EU-Pläne
Krankenpfleger erst nach zwölf Schuljahren
Abitur für Krankenpfleger und Hebammen? Die EU-Kommission will für diese Berufe künftig zwölf Jahre Schulbildung vorschreiben. Das soll unbeliebte Pflegeberufe attraktiver machen. In den meisten Mitgliedsländern ist das zwar die Regel - doch die Regierung bleibt skeptisch.
Krankenschwestern im Einsatz: Stressiger Beruf, steigende Anforderungen
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Brüssel/Berlin - Wer Krankenpfleger oder Hebamme werden will, soll künftig in allen EU-Ländern zwölf Jahre lang zur Schule gehen - und damit zwei Jahre länger als bislang in Deutschland. Das sieht ein Reformvorschlag zur Anerkennung von Berufsqualifikationen vor, den die EU-Kommission vorstellte. Als Grund nennt die Kommission die gestiegenen beruflichen Anforderungen.
Nach Vorstellung der EU-Kommission sollen die Staaten die Zulassungsvoraussetzung für solche Pflegeberufe von zehn auf zwölf Jahre Schulausbildung anheben. In Deutschland steht nach zwölf Jahren in der Regel das Abitur. Eine vergleichbare Ausbildung soll allerdings auch anerkannt werden.
Nach EU-Angaben sind die zwölf Jahre schon heute in 24 Mitgliedsstaaten vorgeschrieben. Nur in zwei Ländern müssten die Regelungen geändert werden, nämlich in Deutschland und in Luxemburg. Auch in Österreich waren bisher zehn Jahre Schulausbildung genug, dort wird das System allerdings bereits umgestellt.
Die Idee dahinter: Pflegeberufe sollen aufgewertet, qualifizierteres Personal angeworben werden, auch um dem Pflegenotstand zu begegnen. Das begrüßt etwa der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe. Der Verband hofft allerdings, dass auch weiterhin der Zugang zum Beruf ohne Abitur möglich bleibe, zum Beispiel nach dem Besuch einer berufsvorbereitenden Fachschule. Wie genau die neue Brüsseler Regeln umgesetzt werden, hänge von der deutschen Politik ab, sagte Sprecherin Johanna Knüppel. Auch müssten die Arbeitsbedingungen attraktiver werden, damit sich mehr Menschen für die Pflegeberufe entscheiden.
Rösler: "Vorschlag wird Fachkräftemangel verschärfen"
Zunächst aber müssen dem Vorschlag der EU-Kommission das Europaparlament und der Ministerrat zustimmen, in dem die 27 EU-Regierungen vertreten sind. So könnte die neue Richtlinie frühestens Ende 2012 beschlossen werden.
Krankenpfleger und Hebammen müssten in Deutschland dann von 2015 an länger zur Schule gehen. Rückwirkend gelten die Vorschriften nicht: Wer bereits in den Berufen arbeitet, muss die Schuljahre nicht nachholen. Niemand müsse daher fürchten, wegen mangelnder Bildung den Job zu verlieren. Altenpfleger sind von den Plänen nicht betroffen.
Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP), kritisierte den Richtlinien-Entwurf der EU-Kommission: "Mit ihrem Vorschlag wird die Kommission den Fachkräftemangel in Deutschland verschärfen, statt ihn zu bekämpfen." Kritik kam auch von der CDU im Europaparlament. "Für Krankenpfleger und Hebammen etwa gibt es klare und bewährte Standards über die Ausbildungsdauer", sagte der CDU-Europaabgeordnete Andreas Schwab. "Die Kommission muss nachweisen, warum eine Aufstockung der Mindestausbildungsdauer auf zwölf Jahre notwendig sein soll."
Die SPD-Europaabgeordnete Evelyne Gebhardt unterstütze die Pläne hingegen. Das Recht jedes EU-Bürgers, in einem anderen EU-Land zu arbeiten, sei "die Antriebsfeder des europäischen Binnenmarkts. Häufig schränken Hürden diese Mobilität allerdings stark ein", sagte sie. Die neue Richtlinie zur Berufsanerkennung sei daher "notwendig, um das volle Potenzial des Binnenmarkts auszuschöpfen".
Bislang wechseln deutsche Krankenschwestern derzeit hauptsächlich nach Luxemburg und Österreich - also in EU-Länder mit ähnlichen Zulassungsvoraussetzungen. Die geplanten Reformen sollen für mehr Mobilität sorgen.