Baden-Württemberg Bundeswehr darf an Schulen nicht für den Wehrdienst werben

Bitte keine Werbung: In Baden-Württemberg dürfen Jugendoffiziere der Bundeswehr künftig nicht im Unterricht für Tätigkeiten in der Bundeswehr werben - Referendare müssen nicht gegen ihren Willen an den Info-Veranstaltungen teilnehmen.
Werbung fürs Militär: Jugendoffiziere der Bundeswehr dürfen an Schulen nicht für den Dienst werben

Werbung fürs Militär: Jugendoffiziere der Bundeswehr dürfen an Schulen nicht für den Dienst werben

Foto: Patrick Seeger/ picture alliance / dpa

Um Frieden darf es gehen, ja. Um Jobs bei der Armee aber nicht mehr. Baden-Württemberg hat am Donnerstag eine neue Vereinbarung mit der Bundeswehr getroffen. Demnach dürfen Jugendoffiziere an Schulen nicht "für den Dienst in der Bundeswehr werben".

Die von Kultusminister Andreas Stoch (SPD) und Oberst Michael Kuhn vom Landeskommando Baden-Württemberg unterzeichnete Kooperationsvereinbarung liegt SPIEGEL ONLINE vor. Sie ersetzt eine Vereinbarung aus dem Jahr 2009. Diese hatte zum Ziel, dass sich Schüler stärker mit Fragen der Sicherheitspolitik auseinandersetzen. Damit hatten die Schulen im Land die Möglichkeit, Jugendoffiziere einzuladen, die mit den Schülern über deutsche Friedenssicherung diskutierten. Immer wieder gab es jedoch die Forderung, die bestehende Kooperation zu ändern.

"Wir haben einvernehmlich mit der Bundeswehr kritische Punkte geregelt, damit die Ausgewogenheit bei der Vermittlung der sicherheits- und friedenspolitischen Bildung in den Schulen besser gewährleistet ist", sagte Stoch am Donnerstag.

Referendare dürfen nicht zur Teilnahme gezwungen werden

In der neuen Vereinbarung wird nun die Entscheidungsfreiheit der Schulen und das Werbeverbot der Offiziere für eine Tätigkeit beim Militär stärker hervorgehoben. Die Vermittlung von sicherheitspolitischen Fragen an Schulen müsse "ausgewogen" sein, heißt es nun. Schüler der Sekundarstufe sollen dadurch mehr Informationen über Fragen der Sicherheits- und Friedenspolitik erhalten, ohne dass die Jugendoffiziere damit für eine Karriere bei der Bundeswehr werben.

Zudem wird die freie Entscheidung der Schulen bekräftigt, sich Vertreter der Bundeswehr zu Informationszwecken einzuladen. Der Besuch eines Jugendoffiziers unterliegt damit der Entscheidung des Lehrers, der während der Veranstaltung anwesend sein muss und den Besuch vor- und nachzubereiten hat. Zudem sieht die neue Vereinbarung vor, dass etwa Referendare nicht gegen ihren Willen während ihrer Ausbildung an Angeboten der Bundeswehr teilnehmen müssen.

Die neue Vereinbarung berücksichtigt auch die Grundsätze des Beutelsbacher Konsens stärker, der den Rahmen der politischen Bildung in Deutschland seit dem Jahr 1976 vorgibt. Somit ist es verboten, die Schüler "im Sinne unerwünschter Meinungen zu überrumpeln" und sie so daran zu hindern, sich eine eigene Meinung zu bilden (Überwältigungsverbot). Außerdem sollen kontroverse Meinungen in der Politik differenziert dargestellt werden (Kontroversitätsgebot) und die Schüler befähigt werden, in politischen Situationen eigene Interessen zu vertreten. Die Jugendoffiziere sind bei Informationsveranstaltungen verpflichtet, diese Grundsätze einzuhalten.

Zum Ende jedes Schuljahres soll die Bundeswehr einen schriftlichen Bericht über die Umsetzung der neuen Kooperationsvereinbarung beim Kultusministerium einreichen.

8700 Bundeswehrvorträge an Schulen im Jahr

Stoch hatte jüngst angekündigt, dass neben der Bundeswehr künftig auch Friedensorganisationen an der politischen Bildung an Schulen in Baden-Württemberg mitwirken sollen. Ein Grundsatzpapier soll festlegen, wie die Organisationen prominenter in der Friedenserziehung verankert werden können.

Seit Ende der Wehrpflicht kämpft die Bundeswehr verstärkt um Nachwuchs: Im vergangenen Jahr haben sogenannte Karriereberater der Bundeswehr 8700 Vorträge an deutschen Schulen gehalten. Insgesamt seien so etwa 189.000 Schüler erreicht worden.

Zudem warben die Karriereberater auf 600 Ausstellungen, Jobmessen, Projekttagen oder ähnlichen Veranstaltungen, dabei erreichten sie rund 96.000 Schüler. Hinzu kamen 3300 Truppenbesuche, an denen rund 13.700 Jugendliche und 260 Lehrer teilgenommen haben.

Die Wehrpflicht wurde im Sommer 2011 ausgesetzt, seitdem hat die Bundeswehr ihre Nachwuchswerbung an Schulen verstärkt, stets auf der Suche nach jungen Menschen, die sich freiwillig zum Militärdienst verpflichten. Das Mindestalter liegt bei 17 Jahren. Immer wieder wurde die Bundeswehr wegen ihres Einsatzes an Schulen kritisiert, inzwischen haben sich mehrere Schulen in Deutschland sogar für "militärfrei" erklärt.

ilo/lgr/dpa
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren