Spon-Leser zur Leseschwäche von Grundschülern "Damit man sich mit den Blagen nicht selbst beschäftigen muss"

Hunderte Kommentare auf Facebook und Dutzende Seiten im Forum: Die Ergebnisse der Grundschul-Lese-Untersuchung beschäftigen die Leser von SPIEGEL ONLINE sehr. Eine Auswahl der Vorschläge und Kritik.
Erst- und Zweitklässler beim Lesen

Erst- und Zweitklässler beim Lesen

Foto: Arne Dedert/ picture alliance / Arne Dedert/d

Fast jeder fünfte Viertklässler in Deutschland kann nicht richtig lesen, zeigt die neue Iglu-Studie. Woran das liegt und was man dagegen tun kann, dazu haben auch die SPIEGEL-ONLINE-Leser eine klare Meinung. Im Leser-Forum, bei Facebook und auf Twitter wird heftig diskutiert.

Didaktik - Was die Schulen tun sollen

Kinder lernen in der Schule lesen. Doch wie ihnen das Abc am besten beigebracht wird, darüber gehen die Meinungen auseinander. Zunehmend in Verruf gerät die sogenannte Reichen-Methode, auch "Lesen durch Schreiben" oder "Schreiben nach Gehör" genannt. Auch die SPIEGEL-ONLINE-Leser geben dem Konzept eine Mitschuld an der Lese-Misere. Dabei ist die Methode bereits auf dem Rückzug, wie Leser "peterpahn" korrekt anmerkt:

"Ein richtiger Schritt ist die Abschaffung des sog. Schreibens nach Gehör, wie es meines Wissens nach etliche Bundesländer jetzt endlich beschlossen haben, denn für das Gehirn ist es unendlich viel schwerer, einmal Gelerntes zu korrigieren, statt bloß etwas Neues (direkt richtig) zu lernen."

Leser "Sepp1966" sagt dazu aus eigener Erfahrung:

"Ich habe zwei Töchter, 8 und 12 Jahre alt. Die ältere sollte so schreiben, wie sie die Worte verstand. Die Lehrerin sagte, das sei ein neues Konzept, richtig schreiben lernt man später. Die jüngere Tochter hatte eine Grundschullehrerin, die jede Woche Listen mit acht bis zehn sogenannten Lernwörtern verteilte. Diese Worte mussten so lange schriftlich geübt werden, bis die Rechtschreibung saß. Nun rate mal jeder, wer heute keine Probleme mit Rechtschreibung hat."

Der Einfluss der (digitalen) Medien - Sind Handys und TV schuld?

Ein Reflex herrscht auch bei vielen SPIEGEL-ONLINE-Lesern vor:

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Dieser Meinung schließt sich unter vielen anderen Andreas Mitterhofer auf Facebook an:

"Danke, liebe Eltern, dass man den Kindern schon in der Grundschule ein Smartphone, eine Spielekonsole und dazu noch ein Tablet zum Daddeln kauft, damit man sich mit den Blagen nicht selbst beschäftigen muss. Bücher bleiben auf der Strecke, genauso wie die Erziehung."

Nutzer "almeo" widerspricht im Forum entschieden:

"Das ist ein Vorurteil, welches schlicht falsch ist. Natürlich muss Mediennutzung kontrolliert geschehen, aber im Kern sorgen genau diese Medien (Fernsehen, PC, Handy) dafür, dass unsere Kinder bedeutend (!) intelligenter sind als Kinder aus der 'guten, alten Zeit'."

Und "chritian-h" ergänzt:

"Es kommt nicht auf das Medium an, sondern auf den Inhalt. Wissenssendungen für Kinder (z.B. 'Wissen macht Ah', 'Willi wills wissen'...) halte ich nicht für etwas Schlechtes, genau wie Spiele und Apps, bei denen Kinder etwas lernen können (Mathe-, Deutsch-, Naturwissenschafts-Apps)."

Lesen zu Hause - Die Verantwortung der Eltern

Sind also die Eltern schuld? Schließlich sind Vorbilder für Kinder wichtig, das ist auch beim Lesen so. Facebook-Nutzer Kevin Kaut kommentiert deshalb:

"Ich bin bis heute schockiert, wenn ich bei Familien zu Gast bin, in denen es kaum Bücher gibt. Mein Elternhaus gleicht eher einer Bibliothek, ich hielt es für normal, dass in Wohn-, Schlaf- und Arbeitszimmer mindestens eine Wand vollständig durch Bücherregale belegt wird."

So einfach sei die Schlussfolgerung nicht, kritisiert hingegen Leserin "dolledern" im Forum:

"Es stört mich, dass von der Menge meiner Bücher auf das Bildungsniveau geschlossen wird. Bei meiner Tochter bekamen wir gerade einen Fragebogen. Nirgends wurde abgefragt, ob wir regelmäßig in die Leihbücherei gehen. Das tun wir. Es entsteht also nicht automatisch ein Verhältnis zwischen lesen können und der Menge der Bücher im Haus."

Soziale Schieflage - Ein Blick auf die Gesellschaft

In Deutschland gibt es keine Chancengleichheit, das belegen Bildungsstudien seit Jahren. Die Leistungen der Kinder hängen demnach stark von ihrem Elternhaus ab, ihrer Herkunft und ihrem Bildungsgrad. Auf diesen Umstand weisen auch die SPIEGEL-ONLINE-Leser hin.

Im Forum kommentiert "hugotheKing":

"Erkennt bitte, dass es hierzulande Menschen gibt, die trotz Jobs - ja manche Menschen müssen sogar mehrere Jobs annehmen - immer noch ganz schlecht über die Runden kommen. Wie sollen dann deren Kinder mit Büchern, Nachhilfeunterricht, Vereinsgebühren versorgt werden? Die soziale Schieflage in diesem Lande ist der Hauptgrund der Bildungsmisere."

Facebook-Nutzer Hans Braumann kommentiert:

"Wir haben halt das Problem, dass bildungsferne Familien ihre Kinder nicht hinreichend unterstützen können. Nur, die Gesellschaft kann es sich gar nicht leisten, das Potenzial, das auch Kinder aus bildungsfernen Bereichen nun einmal haben, nicht zu nutzen. Daher müssen Ganztagsangebote her, die helfen können, das Problem zu mindern. Und die Klassen müssen deutlich kleiner werden."

Viele Leser beschäftigt auch der Reformeifer der Politik, der in den unterschiedlichen Bundesländern ständig neue, offenbar nicht sonderlich durchdachte Maßnahmen hervorbringt. Nutzer "nemo" plädiert in diesem Zusammenhang für eine genaue Analyse des Problems, bevor weitere Schritte folgen.

"Offenbar darf jeder im Bildungsbereich eigene Theorien entwickeln, wie zu lehren und lernen ist, aber wirkliche wissenschaftliche Analyse fehlt. Obwohl es sich aufdrängen sollte, dass vor Behandeln des Problems die genaue Analyse kommen muss. Zu wenig Bildung bei den Ausbildenden?"

sun/mav
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