Nach Deutschland und Frankreich ist auch in Italien die
Diskussion um die Religionsfreiheit in der Schule voll entbrannt.
Begonnen hat die Aufregung dort mit dem Urteilsspruch eines Richters
in der mittelitalienischen Stadt L'Aquila: Mario Montanaro
entschied, dass in einer Volksschule das Kreuz aus den Klassen
entfernt werden müsse. Geklagt hatte der Präsident der Muslimischen
Union Italiens (UMI), Adel Smith, der das christliche Symbol nicht
länger in den Unterrichtsräumen seiner Kinder sehen wollte.
Die Reaktion fast aller Regierungs- und Oppositionsparteien war
gewaltig. Sie kritisierten den Richter heftig und beschuldigten ihn,
einen Religionskrieg anzetteln zu wollen. Im Auftrag des
Bildungsministeriums wurde Einspruch gegen das umstrittene
Richterurteil eingelegt und die sofortige Aufhebung des Beschlusses
gefordert.
Das Kruzifix in der Volksschule in Ofena, in der Smiths Kinder
unterrichtet werden, ist noch an seinem Platz. Aufgebrachte Eltern
demonstrierten auf dem Schulhof, auf dem unübersehbar ein riesiges
Kreuz aufgestellt wurde. Einige Medien sahen sogar einen islamischen
Feldzug gegen die Christenheit.
Die Kinder von Smith gehen mittlerweile nicht mehr in die Schule;
der Vater ist enttäuscht. "Ich führe keinen Kampf gegen das Kreuz
als religiöses Symbol, sondern gegen den Missbrauch dieses Symbols",
erklärte Smith, "in Italien leben elf Millionen Atheisten, die das Kreuz ablehnen." Er verwies auf Umfragen, denen zufolge die Hälfte der Italiener gegen das Kruzifix in Schulen und
Ämtern ist.
Papst Johannes Paul II. sieht einen wachsenden Verlust der
religiösen Werte und Symbole und will sich dem Trend
entgegenstellen. Den Ländern der Europäischen Union legte er nahe,
ihre christlichen Wurzeln bei der Bearbeitung einer neuen
gemeinsamen Verfassung nicht zu vergessen. "Die Identität der
Christenheit hat in dem Kreuz eines seiner wichtigsten Symbole",
erklärte er.
Auch für Bildungsministerin Letizia Moratti ist das Kreuz Symbol
italienischer Geschichte. Der Journalist Eugenio Scalfari sieht das
allerdings anders. "Das Kreuz ist doch nicht gleichzusetzen mit
unserer Tricolore", schrieb Scalfari in einem Artikel der
Zeitschrift "Espresso". "Wenn in unserem Land eine gesunde
Laien-Bewegung existieren würde, hätten wir gar nichts zum Abhängen
gehabt, weil es keine Kreuze in den öffentlichen Ämtern geben
würde."