Debatte über Verbot in Frankreich "Bei uns hatten alle immer das Handy an"

Frankreich will Smartphones an Schulen verbieten. Kann es so eine Regelung auch in Deutschland geben? Und wie sind die Erfahrungen mit dem bayerischen "Gerätegebot"?
Ein Handy in der Schule

Ein Handy in der Schule

Foto: Sebastian Kahnert/ picture alliance / dpa

Sie daddeln, spielen und leider mobben sie manchmal auch online - wenn Schüler zum Handy greifen, dann bekommen sie vom Unterricht nicht mehr viel mit. So ist es auf den ersten Blick verständlich, dass Frankreich nun ein weitreichendes Handyverbot an Schulen beschlossen hat.

Geräte wie Handys, Tablets oder Smartwatches sind damit an fast allen französischen Schulen verboten; die Gymnasien können das noch selbst entscheiden. Ein Traum für alle, denen das Getippe und Gewische an der Schule schon lange ein Ärgernis war.

Doch wäre so ein Totalverbot auch in Deutschland denkbar? In einem deutschen Bundesland gibt es etwas Ähnliches bereits seit 2006, in Bayern. Allerdings: Die Geräte dürfen mitgebracht werden, sie müssen jedoch ausgeschaltet im Schulranzen bleiben. So eine Regelung gilt in Frankreich bisher auch, seit 2010.

Recherche auf dem Smartphone ist auch in Bayern möglich

Ausnahmen durch den jeweiligen Lehrer sind in Bayern möglich. Damit bleibt den Schulen durchaus Gestaltungsspielraum. Zum Beispiel kann ein Lehrer die Schüler ermuntern, eine Frage auf ihrem Smartphone zu recherchieren - schließlich ist der Umgang mit Medien ja auch ein Bildungsthema.

Das bayerische Kultusministerium selbst spricht daher von einem "Handy-Gebot statt Handy-Verbot" . Was aber vielleicht auch daran liegt, dass es im Freistaat immer wieder Bestrebungen gibt, die Regeln zu lockern. Und zwar nicht nur von Schülern und Eltern, sondern auch von Lehrern selbst. Viele halten ein Verbot grundsätzlich für einen rückständigen Umgang mit den digitalen Möglichkeiten: Damit vermittele man kaum einen verantwortungsvollen Umgang mit der Technik.

"Bei uns hatten praktisch immer alle das Handy an", berichtet eine Abiturientin aus dem Landkreis Neu-Ulm. Im Ranzen falle das ja nicht auf. "Dumm ist nur, wer sich erwischen lässt." In der Mittelstufe hätten es viele cool gefunden, das Verbot zu unterlaufen und während des Unterrichts Onlinespiele zu zocken. In der Oberstufe sei die Einsicht größer gewesen, dass das Handy in der meisten Zeit des Unterrichts nicht hilfreich ist.

So funktioniert die Abschreckung

Ob sich Schüler an das bayerische Verbot halten, hängt stark von der Umsetzung in der jeweiligen Schule ab. Das bayerische Schulgesetz erlaubt, die Geräte einzubehalten. Oft müssen sie beim Schulleiter abgeholt werden, Standpauke inklusive. Manche Schulen händigen es erst einen Tag später wieder aus, je nach Fall müssen dafür sogar die Eltern in die Schule kommen. Das wirkt für viele abschreckend.

Bayerisches Schulgesetz
Foto: Peter Kneffel/ dpa

Im Bayerischen Erziehungs- und Unterrichtsgesetz heißt es in Artikel 56: "Im Schulgebäude und auf dem Schulgelände sind Mobilfunktelefone und sonstige digitale Speichermedien, die nicht zu Unterrichtszwecken verwendet werden, auszuschalten. Die unterrichtende oder die außerhalb des Unterrichts Aufsicht führende Lehrkraft kann Ausnahmen gestatten.

Ein Münchener Oberstufenschüler erzählt, dass es sogar Eltern gibt, die extra in ihrer Mittagspause in die Schule fahren, damit ihr Sprössling schnellstmöglich wieder online ist. Andere hätten Angst, ihren Eltern zu sagen, dass sie gegen die Handy-Regel verstoßen haben.

Der Vorsitzende der Dachorganisation der Landeselternvertretungen, Stephan Wassmuth, sieht es von zwei Seiten. "Handys stören den Unterricht, da müssen wir uns nichts vormachen." Die Schulen seien technisch aber noch nicht gut genug ausgerüstet, um ganz auf Mobiltelefone zu verzichten.

"Steinzeitliche Ausstattung"

Deutsche Schulen hätten größtenteils noch "steinzeitliche Ausstattungen", so auch der Verband Bildung und Erziehung (VBE). Lehrer müssten daher auf die Mittel zurückgreifen, die Schüler mitbrächten. Dabei sei wichtig, dass es klare Regelungen gebe, wann und zu welchem Zweck Handys eingesetzt werden dürften.

Überhaupt kann in Deutschland so etwas nicht bundesweit geregelt werden wie jetzt in Frankreich. Bildung ist Ländersache - und die meisten Länder sehen das Thema in der Verantwortung der einzelnen Schulen. "Unsere Schulen können das - eingebunden in ihr digitales Konzept - eigenverantwortlich regeln", sagt etwa Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien (CDU). In der Mehrzahl der Länder gibt es kein direktes Handyverbot im Unterricht. Oft wird die exzessive Nutzung jedoch so behandelt wie jede andere Störung des Unterrichts auch.

Ob ein Lehrer dann das Handy wirklich einziehen darf - da ist die Kultusministerkonferenz (KMK) vorsichtig und empfiehlt, das Gerät am Ende des Schultags zurückzugeben. Eine Durchsuchung der Schüler sei auf keinen Fall erlaubt.

Bayerns Schulen sollen im kommenden Schuljahr neue Möglichkeiten der privaten Handynutzung testen. Dann sollen Lehrer, Schulleiter und Schüler gemeinsam mit dem bayerischen Kultusminister Bernd Sibler (CSU) über neue Regeln beraten.

Mit Material von dpa

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Textes wurde Neu-Ulm mit Ulm verwechselt. Der Fehler wurde korrigiert.

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren