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Studie: Wie die Bundeswehr Jugendliche lockt

Foto: Denise H¸lp¸sch/ picture alliance / dpa

Jugendwerbung der Bundeswehr Freizeit statt Krieg

Bomben, Kampf und Tod? Nein, Abenteuer und Kameradschaft! Die Bundeswehr umwirbt Jugendliche im Internet mit Emotionen statt mit Argumenten, kritisieren Freiburger Medienforscher. Ihre Studie wirft neue Zweifel an der Jugendarbeit des Militärs auf.
Von Heike Sonnberger

Die Bundeswehr setzt gern auf Freizeitspaß und Action, wenn sie um Jugendliche wirbt - und weniger gern auf Berichte aus Krisengebieten. So lief im Herbst auf der Internetseite der Jugendzeitschrift "Bravo" ein Werbevideo, das potentielle Rekruten mit Popmusik und Urlaubsfotos bei ihrer Abenteuerlust packen sollte - und eine Debatte anstieß: Darf die Bundeswehr Jugendlichen den Eindruck vermitteln, dass der Alltag bei der Truppe cool und aufregend ist und Krieg eher keine Rolle spielt?

Sie tut es jedenfalls nach Ansicht von Experten auch auf ihrer Jugendseite www.treff.bundeswehr.de . Die ist zwar weniger bunt und poppig als das Video. Aber sie funktioniere nach ähnlichen Prinzipien, schreiben zwei Wissenschaftler der Freiburger Universität in einer Studie, die einer der Autoren bisher nur in Kurzfassung in seinem Blog veröffentlicht hat .

Junior-Professor Friedemann Vogel und seine wissenschaftliche Hilfskraft Maximilian Haberer vom Institut für Medienkulturwissenschaft analysierten auf der Webseite Anfang Dezember unter anderem Wortschatz und Sprachmuster. Ihre knapp 30-seitige Pilotstudie "Die Zukunft im Visier - Die mediale Selbstinszenierung der Bundeswehr gegenüber Jugendlichen auf www.treff.bundeswehr.de" liegt SPIEGEL ONLINE vor.

Was Angst auslösen kann, wird nicht thematisiert

"Die Bundeswehr versucht, vor allem über Emotionen und kaum über Argumente an die Jugend anzudocken", sagte Vogel. Sie erschaffe dabei ein überwiegend positives Selbstimage: Die Bundeswehr solle als Ort rüberkommen, an dem sich junge, ehrgeizige, mitteleuropäische Männer und auch Frauen treffen, um Abenteuer zu erleben, ihre Kindheitsträume umzusetzen, außergewöhnliche Maschinen und Waffen bedienen zu lernen und fremde Länder zu bereisen, sagte Vogel. "Außerdem wird ihnen suggeriert, dass sie stets finanziell abgesichert und Teil einer großen Gemeinschaft seien."

Dass sich die Bundeswehr in ihrem Internetauftritt in ein vorteilhaftes Licht rücken möchte, ist verständlich. Seit 2011 die Wehrpflicht ausgesetzt wurde, ist sie verstärkt darauf angewiesen, Nachwuchs zu rekrutieren. Als Ziel hatte das Verteidigungsministerium jährlich 5000 bis 15.000 Freiwillige ausgegeben. Doch Kritikern stößt sauer auf, dass die Bundeswehr mit dem Risiko, in das sich junge Menschen im Einsatz begeben, öffentlich nicht transparenter umgeht - sondern Werbekampagnen schaltet wie manches Privatunternehmen.

Was auf Gefahren hinweise oder Angst auslösen könnte, wird auf der Jugendseite nach Ansicht von Vogel und Haberer nicht thematisiert. Waffen, Panzer und Kriegsschiffe sind zwar häufig abgebildet. Doch das, worauf sie im Einsatz zielen würden, sehe man nicht. Maschinen und Fahrzeuge seien ästhetisch inszeniert und oft schräg von unten fotografiert, um imposanter zu wirken. Sie strahlten dabei keine direkte Bedrohung aus, schreiben die Forscher. Militärische Dinge würden in den Alltag integriert - so können Schüler sich zum Beispiel Stundenpläne herunterladen, die im Hintergrund ein Eurofighter ziert.

Auf der Seite finden sich Fotos von Kameraden am Lagerfeuer und von Paraden auf Prachtstraßen. Die spärlichen Bilder aus den Krisengebieten zeigen zum Beispiel afghanische Kinder, die einen Bundeswehr-Soldaten anlachen. Es lassen sich Panzer-Poster bestellen, und im Forum wird über Kondition und Kampfsport diskutiert.

"Krieg" als vergangenes Ereignis

Worte wie "Traum", "Herausforderung", "abwechslungsreich" und "Kameradschaft" haben Vogel und Haberer auf der Seite sehr häufig gefunden, den Begriff "Krieg" hingegen seltener. Und wenn er auftauche, verweise er meist auf einen vergangenen Konflikt (Golfkrieg, Kalter Krieg, Zweiter Weltkrieg) oder auf Gegenstände (Kriegsbrücken, Kriegsschiffe).

"Man gewinnt auf der Seite leicht den Eindruck, das soldatische Leben sei vor allem geprägt von sportlichen Übungen, Gemeinschaftsleben, dem Bedienen und Reparieren von nichtalltäglichen Maschinen und - zugespitzt formuliert - der Realisierung der eigenen militärischen Karriere", resümiert Vogel.

Die Bundeswehr selbst sieht in der Aufmachung der Seite kein Problem. "Man kann Jugendlichen nicht zumuten, dass dort reale Einsatzbilder gezeigt werden", sagte Presseoffizier Guido Hedemann. Es gehe vielmehr erst einmal darum, das Interesse von Jugendlichen zu wecken. Dazu bedürfe es auch einer zielgruppengerechten Sprache. Wenn dann ein konkreter Arbeitsplatz in Frage kommen könnte, klärten Soldaten die Interessenten in Einzelgesprächen über mögliche Entbehrungen und Gefahren wie Tod und Verwundung auf.

Ginge es nach Vogel und Haberer, würde die Jugendseite der Bundeswehr junge Menschen von vornherein besser über das Leben beim Militär aufklären. "So ließe sich etwa über die Funktion der Bundeswehr im Rahmen internationaler Friedenstruppen diskutieren und die damit verbundenen Gefahren, Erfolg und Misserfolg", schlagen die Freiburger vor. Man könne auch kontrovers erklären, wie es zu den aktuellen Krisen auf der Welt gekommen ist - oder welche Schwierigkeiten entstehen, wenn Soldaten lange Zeit auf engem Raum zusammenleben. Da dürften manchem noch andere Schlagwörter einfallen als "Kameradschaft".

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