Gerichtsurteil Muslimische Mädchen müssen mitschwimmen

Gemischter Schwimmunterricht und Klassenfahrten - oft streiten muslimische Eltern mit Schulen über die Teilnahme ihrer Kinder. Ein Gericht entschied nun: Schulleiter von weiterführenden Schulen können das Einverständnis der Eltern zur Bedingung für die Aufnahme des Kindes machen.

Weiterführende Schulen dürfen die Aufnahme eines Kindes davon abhängig machen, dass die Eltern seiner Teilnahme am gemeinsamen Schwimmunterricht von Jungen und Mädchen zustimmen. Das hat der 19. Senat des Oberverwaltungsgerichts Münster für das Land Nordrhein-Westfalen in einem Eilverfahren entschieden.

Das Gericht lehnte deshalb eine nachträgliche Befreiung vom gemeinsamen Schwimmunterricht ab. Im konkreten Fall ging es um eine elfjährige muslimische Schülerin eines Gymnasiums in Düsseldorf. Im Aufnahmegespräch mit der Schulleiterin im Februar 2008 hatte die Mutter des Kindes sich schriftlich mit der Teilnahme ihrer Tochter am Schwimmunterricht und an mehrtägigen Klassenfahrten einverstanden erklärt.

Ein Jahr später hatten die Eltern jedoch aus religiösen Gründen die Befreiung ihrer Tochter vom Schwimmunterricht beantragt. Dies lehnte die Schulleiterin ab.

Einverständniserklärung kann nicht zurückgenommen werden

Das Oberverwaltungsgericht bestätigte jetzt die Entscheidung der Direktorin. Die Schülerin habe keinen Befeiungsanspruch, weil der Antrag ihrer Eltern gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoße: Er stehe im Widerspruch zur abgegebenen Einverständniserklärung.

Der Senat betonte, die Schulleitung dürfe die Aufnahme in das Gymnasium von einer solchen Einverständniserklärung abhängig machen, wenn diese dem Zweck diene, die Einhaltung des Schulprogramms zu gewährleisten. Sehe der Lehrplan einen gemeinsamen Schwimmunterricht für Jungen und Mädchen vor, sei dieser für alle Schülerinnen und Schüler verbindlich.

Die Richter wiesen ausdrücklich darauf hin, dass sich die Schule auch außerhalb des Schulprogramms mit den Eltern in einer Erziehungsvereinbarung auf gemeinsame Erziehungsziele und -grundsätze verständigen dürfe. Der Beschluss ist unanfechtbar. (Aktenzeichen: Oberverwaltungsgericht NRW 19 B 801/09).

Zehn Prozent nehmen nicht an Klassenfahrten teil

Nach einer aktuellen Studie, die von der Islamkonferenz in Auftrag gegeben worden ist, bleiben in Deutschland sieben Prozent der muslimischen Schülerinnen dem Schwimmunterricht von Jungen und Mädchen fern. Zehn Prozent nehmen der Erhebung zufolge nicht an Klassenfahrten teil.

Die Islamkonferenz will den Kontroversen um die Teilnahme muslimischer Schülerinnen am Sport- und Schwimmunterricht mit Konzepten der Konfliktvorbeugung begegnen, bisher landet ein solcher Streit nicht selten vor Gericht.

So hatte das Oberverwaltungsgericht Münster erst im Mai in einem anderen Fall entschieden, dass muslimische Mädchen im Grundschulalter grundsätzlich keinen Anspruch auf Befreiung vom gemischten Schwimmunterricht haben. Es sei ihnen zumutbar, eine den islamischen Bekleidungsvorschriften entsprechende Schwimmkleidung zu tragen.

Die Eltern des Mädchens hatten beim Schulamt vergeblich die Befreiung ihrer Tochter vom Schwimmunterricht beantragt. Sie erklärten, sie befürworteten eine strenge Auslegung des Korans. Diese gebiete ihnen, Kinder schon ab dem siebten Lebensjahr vor sexuellen Versuchungen zu bewahren.

Gerichte entschieden für die Teilnahmepflicht

Das Verwaltungsgericht hatte die Befreiung abgelehnt, weil die Tochter sich durch entsprechende Schwimmbekleidung vor den Blicken anderer schützen könne. Die Eltern hatten dagegen argumentiert, der Schwimmanzug sauge sich mit Wasser voll und behindere ihre Tochter beim Schwimmen. Außerdem stelle er eine zusätzliche Gefahr für Leib und Leben dar. Der Senat wies diese Einwände zurück - das Tragen eines sogenannten Burkini sei zumutbar, es sei in islamisch geprägten Ländern und auch in Europa nichts Ungewöhnliches mehr.

Ein Jahr zuvor hatte das Verwaltungsgericht ebenso entschieden, dass die Verpflichtung zur Teilnahme am Schwimmunterricht für ein muslimisches Mädchen zwar einen Eingriff in die Religionsfreiheit darstelle, der könne jedoch durch nicht körperbetonte Schwimmbekleidung stark reduziert werden. Der Erziehungsauftrag des Staates wiege damit schwerer als der Eingriff.

Die Eltern des damals zwölfjährigen Mädchens hatten religiöse Gewissensgründe ihrer Tochter für die geforderte Freistellung angeführt. Sie argumentierten, beim Schwimmen könne ihre Tochter nicht die islamische Kleiderordnung einhalten, die ihr aber gebiete, den Körper vor fremden Blicken zu schützen. Einen Vorschlag der Schulleiterin, das Mädchen könnte in T-Shirt und Leggings am Schwimmunterricht teilnehmen, hatten die Eltern abgelehnt - weil sich die nasse Kleidung um den Körper des Mädchens lege und damit die Konturen ihres Körpers zu sehen seien.

bim/AP
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