Bildungskonsens in NRW Rot-Grün und CDU beschließen Schulreform

Schulreform in NRW: Langer Streit beigelegt
Foto: dapdNun ist der Schulfrieden in Nordrhein-Westfalen endgültig besiegelt: Am Donnerstag hat der Landtag mit den Stimmen von Rot-Grün und CDU die große Schulreform verabschiedet. Mit der Änderung des Schulgesetzes können ab 2012/13 neue Sekundarschulen starten, außerdem wurde die Hauptschule aus der Verfassung gestrichen. Damit können die oft als Restschulen geschmähten Bildungseinrichtungen, wo gewünscht, geschlossen werden. Die Entscheidung darüber fällen die Kommunen. NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) nannte das neue Gesetz einen "großen Konsens der Zivilgesellschaft".
De facto hat NRW damit jetzt ein fünfeinhalbgliedriges Schulsystem: Haupt- und Realschule, Gymnasium, dazu Gesamt- und demnächst Sekundarschule. Schulministerin Löhrmann sagte dazu: "Letztendlich entscheidet die Nachfrage der Eltern über das Schulangebot in den Gemeinden." Die Kommunen können damit im Grunde künftig frei von parteipolitischen Überzeugungen entscheiden, welche Schulen sie wollen und brauchen.
In NRW hat es seit Jahrzehnten Streit um die Schulpolitik gegeben. Im Juli dann hatte sich die rot-grüne Minderheitsregierung mit der oppositionellen CDU auf eine neue Sekundarschule geeinigt, die das gegliederte Schulsystem ergänzen soll. Für Rot-Grün galt der Schulkonsens als ein wichtiger Etappensieg. Für den Fall eines Scheiterns der wochenlangen Gespräche war wiederholt über Neuwahlen spekuliert worden.
Der Kompromiss war für Regierung und Opposition schmerzhaft, beide Seiten hätten "Kröten schlucken müssen", sagt NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) im Juli zu der Einigung. Die CDU gab die Verfassungsgarantie für die unter Regierungschef Jürgen Rüttgers (CDU) noch als sakrosankt erklärte Hauptschule auf. Damit machte die Union den Weg für das schleichende Ende einer Schulform frei, die Eltern und Bildungsexperten schon lange nur noch als Restschule sehen. Im Gegenzug musste sich Rot-Grün von der Vision einer Gemeinschaftsschule für alle Kinder verabschieden.
Zwölf Jahre soll sich am Schulsystem nichts ändern
Das Kompromissmodell heißt nun Sekundarschule: Die neue Schulform umfasst die Jahrgänge 5 bis 10. In den Klassen 5 und 6 lernen alle Schüler gemeinsam, danach kann differenziert oder weiter integriert unterrichtet werden. Die Sekundarschule hat keine eigene Oberstufe, geht aber eine oder mehrere verbindliche Kooperationen mit der Oberstufe eines Gymnasiums, einer Gesamtschule oder eines Berufskollegs ein.
"Mit dem neuen Schulgesetz und der Verfassungsänderung ist das gegliederte Schulsystem für mindestens zwölf Jahre fest verankert", sagte der Bundesumweltminister und CDU-Landeschef Norbert Röttgen. Bis mindestens 2023 soll der Schulfrieden halten und nicht mehr an dem neuen Schulsystem gerüttelt werden.
Die kleinen Oppositionsfraktionen FDP und Linke kritisierten die Entscheidung: Die bildungspolitische Sprecherin der FDP-Landtagsfraktion, Ingrid Pieper-von Heiden, sprach von einem "Tag der verpassten Chancen". Es fehle eine verfassungsrechtliche Absicherung von Realschulen und Gymnasien. Rot-Grün habe sich gegen die CDU durchgesetzt. Der Linken in NRW geht der Kompromiss dagegen nicht weit genug. "Die Sekundarschule wird nie eine Oberstufe bekommen können", kritisierte die Bildungsexpertin der Linken im Düsseldorfer Landtag Gunhild Böth.
Aber auch Eltern- und Schülerverbände zeigten sich, wie schon im Sommer vergangen Jahres, von der Kompromissidee enttäuscht. So teilte die Landeselternkonferenz (LEK) bei der Expertenanhörung im Landtag mit: "Aus Sicht der LEK handelt es sich hier um einen Gesetzentwurf, der den Mut vermissen lässt, einen guten Schritt in Richtung Zukunftsfähigkeit des Schulsystems in NRW zu gehen." Unter anderem kritisierten die Eltern, dass die Anschlussmöglichkeiten der Schüler nach Beendigung der neuen Sekundarschule nicht gesichert seien. Die Landesschülervertretung forderte eine radikalere Reform. Bis Klasse 10 sollten alle Schüler gemeinsam lernen. Die "Selektion" der Kinder nach der Grundschule müsse abgeschafft werden.