Sprachentwicklung sogar fördern, wie viele Anhänger glauben, ist indes nicht erwiesen. "Was man nicht sagen kann, ist, dass Kinder per se im Spracherwerb im Vorteil sind", erklärt die Pädagogin Barbara Hänel-Faulhaber von der Universität Hamburg. Kinder ohne Beeinträchtigungen lernten die Sprache durch die Babyzeichen weder schneller noch besser. Aber: "Das ein oder andere kommunikative Missverständnis wird vielleicht über zusätzliche Gesten ausgeräumt."

Denise Müller/dpa/swi
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