Judiths Geschichte(n) Geständnisse einer Manga-Süchtigen
"Zeichnen ist meine Sucht. Wenn ich einen Stift in die Finger kriege, muss ich sofort herumkritzeln, als würde sich meine Hand verselbstständigen. Mit 13 Jahren fing das an: Da habe ich Manga-Comics für mich entdeckt. Diese schönen, unwirklichen Wesen mit den übergroßen, blanken Bambi-Augen haben mich magisch angezogen. So etwas wollte ich auch zeichnen. Ich begann, meine ersten Figuren zu entwerfen.
Als ich dann vor drei Jahren den Zeichenwettbewerb des Carlsen Verlags gewann, wurde mein Hobby zum Beruf. Seitdem denke ich mir Comics aus, zeichne sie und schicke sie dem Verlag per E-Mail. Die Geschichten erscheinen als fortlaufende Serie in dem Manga-Mädchenmagazin "Daisuki" und einmal im Jahr als Taschenbuch.
Alle 30 Tage liefere ich ein Kapitel mit rund 30 Seiten. Das heißt für mich, dass ich mindestens eine Seite mit bis zu sechs Kästchen am Tag schaffen muss. Wenn eine Geschichte beendet ist, beginnt die Arbeit an den Taschenbüchern. Manche Bilder, die im Magazin in Farbe erschienen sind, gestalte ich dann noch mal neu in Schwarz-Weiß.
Für die einzelnen Folgen schreibe ich Rechnungen an den Verlag. Mein Honorar ist gut. Wäre ich ganz auf mich allein gestellt, könnte ich schon davon leben. Nur für die Uni bleibt mir wenig Zeit. Momentan bin ich in Essen im Fach Biologie eingeschrieben, aber ich gehe nie zu Vorlesungen. Ich wohne noch bei meinen Eltern, wo ich mindestens neun Stunden am Tag in meinem Zimmer über den Comics brüte.
Detailarbeit mit zahllosen Kniffen
Als erstes fertige ich die "Outlines" an, ganz klassisch mit Stift und Papier. Dabei versuche ich, durch Kleinigkeiten den stark stilisierten Manga-Figuren mehr Individualität einzuhauchen. Die Augen male ich nicht immer nur rund, sondern auch mal katzenförmiger, die Nasen nicht nur stupsig, auch mal länglich oder knubbelig.

Beruf Mangaka: Judith Parks Werke
Immer wieder etwas Neues zu entwerfen, ist nicht so einfach, denn die Fans haben ihre festen Vorstellungen: Manga-Figuren sollen immer schön bleiben, sie dürfen nicht hässlich werden - das macht diesen Stil ja aus. Früher, als ich die Comics nur gelesen habe, ist mir selbst nie aufgefallen, wie ähnlich die Figuren und ihre Gesichter im Grunde alle aussehen. Als Leserin hatte mir gereicht, dass jede Figur eine andere Frisur trug. Als Zeichnerin bin ich heute anspruchsvoller.
Für die Arbeit mit Stift und Papier brauche ich etwa zwei Stunden. Dann scanne ich die Einzelbilder in meinen Computer ein und koloriere sie mit Hilfe eines Graphiktabletts nach. Das ist eine kleine Tafel, die auf dem Tisch vor meinem Computer liegt und mit dem Rechner verbunden ist. Auf ihr lenke ich einen Stift hin und her wie eine Maus. Aus einem speziellen Bearbeitungsprogramm wähle ich die einzelnen Farbtöne aus- um Haare blond oder braun auszumalen, weiße Farbe als Glanzlichter in einzelne Strähnen zu tupfen. Oder ein Hosenbein, das Falten wirft, in zarten Abstufungen zu schattieren.
Das hört sich jetzt easy an, aber das ist es nicht. Das Kolorieren einer einzelnen Figur dauert bis zu sechs Stunden: Man braucht viel Gefühl für die Farben, um sie harmonisch auszuwählen und ihre Abstufungen so einzusetzen, dass es ästhetisch und authentisch zugleich aussieht.
Wenn meine Bilder nur in Schwarz-Weiß gedruckt werden, darf ich auch nicht einfach so drauflos malen - ein wirklich guter Manga-Comic folgt ganz bestimmten Regeln. Spannung erzeugt man zum Beispiel am effektivsten durch große Bilder, etwa Gesichter in Großaufnahme. Und wenn Action angesagt ist, müssen die Kästchen des Comic-Strips schräg angeschnitten sein. Alle Kniffe aufzuzählen wäre hier echt zu viel; es gibt so viele Regeln, dass es für abendfüllende Manga-Kurse reicht.
Im Designstudium abgelehnt
Ich liebe meine Arbeit. Ich brauche nur einen einzigen Tag nicht zu zeichnen, und schon fehlt mir was, dann habe ich voll die Unruhe in mir. Aber es ist eine schöne Unruhe - und genauso muss das sein, wenn man Erfolg haben will. Deshalb macht es mir auch nichts aus, ab und zu mal eine Nachtschicht einzuschieben, besonders, wenn eine Abgabe drängt. Das ist natürlich total anstrengend. Ich zeichne dann unter Hochdruck, und manchmal kann nicht alles so präzise werden, wie ich es gerne hätte. Notfalls muss ich das Aussehen der Figuren reduzieren, aber ohne, dass es den Lesefluss stört - das musste ich auch erst lernen.
Nachtschichten sind ein einsames Geschäft. Ich höre dann am liebsten entspannende Musik wie R'n'B. Oder Musik, die mich wach hält, wie House und Poplieder - je nachdem, was für eine Stimmung meine Zeichnungen gerade vermitteln sollen. Oder ich lasse nebenher eine DVD mit meiner Lieblingsserie "King Of Queens" laufen. Manche Szenen inspirieren mich, aber die meisten meiner Geschichten gucke ich mir aus dem Alltag ab. Ich habe zum Beispiel einen Kumpel, der hat einfach kein Glück bei Mädchen: Davon handelt mein neues Buch "Ysquare".
Als Manga-Zeichnerin braucht man Ehrgeiz und Entschlossenheit. Ich glaube, das habe ich. Aber manchmal zweifle ich auch an mir. Letztes Jahr habe ich mich in Essen für Kommunikationsdesign und Kunst auf Lehramt beworben. Einige Monate, nachdem ich meine Mappe eingereicht hatte, rief mich meine Mutter auf dem Handy an, als ich gerade im Zug unterwegs war nach Erlangen zu einer Signierstunde im "Comic-Salon". Meine Mutter las mir den Bescheid von der Uni vor - man hatte mich abgelehnt. Das war ein bitterer Schlag.
Aber ich gebe nicht auf, niemals. Nächstes Jahr will ich mich in einer Animationsschule in Köln bewerben, in der Disney-Zeichner als Dozenten lehren. Ich hoffe, es klappt, damit ich mal so erfolgreich werde wie meine Vorbilder Tim Burton oder Jamie Hewlett, der Zeichner der "Gorillaz"-Videos.
Irgendwann will ich ein Storyboard für einen Kinofilm entwerfen. Das ist mein nächster großer Traum."
Aufgezeichnet von Almut Steinecke