Mangelnder Brandschutz an Schulen Berliner Schülerin zieht vor Gericht

An vielen Berliner Schulen liegt der Brandschutz im Argen. Weil es an einer Grundschule im Ernstfall besonders gefährlich werden könnte, bemühen eine Siebenjährige und ihre Eltern nun die Justiz.
Feuerwehrauto im Einsatz (Symbolfoto)

Feuerwehrauto im Einsatz (Symbolfoto)

Foto: DPA

Würde in der Schule von Helen, 7, ein Brand ausbrechen, dann gäbe es zwei Fluchtwege. Einer führt über ein Treppenhaus vom ersten Stock ins Erdgeschoss. Brennt auch das Treppenhaus, müssten sie und die anderen Kinder in die entgegengesetzte Richtung laufen, den Flur entlang, und am Ende des Flurs aus dem Fenster klettern. Dort gibt es ein großes Dach mit leichter Neigung, wo sie in fünf Meter Höhe warten müssten, bis Rettung kommt.

Der Weg gilt für bis zu 70 Schüler und ihre Lehrer. Ob das Dach des Fünfzigerjahregebäudes sie alle tragen würde, weiß niemand so genau, die Statik wurde dafür nie geprüft. Und ein Geländer gibt es auch nicht.

Ein unhaltbarer Zustand, finden Helens Eltern, und deshalb haben sie einen Eilantrag gegen das Bezirksamt Berlin-Mitte gestellt, der für die Anna-Lindh-Grundschule in Berlin-Wedding zuständig ist. Umgehend soll demnach ein ordentlicher Brandschutz sichergestellt werden, zur Not mit einer Feuertreppe und einem vergrößerten Fenster.

"Das wären geschätzte Kosten von 3000 Euro, machbar in zwei Wochen", sagt Jens Koehn, der Anwalt der Familie. Er hat dem Bezirk noch andere Möglichkeiten vorgeschlagen, etwa eine Feuerwache im Treppenhaus, aber konkrete Zusagen bekam er keine. "Das ist besonders ärgerlich, weil es im Moment kein finanzielles Problem ist. Berlin hat im Moment durchaus Geld für Schulsanierungen", sagt Koehn.

Juristische Sprengkraft

Der Fall, über den zuerst die "Berliner Morgenpost" berichtet hatte , wirft nicht nur ein Schlaglicht auf die verlotterten Schulgebäude in Berlin. Er hat auch juristische Sprengkraft. Geben die Richter Helens Familie tatsächlich recht, dann ist in Berlin etwas los, und nicht nur da. Dann könnten überall dort, wo der Schlendrian von Ämtern zum Sicherheitsrisiko wird, die Gerichte eingeschaltet werden.

Dass es um Schlendrian geht, ist eigentlich klar. Der Mangel ist spätestens seit 2003 bekannt. Da kritisierte ein Sachverständiger den Fluchtweg bei einer der vorgeschriebenen Brandschutzüberprüfungen. Ebenso 2008 und 2013. Jedes Mal wurde eine Frist von zwei Monaten gesetzt, in der Berlin-Mitte den Mangel beseitigen sollte. Dort hat sich auch der Schulleiter mehrfach beschwert. Passiert ist: nichts.

Die Anna-Lindh-Grundschule, Baujahr 1955, soll ohnehin grundsaniert werden - angeblich hat der Bezirk die Brandschutzfrage auch deshalb immer wieder verschoben. Doch wann diese Sanierung in Angriff genommen wird, ist unklar. In diesem Jahr sicher nicht mehr, und auch auf einer Liste der Bildungsbehörde, die große Schulinvestitionen für 2018 und 2019 aufführt, taucht die Schule nicht auf. Doch Helens Eltern wollten nicht mehr warten.

Wie geht es nun weiter? Zunächst darf das Bezirksamt zu dem Antrag Stellung nehmen. Die Frist dafür ist gerade abgelaufen, wie ein Gerichtssprecher bestätigte. Liegt die Stellungnahme vor, ist das Gericht am Zug. Beobachter rechnen damit, dass spätestens im November eine Entscheidung vorliegen sollte.

Sollte das Gericht eine schnelle Besserung des Mangels anordnen, kann sich die Umsetzung trotzdem hinziehen: Dann geht es unter anderem darum, für welche Lösung sich der Bezirk entscheidet.

Viele Berliner verfolgen das Verfahren aufmerksam. Denn der Brandschutz liegt an vielen Schulen im Argen. In einer Antwort auf eine Kleine Anfrage des Berliner SPD-Politikers Joschka Langenbrinck schrieb der Senat für Stadtentwicklung im März, dass in zahlreichen Schulen die jüngste Brandsicherungsprüfung länger zurückliegt als die vorgeschriebenen fünf Jahre. Und wenn dort Mängel auffallen, fehlt es häufig an Personal, ihre Beseitigung zu überwachen. (Lesen Sie hier die Antwort auf die Kleine Anfrage im Original. )

"Das ist unser Vorteil", sagt Koehn: "Wir haben Protokolle und klare Handlungsanweisungen, die die zuständigen Stellen bisher ignorieren. Jetzt muss bald konkret etwas getan werden."

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