Sommerwetter Der Hitzefrei-Erfinder

Robert Bosse war Jurist, Verbindungsstudent, Beamter. Und er gab den preußischen Schülern im Sommer 1892 erstmals Hitzefrei. Welche Regeln damals galten - und wann heute die Schule ausfällt.
Julius Robert Bosse, 1832 - 1901: "Auch bei geringerer Temperatur ist eine Kürzung der Unterrichtszeit notwendig"

Julius Robert Bosse, 1832 - 1901: "Auch bei geringerer Temperatur ist eine Kürzung der Unterrichtszeit notwendig"

Foto: Alamy Stock Photo

Im März war Julius Robert Bosse Kultusminister geworden, schon fünf Monate später legte er einen Erlass vor, der die Schulen verändern sollte. "Wenn das hundertteilige Thermometer um 10 Uhr vormittags im Schatten 25 Grad zeigt, darf der Schulunterricht in keinem Falle über vier aufeinanderfolgende Stunden ausgedehnt und ebensowenig darf den Kindern an solchen Tagen ein zweimaliger Gang zur Schule zugemutet werden", ließ Bosse am 24. August 1892 per preußischem Ministerialerlass verkünden, "auch bei geringerer Temperatur ist eine Kürzung der Unterrichtszeit notwendig, wenn die Schulzimmer zu niedrig oder zu eng bzw. die Schulklassen überfüllt sind."

Bosse, Sohn eines Schnapsbrenners aus dem Harz, hatte in Halle, Heidelberg und Berlin Jura studiert und danach etliche Posten in der preußischen Verwaltung durchlaufen. Er war Corpsmitglied bei der Suevia Heidelberg und bei der Palaiomarchia in Halle, engagierte sich bei der Entwicklung von Bismarcks Gesetzen zur Arbeiterversicherung und als Vorsitzender der Kommission für das neue Bürgerliche Gesetzbuch, das 1891 entstand. Ein Jahr später wurde Bosse Kultusminister - den Job behielt er bis 1899.

Die Regelungen zum Hitzefrei, die Robert Bosse gleich zu Beginn seiner Amtszeit durchsetzte, wirken bis heute nach - auch wenn es längst keine einheitliche Regelung mehr für alle Schulen in Deutschland gibt. "Die Hitzefrei-Regelungen sind Ländersache, zum Teil sind die Schulleiter für die Entscheidung verantwortlich", sagt Torsten Heil, Sprecher der Kultusministerkonferenz (KMK).

Die heutigen Hitzefrei-Regeln gehen auf einen preußischen Erlass von 1892 zurück

Die heutigen Hitzefrei-Regeln gehen auf einen preußischen Erlass von 1892 zurück

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Sebastian Kahnert/ picture alliance / dpa

Angesichts der hohen Temperaturen, die für Deutschland in den kommenden Tagen vorausgesagt werden, haben erste Schulen bereits reagiert. So haben mehrere Grundschulen in Bremen angekündigt, am Dienstag und Mittwoch den Unterricht um 12 Uhr zu beenden. Das berichtet Radio Bremen . "Da es in den Klassenräumen wärmer als 25 Grad war, haben wir uns zu diesem Schritt entschlossen", sagte eine Schulleiterin dem Sender am Montag.

Auch in Nordrhein-Westfalen gab es schon zu Beginn der Woche die ersten sommerbedingten Unterrichtsausfälle, wie Eltern bei Twitter meldeten.

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Da sich die Regelungen von Bundesland zu Bundesland unterscheiden, lohnt sich für Schüler und Lehrer ein Blick ins jeweilige Schulgesetz oder in die Sammlung mit den Erlassen des zuständigen Ministeriums.

So gilt etwa in Nordrhein-Westfalen laut Vorschrift des Schulministeriums eine "Raumtemperatur von mehr als 27 Grad Celsius" als Anhaltspunkt dafür, dass die Schule hitzefrei geben darf. Geregelt ist allerdings auch, dass der Unterricht bei unter 25 Grad auf keinen Fall ausfallen darf.

Außerdem dürfen jüngere Schüler bis zur sechsten Klasse nur nach Absprache mit den Eltern nach Hause geschickt werden - und in der Oberstufe gibt es gar kein Hitzefrei mehr.

Letztlich, heißt es in den Kultusministerien der Länder, komme es immer auf die spezielle Situation vor Ort an. Denn je nach Standort und Gebäudeart können die Temperaturen in den Klassen stark voneinander abweichen. Das betont auch das Kultusministerium in Baden-Württemberg.

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Landesweite Regelungen will das Stuttgarter Ministerium nicht erlassen, es gibt den Schulen aber Hinweise an die Hand, wie sie mit hohen Temperaturen umgehen sollten:

  • Wenn die Außentemperatur um 11 Uhr vormittags mindestens 25 Grad Celsius im Schatten beträgt, sollte die Schule reagieren.
  • Hitzefrei könne es frühestens nach der vierten Stunde geben.
  • Benachbarte Schulen sollen sich abstimmen und möglichst einheitlich entscheiden.
  • Schüler, die auf Busse angewiesen sind, müssen auch bei Hitzefrei so lange beaufsichtigt werden, bis ihre Transportmöglichkeit zur Verfügung steht.
  • Berufsschüler und Gymnasiasten der Oberstufe sind von den Regeln ausgeschlossen.

Verantwortlich seien letztlich die Schulleiter, stellt das Ministerium fest: "Entscheidend ist dabei das körperliche Wohl der Schüler unter Berücksichtigung der konkreten örtlichen Verhältnisse."

Auch in Sachsen liegt die Entscheidung allein bei den Schulleitungen.

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"Eine Regelung, wonach für 'hitzefrei' eine bestimmte Temperatur (im Schatten) zu einer bestimmten Uhrzeit notwendig wäre, gibt es nicht", stellt das zuständige Staatsministerium in einer Erklärung fest.

Außerdem gebe es neben dem kompletten Unterrichtsausfall auch andere Möglichkeiten: verkürzte Stunden oder verlängerte Pausen. Möglich sei auch Unterricht im Freien oder der Gang in den Wald oder ins Schwimmbad.

Eine Option, die wohl auch dem preußischen Kultusminister Robert Bosse gefallen hätte. Der hatte 1892 in seinem Erlass geschrieben: "Es bleibt zu erwägen, ob bei Schulen, welche geräumige, schattige Spielplätze haben, unter Umständen der lehrplanmäßige Unterricht durch Jugendspiele unterbrochen werden kann."

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