Chaos vor Hamburger Schulen "Elterntaxis sind eine Gefahr für Kinder"

In Hamburg kontrolliert die Polizei Eltern, die ihre Kinder mit dem Auto zur Schule fahren. Ulf Schröder, Leiter der Verkehrsdirektion, versucht sich in Aufklärung vor Ort - und erlebt chaotische Szenen.
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Zur Person
Foto: Polizei Hamburg

Ulf Schröder, 56, ist Leiter der Verkehrsdirektionen bei der Polizei Hamburg. In dieser Position leitet er auch die Einsätze der Hamburger Verkehrspolizisten. Schröder ist selbst Vater dreier Kinder - die den Schulweg ab der ersten Klasse allein zurücklegten.

SPIEGEL ONLINE: Herr Schröder, momentan kontrolliert die Hamburger Polizei Elterntaxis an insgesamt zehn Schulen der Stadt. Wollen Sie die Taxis verbieten?

Schröder: Nein, das dürfen und wollen wir auch gar nicht. In Hamburg ist es aber inzwischen so, dass ein Drittel der Kinder mit dem Auto zur Schule gebracht wird, eine eher beunruhigende Entwicklung. Wir wollen mit unserer Aktion die Eltern über die Gefahren aufklären, die das mit sich bringt, und die selbstständige und sichere Teilnahme der Kinder am Straßenverkehr fördern.

SPIEGEL ONLINE: Aber die Eltern argumentieren doch häufig mit der größeren Sicherheit für ihre Kinder. Was sollen das denn für Gefahren sein?

Schröder: Anfang der Woche war ich an einer Schule im Hamburger Stadtteil Lurup, da konnte man das sehr gut beobachten. Die Schule liegt an einer schmalen Straße, am Morgen parken die Eltern mit ihren Fahrzeugen dort die Fahrbahn voll. Das führte zu einem Verkehrschaos, bei welchem die Kinder zwischen den parkenden Autos hervor auf die Straße liefen. Die sogenannten Elterntaxis werden damit eine Gefahr für die Kinder.

SPIEGEL ONLINE: Die Eltern gefährden also ihre Kinder, statt sie zu schützen?

Schröder: Im Einzelfall schon. Die Gleichung "Mit dem Auto zur Schule gleich sicher zur Schule" geht auf keinen Fall auf, das zeigt auch die Verkehrsunfallstatistik. Immer mehr Kinder verunglücken, während sie zum Beispiel als Beifahrer im Auto sitzen. Gleichzeitig sinken die Unfallzahlen für diejenigen, die sich aktiv im Straßenverkehr bewegen - also etwa zu Fuß zur Schule gehen.

SPIEGEL ONLINE: Überzeugt dieses Argument auch die Eltern?

Schröder: Viele zeigen Verständnis, man muss aber davon ausgehen, dass Einsicht manchmal nur vorgetäuscht wird. Unser wichtigstes Argument ist es aber, dass Kinder nirgendwo besser als auf dem Schulweg lernen, sich selbstständig und sicher im Straßenverkehr zu bewegen. Das geht nur, wenn sie sich aktiv am Straßenverkehr beteiligen.

SPIEGEL ONLINE: Wie reagieren die Eltern, wenn Sie sie an der Schule ansprechen?

Schröder: Die meisten bleiben freundlich. Häufig hören wir die Erklärung: Ja, eigentlich geht mein Kind ja zu Fuß zur Schule. Aber gerade heute ist meine Frau krank geworden, da habe ich unseren Sohn auf dem Weg zur Arbeit mit dem Auto mitgenommen. In seltenen Fällen sind Eltern auch mal aufgebracht und fragen, ob wir ihnen das Autofahren verbieten wollen - was selbstverständlich nicht der Fall ist.

SPIEGEL ONLINE: Haben Sie auch die Möglichkeit, mit härteren Maßnahmen durchzugreifen?

Schröder: Sogenannte Elterntaxis sind schon seit Jahren ein Problem, und es wird eher schlimmer, das bestätigt auch die Schulbehörde. Die Bequemlichkeit vieler Menschen nimmt zu. Wenn wir feststellen, dass es trotz unserer Appelle weiterhin zum Verkehrsverstößen vor bestimmten Schulen kommt, die die Sicherheit der Kinder beeinträchtigen, können wir natürlich Ordnungswidrigkeiten verhängen. Das haben wir in der Vergangenheit auch schon getan.

SPIEGEL ONLINE: Was halten Sie von dem Vorschlag, Elternparkplätze in der Nähe der Schulen einzurichten?

Schröder: Das entspräche nicht unserem Ziel, dass die Kinder zu Fuß gehen und dadurch lernen, sich sicher im Straßenverkehr zu bewegen.

SPIEGEL ONLINE: Gibt es auch gute Gründe dafür, das Kind zur Schule zu fahren?

Schröder: Klar, wenn der Weg tatsächlich weit ist. Und jedem kann es passieren, dass man mal verschläft. Aber auch dann empfehlen wir, das Kind ein paar hundert Meter von der Schule entfernt aussteigen zu lassen.

SPIEGEL ONLINE: Ab wann sollte ein Kind allein zur Schule gehen?

Schröder: Theoretisch ist schon ein Erstklässler dazu in der Lage. Das hängt aber natürlich von vielen Faktoren ab. Hier in Hamburg haben wir das Privileg, dass jedes Kind in der Schule mit einem Polizeiverkehrslehrer lernt, sich richtig im Straßenverkehr zu verhalten. Wenn die Eltern dann auch noch gemeinsam mit dem Kind den besten und sichersten Schulweg aussuchen und ihn immer wieder üben, sind die Kinder schnell fit. Eine Begleitung bis zum Schultor brauchen die wenigsten länger als für ein paar Wochen.

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