Leistungsvergleich Schüler dreier Ostländer sind die großen Verlierer

2012 gehörten sie noch zur Spitzengruppe - jetzt sind vor allem in Brandenburg die Schülerleistungen beim zweiten IQB-Bildungsvergleich dramatisch gesunken. Vor allem Mathe bereitet den Neuntklässlern Probleme.
Schülerin im Matheunterricht

Schülerin im Matheunterricht

Foto: Stock4B/ Getty Images

Fast ein Viertel der Neuntklässler in Deutschland erreicht die Mindestanforderungen im Fach Mathematik nicht. Das geht aus dem IQB-Bildungstrend 2018  hervor, der am Freitag in Berlin vorgestellt wurde. Die Wissenschaftler am Institut für Qualitätsentwicklung (IQB) haben mit der Studie von der Förderschule bis zum Gymnasium die Kompetenzen der Neuntklässler in den Fächern Mathe und Naturwissenschaften erhoben.

In Biologie, Physik und Chemie ist es um die Leistung der Neuntklässler etwas besser bestellt. Hier verfehlen aber immer noch zwischen gut fünf (Biologie) und knapp 17 Prozent (Chemie) der Schüler die Mindestanforderungen.

Die Ergebnisse unterscheiden sich zwischen den Bundesländern teils erheblich: Während in Bremen über 40 Prozent der Neuntklässler an den Mindestanforderungen in Mathematik scheitert, sind es in Sachsen nur 14 Prozent. In Biologie, Physik und Chemie muss Berlin als Schlusslicht herhalten, noch hinter Bremen und Hamburg. Den ersten Platz im Vergleich der Bundesländer sicherte sich hingegen Bayern, ganz knapp vor Sachsen.

Die Ergebnisse sind allerdings mit Vorsicht zu interpretieren.

  • Erstens richten sich die Standards nach den Kompetenzen, die die Schüler für den Mittleren Schulabschluss brauchen. Getestet wird aber bereits in der neunten Klasse, also ein Jahr vor dem Abschluss. Dem IQB-Bildungstrend zufolge sähen die Testergebnisse in der zehnten Klasse etwas besser aus: In Mathe würde die Zahl derjenigen, die die Mindeststandards erreichen, um zwölf Prozentpunkte steigen, in den Naturwissenschaften gäbe es Verbesserungen zwischen ein und fünf Prozentpunkten.
  • Zweitens machen im Bereich Mathematik auch Schüler mit, die den Hauptschulabschluss anstreben und die im Test abgefragten Kompetenzen nicht alle benötigen. Der Anteil der Hauptschüler in Deutschland ist deutlich gesunken und lag 2018 bei gut vier Prozent. Die Schülerschaft mit sonderpädagogischem Förderbedarf ist hingegen etwas gestiegen, ihr Anteil liegt deutschlandweit bei 6,4 Prozent.

Studienleiterin Petra Stanat stört noch etwas anderes bei der Auswertung des Tests: "Das ist hier kein Wettbewerb", sagte sie bei der Vorstellung der Ergebnisse. Sie halte nichts von Länderrankings. Stattdessen fordert Stanat, weniger auf die Momentaufnahme zu schauen als auf die Entwicklung der Länder in den vergangenen Jahren.

Dafür zieht sie die Daten vom ersten IQB-Ländervergleich aus dem Jahr 2012 heran. Aus dieser Sicht sind nicht mehr die Stadtstaaten die Problemkinder unter den 16 Bundesländern, sondern Brandenburg - obwohl das Land im direkten Vergleich mit den Bundesländern durchschnittliche Ergebnisse erzielt.

Abfall beim Regelstandard in Mathe

Denn ein Blick zurück ins Jahr 2012 zeigt: Die Zahl der Brandenburger Schüler, die in Mathe den Regelstandard erreichen, ist laut IQB um über zehn Prozentpunkte gesunken. Auch in den Naturwissenschaften haben weniger Schüler die Regelstandards erreicht. Beim Fachwissen in Biologie und Chemie ist der Anteil in Brandenburg sogar um mehr als 15 Prozentpunkte zurückgegangen.

In Mathe ist der Trend zudem in Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein rückläufig. Auch hier haben sich die Neuntklässler im Vergleich zur ersten Studie von 2012 verschlechtert.

In den Naturwissenschaften haben neben Brandenburg insbesondere Sachsen-Anhalt und Thüringen Kompetenzen bei ihren Schülern eingebüßt. Die Zahl der Schüler, die den Regelstandard erreicht, ist deutlich gesunken. Abstriche müssen zudem Rheinland-Pfalz, das Saarland und Schleswig-Holstein verzeichnen. Sachsens Schüler haben sich zumindest in Biologie und Chemie etwas verschlechtert.

Mehr zur Studie

Positive Entwicklungen gibt es hingegen kaum. Einzig die Neuntklässler in Bayern und Nordrhein-Westfalen haben sich in Biologie signifikant verbessert. Beim Erreichen der Regelstandards gibt es hier ein Plus von fünf Prozentpunkten. Die Schüler in Bayern können zudem im Fach Physik noch knapp fünf Prozentpunkte gutmachen.

Mehr Verlierer als Gewinner

Insgesamt gibt es also deutlich mehr Verlierer als Gewinner beim aktuellen Bildungstrend - was auf den ersten Blick aus der Statistik nicht ersichtlich wird: "Die wenigen positiven Länder" hielten dank ihrer Größe "den Trend deutschlandweit stabil", sagt IQB-Chefin Stanat.

Jetzt sei es an den Verantwortlichen in den Bundesländern, die Ergebnisse vor dem Hintergrund ihres jeweiligen Bildungssystems und der Zusammensetzung der Schüler zu interpretieren, so Stanat. Erste aufkommende Thesen weist Stanat zurück: Weder der Lehrermangel noch die Flüchtlingskinder könnten für die Entwicklung verantwortlich gemacht werden.

Zwar sei der Anteil der Neuntklässler mit Zuwanderungsgeschichte im Vergleich zu 2012 um fast sieben Prozent auf knapp 34 Prozent gestiegen. Das spiele in Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Thüringen - den Ländern also, die sich besonders verschlechtert haben - jedoch kaum eine Rolle. Der Anteil der Schüler, bei denen mindestens ein Elternteil im Ausland geboren sei, liege hier weit unter dem Bundesdurchschnitt bei nur zehn bis 13 Prozent.

Gymnasien sacken ab

Auch die Entwicklung an den Gymnasien spricht laut der Studie gegen diesen Zusammenhang: Die Schüler seien im Vergleich zur vorhergehenden Studie fast in allen Bundesländern schlechter geworden. Die Zusammensetzung der Gymnasiasten habe sich aber nicht verändert.

Die fehlenden Lehrkräfte spiegelten sich laut der Studie auch noch nicht in den Daten für die Ostbundesländer wider. Stanat kann es deshalb kaum erwarten, mit den Bildungsverantwortlichen in Brandenburg ins Gespräch zu kommen.

In einer Hinsicht könnte Brandenburg übrigens punkten: In keinem anderen Bundesland hängt der Bildungserfolg so wenig mit dem Elternhaus zusammen wie hier. Denn deutschlandweit gilt nach wie vor, dass Schüler aus Haushalten mit hohem sozioökonomischen Status bessere Leistungen erzielen. Das ist auch in Brandenburg noch so. Aber das Bundesland konnte diesen Zusammenhang als einziges deutlich verringern.

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