Schülerfeedback in Bayern "Davor darf man als Lehrer keine Angst haben"
Zweimal im Jahr wird es ernst: Dann können Schüler in Bayern ihre Referendare beurteilen. Die jungen Nachwuchslehrer erfahren so, was sie falsch gemacht haben - aus Sicht derer, die sie zum Teil täglich unterrichten. Das klingt nach zusätzlichem Druck, und von dem haben Referendare doch wirklich schon genug. Oder?
Tatsächlich ist die Bewertung des Unterrichts durch Schüler in Bayern mittlerweile normal, wenn auch erst an 79 Schulen. Vor zwei Jahren startete das Kultusministerium das Modellprojekt, gerade erst wurde es um ein weiteres Schuljahr verlängert.
Das Ministerium freut sich, dass die Schüler in ihren Äußerungen bislang "überlegt und umsichtig" waren. Und auch die Schulleiter sind mit dem Versuch zufrieden. Danach sah es vor zwei Jahren nicht unbedingt aus, die Vorbehalte waren bei vielen groß.
Die Schulleitung bekommt das Feedback nicht zu sehen
Einer der ersten, der sich zu dem Bewertungsverfahren bereiterklärte, war Winfried Steflbauer, Direktor des Albert-Einstein-Gymnasiums in München. Er gibt zu, dass es in der Vergangenheit Kommunikationsprobleme gab: "Man wusste nicht, ob und wie die Unterrichtsinhalte bei den Schülern ankommen. Dabei sind sie es ja, für die wir arbeiten."
Das regelmäßige Feedback der Schüler trage nun zur Ausbildung der Referendare bei, freut sich Steflbauer. Die anfängliche Scheu mancher Lehrkräfte davor, plötzlich von den Schülern bewertet zu werden, habe sich gelegt.
Das dürfte vor allem daran liegen, dass die Referendare nicht, wie von manchen befürchtet, von den Schülern benotet werden, sondern anonymisiertes Feedback zu Unterrichtsmethoden und -inhalten bekommen. Soll heißen: Kein Zeugnis, höchstens Kritik daran, dass es zu viele Hausaufgaben gab oder jemand im Unterricht mal nicht mitkam. Und die Schulleitung bekommt das Feedback nicht zu sehen.
Wenn die Schüler sagen, dass die Lehrerin strenger sein soll
Zu den lautstärksten Kritikern gehörte vor zwei Jahren noch der Bayerische Philologenverband, der auch zahlreiche Referendare vertritt. Und heute? Hält auch dieser das Schülerfeedback für "ein gutes pädagogisches Element", wie Sprecherin Angelika Wildgans dem Deutschlandfunk sagte .
Simone Grünewald, die als Referendarin mit Schwerpunkt Wirtschaft an zwei Berufsschulen in Schwaben unterrichtet hat, berichtet von den anfänglichen Sorgen: "Man fragt sich schon: Finden die Schüler mich vielleicht als Lehrerin ungeeignet?"
Sie selbst ist mittlerweile zur Befürworterin des Schüler-Feedbacks geworden. Es habe ihr geholfen, sich weiterzuentwickeln, sagt sie: "Man bekommt so auch besser die Bestätigung, dass man etwas richtig macht. Einmal haben die Schüler mir tatsächlich gesagt, ich müsste strenger sein - das hätte ich nicht gedacht."
Andere Referendare sind noch skeptisch. Für "Zeitverschwendung" hält ein Nachwuchslehrer, der an Berufsschulen in Mittelfranken und Schwaben unter anderem künftige Fachlageristen und Einzelhandelskaufleute unterrichtet hat, die Idee. Seine Schulen waren nicht Teil des Modellprojekts, und darüber ist er sehr froh. Viele Schüler seien gar nicht in der Lage, ihn zu bewerten, meint er: "Fachlich bringt einen so was nicht weiter, höchstens im Bezug auf die Persönlichkeit." Das sei aber "Typsache".
"Man muss dafür Unterricht einsparen"
Schulleiter Steflbauer kann diese Einschätzung nicht teilen. Er sei überrascht, wie gewissenhaft die Schüler antworten, sagt er. Eine angehende Deutsch- und Englischlehrerin an einem anderen Münchner Gymnasium bestätigt den Eindruck: "Natürlich gibt es in einer großen Klasse meistens einen, der Quatsch schreibt. Aber generell nehmen die Schüler das sehr ernst." Gleichzeitig ist sie froh, dass sie von den Teenagern keine Noten bekommt: "Als Referendarin wird man häufig genug bewertet und geknechtet."
Vor allem Zehnt- und Elftklässler "nehmen beim Feedback kein Blatt vor den Mund", sagt ein Referendar, der Deutsch, Sozialkunde und Geschichte an einem Gymnasium in Garching unterrichtet. Er macht sich trotzdem für die Feedback-Kultur stark: "Davor darf man als Lehrer keine Angst haben."
Aber das Verfahren hat auch Nachteile. "Die Schüler bekommen zwar das Gefühl, mitmachen zu können und schreiben Kritisches, das man sonst eher nicht erfahren würde", sagt die Münchner Referendarin. "Aber mehr Zeit bekommen wir für die Feedback-Abfrage nicht. Man muss dafür Unterricht einsparen." Im Schnitt dauert das Ausfüllen der Fragebögen etwa 15 Minuten.
Noch sind viele Fragen offen
Ist das Pilotprojekt nun ein Modell für alle bayerischen Schulen - und vielleicht sogar für alle Lehrer, auch die älteren? Mit solchen Prognosen ist man im Kultusministerium noch vorsichtig. Die Auswertung des Projekts laufe noch, erst Ende 2018 soll eine Entscheidung fallen, teilt ein Sprecher mit. Auch manche Details wären noch zu klären, etwa wie oft die Schüler ihr Feedback geben sollen und ob das verpflichtend ist.
Ständig und in jedem Fach eine Bewertung abgeben zu müssen, sei für die Schüler zu viel, warnt die angehende Lehrerin aus München, ihre Kollegen stimmen zu. Auch Schulleiter Steflbauer empfiehlt, nur etwa zweimal pro Jahr und auf freiwilliger Basis nach der Meinung der Schüler zu fragen: "Dann ist es auch für sie verstärkte Partizipation und keine Last."