
"Fridays for Future": Jugendliche, die einfach nicht müde werden
"Fridays for Future" Übersteht die Bewegung das Sommerloch?
Auf ihre Sommerferien hat sich Franziska Wessel, 15, immer gefreut. Aber nicht in diesem Jahr. "Die Ferienzeit ist ein Problem", sagt die Berliner Gymnasiastin. Ein Problem für "Fridays for Future", die Schülerbewegung für den Klimaschutz, die Franziska Wessel mitaufgebaut hat. Denn Sommerferien heißt: Sommerpause.
Dabei lief es gerade so gut für die Aktivisten. Das Schuljahr, das gerade zu Ende geht oder schon zu Ende ist - es war das Jahr von "Fridays for Future", angefangen am 20. August 2018, als Greta Thunberg am ersten Schultag nach den schwedischen Sommerferien nicht zum Unterricht ging, sondern sich stattdessen vor das Parlament in Stockholm stellte. Im Arm das Schild: "Skolstrejk för Klimatet", Schulstreik für das Klima.
Tausende, Zehntausende, Hunderttausende Schüler und Studenten auf der ganzen Welt haben es ihr nachgemacht. Kinder und Jugendliche machten deutlich, dass sie Umweltpolitik nicht länger den Erwachsenen überlassen - sondern mitbestimmen wollen.
Freitag für Freitag schwänzten und demonstrierten sie, "Fridays for Future" wurde zur Massenbewegung. Bei den beiden weltweiten Klimastreiks am 15. März und 24. Mai gingen insgesamt weit über eine Million Menschen in mehr als 120 Staaten auf die Straße. Und am vorvergangenen Juni-Wochenende protestierten noch einmal Zehntausende deutsche "Fridays for Future"-Aktivisten in Aachen gegen die Braunkohle.
Jetzt aber droht vielerorts erst mal Stillstand, wochenlang. "Viele Leute sind im Urlaub", sagt Franziska Wessel. Und es gibt auch keinen Schulunterricht, den man bestreiken könnte.
Was wird nun aus "Fridays for Future"? Verlieren die Proteste in der Sommerpause ihr Momentum?
Der Protestforscher Peter Grottian ist überzeugt: "Fridays for Future" steht vor dem Niedergang. "Es spricht leider sehr viel dafür, dass dieser Protest in der Ferienzeit verkümmert", sagt der Professor emeritus der Freien Universität dem SPIEGEL. "Und es ist sehr zweifelhaft, ob er danach wieder auferstehen wird."
Beispiele gibt es massenhaft für Bewegungen, die schlagartig ihre Anhänger kaum noch mobilisieren können. "Occupy Wallstreet" etwa - oder auch "Pulse of Europe". Im Frühjahr 2017, nach dem Brexit und den EU-Ausstiegsdrohungen von Rechtsaußen in anderen Ländern, brachte die Pro-Europa-Bewegung Zehntausende Menschen in mehr als hundert Städten auf die Straße. Dann entschieden sich die Franzosen für Emmanuel Macron, gegen Marine Le Pen.
Und "Pulse of Europe" kamen die Demonstranten abhanden. Die Kundgebungen für Europa finden vielerorts nicht mehr wöchentlich statt, sondern nur noch monatlich. Wenn ein paar Hundert Leute kommen, gilt das heute schon als Erfolg.
"In Amerika sind die Jugendproteste gegen Waffenverkäufe und Amokläufe an Schulen in sich zusammen gefallen", sagt Grottian. "Ich fürchte, das passiert jetzt hier in Deutschland." "Fridays for Future" sei nicht breit genug aufgestellt; die Schüler hätten es versäumt, Studenten und Lehrer in großer Zahl mit ins Boot zu holen. Wenn denen im Herbst nicht etwas wirklich Neues einfällt", prophezeit Grottian, "wird das öffentliche Interesse fix nachlassen."
"Fridays for Future" - unter diesem Motto gehen Zehntausende Schülerinnen und Schüler in Deutschland seit Monaten auf die Straße, um sich für mehr Klimaschutz stark zu machen. Sie fordern politische Mitbestimmung, haben aber kein Wahlrecht. Welche Möglichkeiten haben Kinder und Jugendliche noch, wenn sie mitreden, mitentscheiden wollen? Was wollen sie anders machen als Erwachsene? Und auf welche Widerstände stoßen sie? Diesen Fragen geht der SPIEGEL in einer Themenwoche mit Reportagen, Berichten und Interviews nach. Hier geht's zu weiteren Artikeln.
Sommerferien als Chance für "Fridays for Future"?
Auch Moritz Sommer, Leiter der Geschäftsstelle des Instituts für Protest- und Bewegungsforschung, will dieses Szenario nicht ausschließen. Er sieht aber längst nicht so schwarz für "Fridays for Future": "Solche Bewegungen marginalisieren sich, wenn die Aktionen alltäglich werden, wenn es keine neuen Ideen gibt, wenn die Organisation nur um sich selbst kreist." Die Schüler hätten allerdings bisher viel Kreativität gezeigt. "Und die Sommerferien sind die Chance für 'Fridays for Future', sich neu aufzustellen und weitere Aktionen zu entwickeln."
Eben darum bereiten Franziska Wessel und andere führende Köpfe der Bewegung ein großes Event mitten in den Ferien vor: den "Fridays for Future"-Sommerkongress. Mindestens 1000 Klimaschützer sollen sich vom 31. Juli bis zum 4. August im Dortmunder Revierpark treffen. "Wir sind offen für alle jungen Menschen, das Höchstalter ist 28 ", sagt Mitorganisator Jakob Blasel. Die Stadt Dortmund stellt den Aktivisten große Zelte. Teilnehmer zahlen 40 Euro, der Rest der Kosten wird durch Spenden finanziert.

"Fridays for Future": Jugendliche, die einfach nicht müde werden
Der Kongress soll mehr bringen als bloß das Sommerloch zu überbrücken. Klimatologen, Ökonomen, Politiker und Aktivisten werden auftreten, vortragen, miteinander in Workshops diskutieren. "Wir haben auch Angela Merkel angefragt, aber die ist leider im Urlaub", sagt Blasel, der gerade sein Abitur mit einer Eins vor dem Komma bestanden hat.
Auf der Agenda stünden nicht nur Wissensvermittlung über Klimaschutz, sondern zum Beispiel auch Ideen, wie die innere Organisation von "Fridays for Future" gestaltet werden soll. Es geht um Brainstorming für neue Protestformen. Und die Vorbereitung des nächsten großen, globalen Klimastreiks. Den haben Greta Thunberg und die internationale "Fridays for Future"-Bewegung für den 20. September und die Tage danach ausgerufen. Dann sind die Ferien fast überall vorbei.
Aufruf zum Mitmachen
"Wichtig wäre, dass es den Schülerinnen und Schülern gelingt, den Protest auf andere Gesellschaftsgruppen auszuweiten", sagt Forscher Sommer. Sie müssen mehr erwachsene Mitstreiter gewinnen. Eben das ist das erklärte Ziel der Aktivisten. "Die Schulstreikenden rufen jeden auf: junge Leute, Eltern, Arbeiter und alle betroffenen Bürger, mitzumachen bei den großen Klimastreiks", schreiben sie auf ihrer Website. Die Schüler wissen genau, worauf es jetzt ankommt.
Franziska Wessel wird in Dortmund mit dabei sein und auch den großen Streik im September mitorganisieren. Es gibt viel zu tun. Dafür hat die 15-Jährige sogar ihren Urlaub geopfert. Sommerferien seien wunderschön, "Fridays for Future" ist wichtig.