Gerichtsurteil Frühpensionierter Lehrer muss zurück nach Hessen

Es ist ein kurioser Fall: Für den Unterricht in Hessen war ein Lehrer zu krank, heuerte aber nach der Frühpensionierung in der Schweiz an - dort fühlte er sich den Schul-Anforderungen gewachsen. Deutsche Teilrente plus Schweizer Lohn? Geht nicht, urteilten nun Kasseler Richter.

Ein angeblich dienstunfähiger Lehrer, der trotz hessischer Rente an einer Schweizer Schule jahrelang weiter unterrichtete, muss in den deutschen Schuldienst zurückkehren. Dies hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof (VGH) am Dienstag in Kassel entschieden.

"Nach Ermittlungen zu Art und Umfang des Unterrichtseinsatzes des Klägers an der schweizerischen Berufsschule, der Einholung eines Obergutachtens und den überzeugenden Erläuterungen des Gutachters" sei klar, dass der Mann dienstfähig sei, hieß es in der Urteilsbegründung (Aktenzeichen 1 A 1201/07).

Der inzwischen 57-jährige Lehrer fand es durchaus gerechtfertigt, eine gekürzte deutsche Beamtenpension und das Schulgehalt in der Schweiz zu kassieren: In der Schweiz seien die Unterrichtsbedingungen besser, deshalb könne er dort arbeiten.

Anonyme Briefe informierten das Schulamt

Die rechtlichen Auseinandersetzungen reichen schon viele Jahre zurück: 1998 hatte das zuständige Schulamt den zu 50 Prozent schwerbehinderten Studienrat aus dem Lahn-Dill-Kreis wegen einer psychischen Erkrankung in den Ruhestand versetzt. Er war damals 46 Jahre alt. Sein Nervenkostüm sei den Anforderungen des Schulalltags nicht mehr gewachsen, begründete ein Psychiater die Frühpensionierung.

Auf Anforderung des Schulamts untersuchte der Arzt ihn im März 2001 ein zweites Mal und stellte abermals fest, der Lehrer bleibe dienstunfähig. Das hinderte den Lehrer jedoch nicht daran, fünf Monate später eine Stelle an der Wirtschafts- und Kaderschule Bern anzunehmen. Er meldete das der deutschen Besoldungsstelle, die daraufhin seine Pension auf 370 Euro kürzte, also 20 Prozent seiner eigentlichen Pension von knapp 1900 Euro - so sieht es das Gesetz für erwerbstätige Pensionäre vor.

Das staatliche Schulamt in Weilburg erfuhr dagegen vom neuen Job zunächst nichts, bis zwei anonyme Briefe die alte Schule des Lehrers und das Schulamt erreichten: Jemand hatte per Zufall entdeckt, dass ein eigentlich dienstunfähiger Lehrer in der Schweiz wieder arbeiten konnte, und informierte den alten Arbeitgeber.

Die Schweiz als Schulparadies?

Das Schulamt fand prompt auf der Webseite der Berner Schule den Namen im Lehrerverzeichnis. War er plötzlich genesen? Das Schulamt wollte es wissen und lud ihn im März 2002 zur erneuten ärztlichen Untersuchung. Doch die Ärzte befanden den Fall für hoffnungslos, Besserung sei nicht in Sicht. Wenn der Lehrer in Hessen arbeite, käme es auf Dauer zu so hohen Leistungseinbußen, dass er pensioniert werden müsse, schrieben die Mediziner. Dass er in der Schweiz unterrichte, widerspreche dem nicht - dort lägen völlig andere Bedingungen vor.

Als er jedoch im Jahr 2003 erneut untersucht wurde - es war eine routinemäßige Überprüfung seiner Dienstunfähigkeit - kam der Arzt zu einem anderen Ergebnis: Der Lehrer sei sehr wohl arbeitsfähig. Das Schulamt berief ihn wieder in den Dienst, doch er klagte erfolgreich gegen den Bescheid. Das Verwaltungsgericht Gießen ließ einen Psychiater ein neues Gutachten schreiben, der sah die Erkrankung des Lehrers in direktem Zusammenhang mit seinen Erfahrungen an hessischen Schulen.

Viele Gutachten, langer Rechtsstreit - das Land Hessen ging in die Berufung und bekam nun Recht. Der Erste Senat des VGH holte Informationen über die Tätigkeit des Lehrers in der Schweiz ein und gab ein "Obergutachten" in Auftrag. Darin heißt es, der Kläger sei sowohl nach der Frühpensionierung als auch gegenwärtig dienstfähig. Eine Revision wurde nicht zugelassen, dagegen könnte der Lehrer noch Beschwerde einlegen, falls er weiter prozessieren will.

bim/dpa/AP

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