Hype um Laura Dekker Runter vom Schiff, rein in den Rummel

Hype um Laura Dekker: Runter vom Schiff, rein in den Rummel
Foto: Jerry Lampen/ dpaDen ersten Schritt an Land muss sie zwei Mal machen - ein Fotograf hat den Moment verpasst, in dem Laura Dekker zum jüngsten Menschen wurde, der allein um die Welt segelte. Sie guckt den Mann an, als habe er sie gebeten, einen Salto zu schlagen. Ihr Blick fragt: Was soll das? Aber sie tut ihm den Gefallen. Das alles nervt sie, die Kameras, die Fragen, die Inszenierung.
Schon am Vormittag, als sie noch auf die Simpson Bay von Sint Maarten zusteuerte, musste sie ihre Geschwindigkeit drosseln, damit sie nicht zu früh ankommt und die Vorbereitungen für ihre Willkommensparty stört. Anderthalb Jahre konnte sie tun, was sie wollte, eine Jugendliche allein auf Weltreise, jetzt holt der Zwang sie ein.
Sie steht auf dem Steg des Yachtclubs, braun gebrannt, kurze Jeans, schwarzes Shirt, und weiß nicht so richtig, wohin sie gucken soll. Vor 366 Tagen war sie hier losgesegelt, vor über 500 Tagen startete sie in Gibraltar. Ursprünglich sollte dort auch ihr großer Törn enden, aber sie fürchtete die Piraten vor Somalia und änderte ihren Kurs: Anstatt durch den Golf von Aden und den Suez-Kanal zu steuern, segelte sie um die Südspitze Afrikas herum, überquerte noch einmal den Atlantik und beendete ihre Weltreise jetzt in der Karibik. Im Clubhaus jubeln einige Dutzend Menschen, vielleicht 150, manche sind extra angereist. Eine Erzieherin, um die 60, aus Breda in den Niederlanden hat für Laura Schokolade gekauft, im besten Laden der Stadt. Sie hat dem Mädchen eine Karte geschrieben, mit einem bunten Pfau drauf: "Du kannst sehr stolz auf Dich sein." Ihr Mann filmt und fotografiert. Sie kennen Laura nicht persönlich, aber sie wollen dabei sein, wenn die berühmteste Jugendliche des Landes ankommt.

Das Problem ist nur, dass Laura Dekker gar keine Lust hat, berühmt zu sein. Auf dem Steg drängen sich Journalisten aus den USA, Frankreich, den Niederlanden. Reporter von Lokalsendern und Zeitungen aus Sint Maarten ärgern sich, dass "nur die weißen Medien" so nah an das Segelmädchen heran dürfen.
Die örtliche Sport- und Jugendministerin hält eine Rede, umarmt Laura, die Kinder der Segeljugend drücken ihr Blumen in die Hand. Aus Castingshows ist man gewohnt, dass sich 16-Jährige erniedrigen lassen für ein kleines bisschen Ruhm. Laura Dekker aber will nur so viel von sich preisgeben wie unbedingt nötig.
Was hat sie erlebt auf ihrer großen Reise, was hat sie beeindruckt?
Ich sah eine Menge Wasser, sagt Laura, und Delphine.
Was hat sie gelernt?
Eine Menge übers Segeln, sagt Laura.
Was hat sie jetzt vor?
Weiß nicht, sagt Laura, ausruhen, duschen, frisches Obst essen.
Nach der Aufregung vor ihrer Abreise, den Gerichtsterminen, der Begutachtung durch Kinderpsychologen, dem Streit ums Sorgerecht und nach der Verzweiflung, weil die Behörden ihr die Reise erst nicht erlauben wollten - nach all dem haben Laura Dekker und ihre Familie genug. Großeltern, Eltern und die Schwester haben sich zwar rote Polohemden angezogen, auf denen "Laura" steht und die Internetadresse einer kleinen Werft, die zu den Sponsoren gehört.
Familie verweigert Interviews
Sie haben ein paar Fotografen mitgenommen, als sie ihr in einem 4000-PS-Schnellboot entgegenfuhren. Sie machen den Rummel zwar mit, aber nur ein bisschen; Interviews geben sie keine. Zu groß sind Misstrauen und Schmerz, den frühere Berichte hinterlassen haben.
Nah herangekommen an Laura ist jedoch Jillian Schlesinger, 27, Werbefilm-Macherin aus New York, so nah wie kaum ein anderer. Sie las von dem Segelmädchen in der "New York Times", eine kleine Meldung nur. Doch sie sah die Geschichte und entschied: Ich drehe eine Dokumentation, selbst finanziert, und toure damit zu Filmfestivals. Neun Mal hat Schlesinger Laura bei ihrer Weltumrundung getroffen, zuletzt in Kapstadt.
Nach Sint Maarten ist sie mit zwei Freundinnen gekommen, die Lauras Ankunft aus verschiedenen Perspektiven drehen. Die Filmemacherin und der Teenager vertrauen einander; über die Jahre wuchs etwas wie Freundschaft, so jedenfalls sieht es Schlesinger. "Even keeled" sei Laura, ein ausgeglichenes Mädchen, das nicht schwankt und ruhig seinen Kurs hält, das einfach nur segeln wollte und sich wundert über das Interesse an ihr.
"Dieses verklemmte Land"
Der Manager von Laura sieht das natürlich anders. Sie wolle ein Vorbild sein für junge Leute, jemand, der sich einen Traum erfüllt hat und an sich glaubt. Sein Job ist es zwar einerseits, Laura abzuschirmen, andererseits muss er ihren Namen zur Marke machen und sie im Gespräch halten. Als die damals noch jüngste Weltumseglerin Jessica Watson vor einem Dreivierteljahr in Sydney einlief, jubelten Tausende, sie lief über einen 100-Meter rosafarbenen Teppich, der Premierminister erklärte sie zur "neusten australischen Heldin". Das ist die Messlatte.
Laura jedoch mag es lieber unaufgeregt. Selbst ihr Zorn auf die Behörden zuhause muss irgendwo über Bord gegangen sein. Während ihrer Reise sagte sie einmal: "Dieses verklemmte Land hat versucht, mich fertig zu machen, deshalb werde ich auch nie wieder dorthin zurückkehren."
Jetzt sagt sie, sie wolle die Schule fertig machen, vielleicht in den Niederlanden, vielleicht wo anders, nichts sei sicher. Sie will erstmal abtauchen und geht mit ihrer Familie wieder an Bord ihres Zweimasters "Guppy", Pommes essen und ein Sandwich.