Grundschule in Bayern Rektorin ließ Schüler angeblich Hakenkreuze malen
Kulmbach, Bierstadt, fränkische Provinz - hier soll die Rektorin der Volks- und Hauptschule Burghaig den Kindern eine besondere Aufgabe gestellt haben: Die Grundschüler sollten im Unterricht Hakenkreuze malen. Diesen Vorwurf erhebt eine Mutter, und so stand es auch in der Zeitung.
Die Staatsanwaltschaft Bayreuth hat jetzt ein Ermittlungsverfahren gegen die Lehrerin eingeleitet, wegen der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. "Wir ermitteln seit gestern gegen die Schulleiterin", bestätigte Oberstaatsanwalt Thomas Janowsky am Dienstag SPIEGEL ONLINE.
Parallel ermittelt auch die Bezirksregierung von Oberfranken beamtenrechtlich gegen die 59-jährige Rektorin - offiziell wegen anderer Anschuldigungen von mehreren Eltern, die zum Teil länger zurückliegen. Nach Berichten verschiedener Zeitungen gab es massive Beschwerden über ungewöhnliche Unterrichtsmethoden: Demnach sollten Kinder, die auf dem Hof oder in den Gängen tobten, zur Strafe auf einem roten Punkt auf dem Schulhof stehen. Eltern berichteten auch, die Kinder hätten sich in der Pause nicht frei bewegen und nur klassenweise die Toiletten benutzen dürfen.
Der Grundschüler, der seiner Mutter zufolge Hakenkreuze zeichnen sollte, habe von der umstrittenen Lehrerin außerdem die Aufgabe erhalten, "arische" und "nichtarische" Kinder zu malen, sagte die Mutter der Münchner Tageszeitung "tz". Zudem habe ihr Sohn sie bei der Heimkehr aus der Schule mit "Heil Hitler!" gegrüßt. Einer Erstklässlerin, die einem Klassenkameraden einen Kuss auf die Wange gegeben habe, sei als Sanktion eine rote Karte um den Hals gehängt worden sein, sagte eine weitere Mutter.
"Und wenn ich die Tür zunagele"
Diese Vorwürfe gingen im August schriftlich beim Schulamt des Landkreises Kulmbach ein, so Andrea Weustink, Sprecherin der Bezirksregierung. "Mehrere Eltern haben sich gemeinsam an das Schulamt Kulmbach gewandt", sagte Weustink SPIEGEL ONLINE. Sie seien "mit den pädagogischen Methoden" nicht einverstanden gewesen, die jetzt auch in den Medien bekannt geworden sind.
"Die Lehrerin wird derzeit nicht eingesetzt und ist nicht in der Schule", so Weustink weiter. Das Verhältnis zwischen der Direktorin und den Eltern sei "sehr belastet" gewesen, auch zwischen Schulleitung und Lehrern. Darum sollte die Direktorin als Lehrerin an eine Schule in der benachbarten Gemeinde Burgkunstadt versetzt werden. Von diesem Plan werden nun abgesehen. Weustink sagte aber auch, man dürfe die Rektorin "nicht vorverurteilen".
Der Bürgermeister von Burgkunstadt, Heinz Petterich, hatte in der Vorwoche aus den lokalen Medien erfahren, dass die Frau die Leitung der Hauptschule in seiner Gemeinde übernehmen soll. "Ich habe den Behörden gesagt, dass ich mich dagegen wehre, und wenn ich die Tür zunagele", so Petterich am Dienstag. Er habe auch mit Hausverbot gedroht. Der Bürgermeister sagte weiter, Vorwürfe gegen die Lehrerin geben es seit über 20 Jahren. Am Montag letzter Woche habe sich die Rektorin dann krank gemeldet, erst eine Woche später - am letzten Ferientag - sei gestern die Versetzung durch die Regierung von Oberfranken aufgehoben worden.
Der Hakenkreuzvorwurf, den eine Mutter offenbar an die Presse gegeben hat, bezieht sich auf eine Kinderzeichnung, die auf das Blatt eines Lektüretextes gemalt ist: Braun gekleidete Männer, auf deren Brust "SS" steht, daneben ein Hakenkreuz und der Schriftzug "Heil Hitler" sind auf dem Bild über dem Text mit dem Titel "Judith und Lisa" zu sehen. Das Foto wurde von der Münchner "tz" veröffentlicht.
Kultusministerium prüft die Beschwerden
Falls dieses Bild tatsächlich die Lektüre der Schulkinder zeigt, könnten die Hakenkreuze auch einen inhaltlichen Bezug zum Unterricht haben. "Judith und Lisa" ist ein Bilderbuch, das Kindern ab sechs Jahren die Judenverfolgung in der Nazizeit am Beispiel von zwei Grundschulfreundinnen erklären soll: Judith, ein jüdisches Mädchen mit braunen Zöpfen und dunklen Augen, wird während des Dritten Reichs von der Lehrerin schikaniert. Sie muss allein sitzen, die Kinder hänseln das "Judenmädchen". Ihre deutsche Freundin Lisa, blond und blauäugig, steht zu Judith. Im Bilderbuch wird die Nazi-Ideologie auf wenig Text reduziert, darin enthalten sind der "deutsche Gruß" und die antijüdischen Rassenlehre der Nazis - aber mit dem klaren erzieherischen Anspruch, vor dem Nationalsozialismus zu warnen.
Hier könnte also auch ein pädagogischer Versuch missglückt sein. Genauer kennen Vorwürfe und Vorgeschichte wohl das Kollegium der Schule und der zuständige Schulamtsdirektor Helmut Scherer. Hier waren die Beschwerden der Eltern im August eingegangen. An der Schule wollte sich niemand zu den Anschuldigungen gegen die Rektorin äußern, die Sekretärin verwies auf das Schulamt.
Schulamtsleiter Scherer wollte auf Anfrage von SPIEGEL ONLINE allerdings keine Auskunft geben und verwies wieder zurück an die Bezirksregierung. Die Schulleiterin war am Dienstag für SPIEGEL ONLINE nicht zu erreichen. Dass gegen sie eine Dienstaufsichtsbeschwerde läuft, bestätigte das bayerische Kultusministerium. "Wir werden das sehr genau untersuchen", sagte ein Sprecher am Dienstag. "Wenn sich die Verdachtsmomente erhärten, wird sie keinen Unterricht mehr halten."
cht/ddp/dpa