Bertelsmann-Studie Wenn die Mutter nicht arbeitet, bleibt das Kind arm

Es betrifft nicht nur Kinder von Alleinerziehenden: Auch Kinder von Eltern, bei denen nur der Vater arbeitet, sind häufiger von Armut bedroht. Ein Gehalt reicht oft nicht mehr aus, zeigt eine Studie der Bertelsmann-Stiftung.
Kinderarmut (Symbolbild)

Kinderarmut (Symbolbild)

Foto: Christian Hager/ picture alliance / Christian Hager/dpa

Wenn Mütter nicht arbeiten, sind ihre Kinder stärker von Armut bedroht. Das früher weitverbreitete Ein-Verdiener-Modell, bei dem der Vater arbeitet und die Mutter die Kinder betreut, reicht vielfach nicht mehr aus, um Kindern ein finanziell abgesichertes Aufwachsen zu ermöglichen. Das geht aus einer aktuellen Untersuchung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung hervor, die an diesem Mittwoch vorgestellt wird.

"Kinderarmut hängt maßgeblich an der Erwerbstätigkeit von Frauen", sagte Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsmann-Stiftung. Und das gelte nicht nur für Kinder von Alleinerziehenden. Auch Kinder aus Familien, in denen die Eltern zusammenwohnen, erleben zu 32 Prozent dauerhaft oder wiederkehrend Armut, wenn die Mutter nicht arbeitet, und 30 Prozent der Kinder erfahren zumindest kurzzeitig, was es heißt, arm zu sein.

Als arm gelten laut Definition der Studie Kinder aus Familien, die mit weniger als 60 Prozent des mittleren Haushaltsnettoeinkommens auskommen müssen oder Hartz IV beziehen. Für die Studie wurden Daten des Panels "Arbeitsmarkt und soziale Sicherung" ausgewertet, für das seit 2006 jährlich 15.000 Menschen befragt werden.

Kinder von Alleinerziehenden sind besonders armutsgefährdet

Ist eine alleinerziehende Mutter nicht erwerbstätig, wachsen ihre Kinder zu 96 Prozent - also fast immer - in dauerhafter oder wiederkehrender Armut auf, so die Studie. Nur wenn Alleinerziehende über einen längeren Zeitraum mehr als 30 Stunden pro Woche arbeiten, können sie in den meisten Fällen verhindern, dass ihre Kinder in dauerhafter Armut aufwachsen. Doch auch dann erfahren noch 16 Prozent der Kinder, wie es ist, arm zu sein.

Arbeitet die Mutter in einer stabilen Teilzeitbeschäftigung oder einem Minijob, leben 20 Prozent der Kinder dauerhaft oder wiederkehrend in Armut - weitere rund 40 Prozent zumindest zeitweise.

Details zur Studie

"Müttern muss es erleichtert werden, arbeiten zu gehen", fordert deshalb Bertelsmann-Vorstand Dräger. Und: "Kinder müssen unabhängig von ihren Familien so unterstützt werden, dass sie nicht vom gesellschaftlichen Leben abgekoppelt sind."

Der Studie zufolge sind nämlich Kinder, die in Armut aufwachsen, weniger stark vernetzt, seltener in Vereinen aktiv und haben seltener viele enge Freunde. Für Dräger hat dies auch mit den leeren Geldbeuteln der Eltern zu tun: "Wer aus finanziellen Gründen seine Freunde nicht nach Hause einladen kann oder kein Geld für gemeinsame Hobbys hat, dem fällt es schwerer, dabei zu sein und Freundschaften zu knüpfen."

Wie es ist, wenn Familien das Geld für Klassenfahrten, Theaterkurse, Bücher oder Stifte nicht aufbringen können, haben sieben Betroffene in eindrücklichen Worten dem SPIEGEL erzählt:

Zur Verringerung von Kinderarmut fordert die Bertelsmann-Stiftung ein einkommensabhängiges "Teilhabegeld", das es allen Kindern ermöglicht, am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. Auch Politiker und Bildungsexperten haben Vorschläge, wie armutsgefährdeten Kindern geholfen werden kann. Einen Überblick finden Sie hier.

Video: Kinderarmut in Deutschland

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