Klosterzimmern in Bayern: Hier ist die christliche Sekte "Zwölf Stämme" zu Hause
Foto: Daniel Karmann/ dpaIn den Fall der christlichen Sekte "Zwölf Stämme" im bayerischen Klosterzimmern ist Bewegung gekommen: Eine der Familien, denen im September das Sorgerecht entzogen worden war, ist wieder mit ihren Kindern vereint. Die Eltern hatten zuvor die urchristliche Glaubensgemeinschaft verlassen, berichtet der Bayerische Rundfunk.
Eines der beiden Kinder konnte demnach bereits Anfang März, das andere in den Osterferien zurück zu den Eltern, nachdem das Familiengericht im Rahmen der Hauptverhandlung so entschieden hatte. Die Eltern hätten sich als Aussteiger von der Prügelerziehung der "Zwölf Stämme" distanziert, sagte ein Sprecher des Gerichts. Über weitere Sorgerechtsfälle werde noch verhandelt, Entscheidungen könnten in den kommenden Wochen fallen.
Prügel als Erziehungskonzept
Nach Prügelvorwürfen waren im September 2013 rund 40 minderjährige Kinder der Glaubensgemeinschaft von Jugendamt und Polizei befreit und bei Pflegefamilien und in Heimen untergebracht worden. Immer wieder kam es zu juristischen Auseinandersetzungen zwischen den "Zwölf Stämmen" und dem Staat - nicht nur wegen der Schläge, sondern auch, weil die Eltern ihre Kinder nicht in öffentliche Schulen gehen ließen. Der Antrag der Gruppe, eine Privatschule einzurichten, wurde abgelehnt. Bereits 2004 waren sieben Väter wegen Missachtung der Schulpflicht zu Gefängnisstrafen verurteilt worden.
Dass Kinder in der Glaubensgemeinschaft körperlich gezüchtigt worden sind, hatten die Eltern nach BR-Angaben auch öffentlich eingeräumt und für ihr Erziehungskonzept geworben. Für Aufsehen sorgten heimlich gedrehte Filmaufnahmen, die zeigten, wie Kinder in einen dunklen Raum geführt und dann mit einer Rute verprügelt wurden.
Der Film war im Januar auch in einer Verhandlung vor dem Amtsgericht Nördlingen gezeigt worden. Dort wurde eine Mutter wegen Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten auf Bewährung und zu 180 Stunden gemeinnütziger Arbeit verurteilt. Eine zweite Mutter wurde zu 100 Stunden gemeinnütziger Arbeit und einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt, ebenfalls auf Bewährung.
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"Zwölf Stämme"-Eltern Klaus und Annette Schüle: 28 Kinder zählt die umstrittene urchristliche Gemeinschaft "Zwölf Stämme" zu ihren Mitgliedern. Seit Donnerstagmorgen befinden sie sich in der Obhut des Jugendamts. In einem Großeinsatz hatte die Polizei an zwei Standorten zusammen 40 Kinder aus den Gemeinschaften geholt. Mehr...
Großeinsatz in Bayern: Deswegen hat die Polizei am Donnerstagmorgen auch die 40 Kinder aus der umstrittenen Glaubensgemeinschaft geholt. Der Einsatz erfolgte an zwei verschiedenen Orten: 28 Kinder lebten auf dem Gut bei Deiningen (Foto), 12 weitere im Landkreis Ansbach. Mehr...
Feste Überzeugung: Anfang August fand ein Hoffest mit vielen Besuchern auf dem Gutshof statt. Deswegen haben die "Zwölf Stämme" eine Ausstellung mit Bildern vorbereitet, die ihre Weltsicht erklären.
Heimunterricht: Die Gemeinschaft lehnt staatliche Schulen ab, auch weil dort Sexualkunde und die Evolutionslehre unterrichtet wird.
Heimunterricht im Jahr 2002: Weil die Gemeinschaft sich öffentlichen Schulen verweigert, gab es immer wieder Streit.
Erzwingungshaft: Im Oktober 2004 hat die Polizei sieben Familienväter festgenommen. Dabei spielten sich seltsame Szenen ab. Mehr...
Hört auf euer Gewissen: Danach protestierten Mitglieder der Gemeinschaft gegen die Festnahme.
Hoffest im Kloster: Der RTL-"Extra"-Reporter Kuhnigk gibt an, er habe bei seinen Recherchen auch das geheime "Erziehungsbuch" der Sekte sichergestellt. Darin werde ausdrücklich auf körperlichen Schmerz als wesentlicher Bestandteil der Erziehung hingewiesen.
Religiöse Überzeugungen: Staatliche Schulen halten die Anhänger der Gemeinschaft für nicht mit ihrem Gewissen vereinbar.
Gut Klosterzimmern: Mehr als hundert Beamte waren allein in Deiningen im Einsatz. Um 6 Uhr morgens rückte die Polizei am Donnerstagmorgen an, um 9.30 Uhr war der Einsatz beendet.
Großeinsatz: Alle 40 Kinder waren zunächst in der Obhut der beiden Landratsämter und sollten später in Pflegefamilien und Heimen untergebracht werden. Das jüngste Kind ist erst sieben Monate alt.
Undercover-Rechercheur: Vor der Aktion hatte das Amtsgericht Nördlingen einen vorläufigen Sorgerechtsentzug angeordnet. Es habe "glaubwürdige, konkrete und verwertbare Informationen" bekommen, die belegen, dass das "körperliche und seelische Wohl der Kinder nachhaltig gefährdet sein könnte", teilte das Landratsamt Ansbach mit. Informant soll der Journalist Wolfram Kuhnigk sein. Er hat sich in die Sekte eingeschleust und mit versteckten Kameras gefilmt.
Gut Klosterzimmern von oben: "Wir sehen, wie kleine Kinder brutal mit Stöcken geschlagen werden, nicht nur von den Eltern. Und das Ganze geschieht eiskalt", so Kuhnigk. Seine Reportage wird am Montag, den 9. September, um 22.45 Uhr in der Sendung RTL extra ausgestrahlt.
Gemeinsamer Tanz: Idyllisch sieht es aus, dabei steht die urchristliche Gemeinschaft "Zwölf Stämme" schon lange unter dem Verdacht der Kindesmisshandlung. Laut Polizei wurden am Donnerstag auch Weidenruten sichergestellt.
Streng und gläubig: Zwei Mitglieder der "Zwölf Stämme" im bayerischen Deiningen, seit fast 15 Jahren leben einige Familien in dem Ort. Die Gemeinschaft wurde in den USA gegründet. Sie bauen Gemüse und Getreide an und halten Tiere. Die Frage, wie sie dort weitgehend abgeschottet von der modernen Welt ihre Kinder großziehen, beschäftigt das Jugendamt und die Staatsanwaltschaft Augsburg schon länger.
"Wir lieben unsere Kinder", sagen die Eltern Klaus und Annette Schüle. Der Reporter Kuhnigk sagt dazu: "Ich glaube den Eltern, wenn sie sagen, dass sie ihre Kinder lieben", sagt er. "Sie sind nur leider nicht in der Lage, sie zu schützen."
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