Fotostrecke

Blog über Schulessen: Kuchen, Burger und manchmal etwas Gurke

Foto: AP/ Mary's Meals

Solidaritätswelle im Internet Martha darf ihr Schulessen doch fotografieren

Die Schülerin Martha, 9, ist mit ihrem Blog über Schulessen so berühmt geworden, dass ihre schottische Gemeinde die Notbremse zog: Sie verbot dem Mädchen, in der Kantine zu fotografieren. Daraufhin gab es so viel Häme und Protest, dass die Behörden das Verbot zurücknahmen.

Dank ihrer riesigen Fangemeinde im Internet darf die neunjährige Martha Payne aus Schottland weiter über das Essen in ihrer Schule bloggen. Das Mädchen hat in den vergangenen Wochen fast täglich seine Kantinenmahlzeiten fotografiert und in einem Internettagebuch kritisch bewertet. Damit begeisterte Martha Menschen auf der ganzen Welt. Weit mehr als vier Millionen Leser haben sich das Blog inzwischen angeschaut, nationale und internationale Medien überhäuften die Familie mit Anfragen.

Der Verwaltung der schottischen Grafschaft Argyll, die für das Schulessen verantwortlich ist, ging das zu weit. Sie belegte Martha mit einem Fotografieverbot. Die Schulleiterin habe sie am Donnerstagmorgen in ihr Büro gerufen und ihr gesagt, dass sie keine Bilder von den Schulmahlzeiten mehr machen dürfe, schrieb Martha in ihrem Blog "NeverSeconds". 

Die Gemeinde verteidigte zunächst ihre Entscheidung. Der Cateringdienst für die Schulen sei ungerechtfertigt attackiert worden, teilte das Argyll and Bute Council am Freitag mit. Mitarbeiter der Firma fürchteten nach hämischen Artikeln in der Presse um ihre Jobs. Deshalb habe das Council entschieden, das Fotografieren in der Kantine zu stoppen.

Nach Marthas Eintrag über das Verbot, der mit dem Wort "Goodbye" beginnt, brach jedoch erst recht ein Sturm der Entrüstung los. Auf Twitter beschimpften unzählige Menschen die Behörde. "Es gibt wohl schottische Kommunalpolitiker, die brauchen dringend eine Umarmung. Mit einem Stuhl. Auf den Hinterkopf", twitterte ein Nutzer. Die Leserschaft des Blogs wuchs rasant.

Daraufhin machte das Council einen Rückzieher. "In dieser Gemeinde hat Zensur nichts zu suchen und wird auch nichts zu suchen haben, solange ich ihr vorstehe", sagte Gemeinderatschef Roddy McCuish . Er habe angewiesen, dass das Verbot aufgehoben und seine Verwaltung noch einmal über ihre Haltung beraten werde. Martha sei eine "umtriebige und einfallsreiche Schülerin", die ja auch viel Geld für gute Zwecke gesammelt habe.

Martha hatte Anfang Mai damit begonnen, täglich ihr Schulessen abzulichten. Sie zählte, wie viele Bissen das Mittagessen dauerte und vergab Punkte auf einer Skala von eins bis zehn dafür, wie gut es ihr schmeckte und wie gesund sie das Gericht fand. Besonders zu Beginn war ihre Bilanz ernüchternd: Einmal bestand ihr Mittagessen aus einem kleinen Stück Käsepizza, einer Krokette, etwas Mais und einem Muffin. "Ich bin ein wachsendes Kind, und ich muss mich den ganzen Nachmittag konzentrieren. Das schaffe ich nicht mit nur einer Krokette."

Eine extra Portion Kartoffelbrei

Großbritannien bemüht sich seit Jahren um gesünderes Schulessen. 2005 startete Starkoch Jamie Oliver unter großer Medienbeobachtung seine Schulkampagne "Feed me better", die Regierung versprach Hunderte Millionen Euro. Oliver und viele weniger prominente Leser waren geschockt über Marthas Berichte. Aus vielen Ländern schickten Menschen dem Mädchen Bilder von ihrem eigenen Kantinenessen. Jamie Oliver twitterte: "Bleib stark, Martha".

Die Gemeindeverwaltung kritisierte das Blog als unausgewogen. "Die hochgeladenen Fotografien scheinen nur einen Bruchteil der Wahlmöglichkeiten zu repräsentieren, die Schülern offen stehen", schrieb das Council. Für umgerechnet 2,50 Euro am Tag könnten die Kinder eine Vorspeise und eine Hauptspeise oder eine Hauptspeise und einen Nachtisch wählen. Dazu bekämen sie so viel Salat und Brot, wie sie wollten. Die Speisekarte werde gemeinsam mit Schülern, Eltern und Lehrern entworfen, und man achte auf eine ausgewogene Ernährung. In den vergangenen zwei Jahren habe sich außer Marthas Familie niemand über das Schulessen beschwert.

Martha bedankte sich am Freitag für die riesige Unterstützung im Internet. "Ein kleines Dankeschön reicht nicht, deshalb ist hier ein großes DANKESCHÖN an euch alle!", bloggte sie. "Ich freue mich darauf, meine Mahlzeiten und eure zu teilen."

Das Mädchen hat die große Aufmerksamkeit genutzt, um Spenden zu sammeln für die Organisation Mary's Meals, die unterernährten Kinder helfen will. Nach dem Fotografieverbot spendeten noch mehr Menschen als zuvor. Es seien mehr als 45.000 Pfund zusammengekommen, schrieb Martha begeistert. Ihr Vater David Payne dankte der Schule, dass sie seine Tochter von Anfang an unterstützt habe. Martha hatte sich die Erlaubnis eingeholt, ihr Schulessen fotografieren zu dürfen.

Womöglich hat Martha erreicht, dass sich ihre Kantine mehr Mühe gibt. Dem Schulessen, das sie als letztes fotografierte, gab sie auf ihrem Food-o-meter die volle Punktzahl: Makkaroni mit Käsesauce seien in der Kantine so sahnig und schmeckten gut mit Radieschen und Paprika. Und sogar etwas extra Kartoffelbrei sei ihr angeboten worden. Das Council wies zurück, dass der Caterer wegen des Blogs irgendetwas an seinem Lieferdienst verändert habe.

son
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten