Web-Hilfe für Jugendliche Mail mir Mut!

Sie haben Post: Das Projekt U25 hilft verzweifelten Jugendlichen anonym im Internet
Foto: dpa"Ich will nicht mehr" - diesen Satz liest Mona häufiger, manchmal sehr direkt, manchmal verpackt in Zeilen voller Selbstzweifel, trauriger Gedanken und Aufzählungen von Schicksalsschlägen.
Wer der blonden Abiturientin aus Hamburg eine E-Mail schreibt, weiß oft keinen anderen Ausweg mehr. Zusammen mit anderen extra geschulten Jugendlichen, den Peer-Beratern, hilft sie beim Onlineprojekt U25 Gleichaltrigen bei der Bewältigung von Lebenskrisen.
Das Prinzip ist einfach: Jugendliche bis 25 Jahre können sich auf der Projekt-Website www.u25-deutschland.de anonym anmelden und ihre Sorgen in digitaler Form hinterlassen. Eine E-Mail-Adresse und ein Nickname reichen dafür aus. "Eine Mail zu schreiben fällt meistens leichter, als sich an den Schulsozialarbeiter oder einen Psychologen zu wenden. Die Kommunikation im Internet ist den meisten einfach vertrauter", erklärt die Hamburger Projektleiterin Nina von Ohlen. Innerhalb von sieben Tagen erhalten sie eine Antwort auf ihren digitalen Hilferuf. Die Projektleiter lesen zur Absicherung alle Mails vor dem Abschicken noch einmal durch.
Die Nachfrage ist groß, bis zu 2000 Mails bekommen die einzelnen Projektstellen im Jahr. Neben Hamburg gibt es U25 auch in Berlin, Dresden, Gelsenkirchen und Freiburg. Heute gibt es bundesweit 92 junge Krisenberater, elf davon in Hamburg.
U25 ersetzt keinen Psychologen
Als Konkurrenz oder gleichwertige Alternative zu einer psychologischen Beratung versteht sich das Projekt jedoch nicht. "Es ist wichtig, dass sich die gefährdeten Jugendlichen überhaupt jemandem mitteilen. Manchmal sind wir auch eine Art Türöffner für eine richtige Therapie", erklärt von Ohlen. Die Aufgabe der Peer-Berater besteht deshalb in erster Linie aus Zuhören und Nachfragen. Konkrete Ratschläge gibt es selten. "Ich gebe mir Mühe, die geschilderten Probleme so gut wie möglich zu verstehen. Ich frage viel nach und manchmal erzähle ich auch von ähnlichen Erfahrungen", sagt Mona.
Genau darin liegt der große Vorteil: Mona und ihre Kollegen sind im gleichen Alter wie die Hilfesuchenden und können besser nachempfinden, wie man sich nach der Trennung von der ersten großen Liebe fühlt oder was es bedeutet, sehr stark an sich selbst zu zweifeln. Bei ihnen können die Hilfesuchenden offen über ihre Sorgen sprechen. Denn: Die Freunde will man mit seinen düsteren Gedanken nicht belasten. Eltern und Lehrer scheiden meistens schon kategorisch aus, und die Hemmschwelle für den Gang zum Psychologen ist hoch.
Die Pubertät ist ein kritischer Punkt
Laut Caritas begehen jährlich etwa 10.000 Menschen Selbstmord. Bei 13- bis 19-Jährigen ist das inzwischen die zweithäufigste Todesursache nach Verkehrsunfällen. Gerade die Pubertät ist ein kritischer Punkt, an dem viele junge Menschen über das Sterben nachdenken. Die Gründe für einen Suizid sind ganz unterschiedlich. Psychische Erkrankungen spielen genauso eine Rolle wie Liebeskummer oder Schulangst. Manchmal sind es auch traumatische Erfahrungen wie Gewalt, sexueller Missbrauch oder der Tod eines geliebten Menschen.
Um für schwierige Themen wie Suizid oder auch Essstörungen und Selbstverletzung gut gewappnet zu sein, werden die Mitarbeiter bei U25 über sechs Monate lang gründlich ausgebildet. "Wir sprechen über psychiatrische Krankheitsbilder wie Borderline und Depression. Außerdem gibt es eine Einführung in die Methoden der psychologischen Beratung", erklärt von Ohlen. Auch das Schreiben von E-Mails wird anhand von fiktiven oder älteren Fällen geübt.
Die enge Begleitung der Arbeit geht auch nach der Ausbildung weiter. In Hamburg treffen sich die Ehrenamtlichen alle zwei Wochen zu einer Gesprächsrunde. "Ich stehe natürlich immer für Fragen zur Verfügung. Die Peer-Berater tauschen sich zudem untereinander gut aus", sagt die Pädagogin. Das ist auch wichtig: Wenn der Mail-Kontakt für Tage abbricht oder wenn die Andeutungen immer konkreter werden, ist die Rücksprache sehr wichtig. "In solchen Momenten grübelt man schon länger", sagt Mona.
Nach dem Abitur möchte sie trotzdem dabeibleiben, vielleicht sogar Soziale Arbeit studieren. "Ich habe das Gefühl, dass ich hier wirklich Menschen helfen kann. Und das tut gut."
Von Birk Grüling für das Jugendmagazin "Yaez"