Junge Programmierer Algorithmen am Strand Kaliforniens
Für Christof Doll ist mit 19 Jahren gerade ein Traum in Erfüllung gegangen. Er ist in Kalifornien. Dort, wo alle hin wollen, die wie er später einmal viel Geld mit dem Internet verdienen möchten.
Seine Leidenschaft für Bits und Bytes entwickelte sich früh. Mit zehn Jahren wurde es Christof Doll zu langweilig, nur mit Lego zu spielen. Also setzte er sich an den Computer. Aber statt wie seine Freunde stundenlang zu daddeln, wollte er verstehen, wie Computer funktionieren. Er entwickelte erste kleine Programme und erweckte Spiele wie "Mensch ärgere dich nicht" am PC zum Leben. Und wahrscheinlich dachte er, das sei für einen Zehnjährigen eine völlig normale Freizeitbeschäftigung.
Heute ist er 19 Jahre alt und er weiß: Normal ist das nicht.
Auch zum Abitur gilt Christof Doll als Ausnahmetalent - darum sitzt er heute auf dem Balkon eines Hauses in Santa Cruz, einer kalifornischen Stadt an der Pazifikküste. Die Sonne brennt schon vormittags mit 25 Grad vom Himmel, Christof trägt Shorts, Flipflops und seinen Laptop auf dem Schoß. Er ist nicht der einzige deutsche Jugendliche hier: Hinter dem Balkon klappern elf weitere junge Programmierer von 19 bis 26 Jahren mit ihren Tastaturen. Sie alle haben vordere Plätze beim deutschen Informatikwettbewerb belegt und viel Programmiererfahrung. Sie sind die Elite des deutschen Computernachwuchses.
Sie sind in Santa Cruz, weil die vor drei Jahren gegründete Web-Community Miaplaza sie eingeladen hat, um ihre Plattform weiterzuentwickeln. "Bei Internet-Firmen sind Jugendliche oft die erfolgreichsten Programmierer. Deshalb ist es normal, dass wir junge Leute in unsere Arbeit integrieren", sagt Firmenchef Johannes Ziegler. Seine Community existiert seit 2005 in Deutschland und den USA. Die jungen deutschen Gäste sollen helfen, eine Plattform für Schüler und eine weitere zur Organisation von Partys entwickeln.
Gehirnsturm auf dem Balkon
Nordkalifornien ist dafür ein idealer Ort: Tausende Technologieunternehmen sind hier vertreten. Weltumspannende Firmen wie Google, Apple oder eBay haben ihren Hauptsitz im Silicon Valley südlich von San Francisco und dort ganze Städte für die Mitarbeiter errichtet.
Die Miaplaza-Leute müssen da etwas bescheidener sein: Für die zwölf jungen deutschen Entwickler hat das deutsche Unternehmen eine Villa in Santa Cruz gemietet. Und dort wird nicht nur gearbeitet. "Neben dem konzentrierten Arbeiten feiern wir abends auch schon mal", sagt Christoph Flake, 20. Das Wichtigste beim Programmieren sei, dass "man im Team, aber auch selbständig arbeiten kann".
Wenn der Chef entscheidet, es sei Zeit fürs Brainstorming in der Gruppe, wird es eng: Alle drängen sich dann auf dem kleinen Balkon und zeigen auf eine mit Formeln übersäte Tafel. "Die Nachbarn haben uns bisher noch nicht gefragt, was wir hier machen. Nur ein paar Mädchen kamen mal vorbei und wollten wissen, was die Laptops auf dem Balkon sollen", erzählt Christof Doll.
Die meiste Zeit sitzt er jedoch mit den Kollegen konzentriert um einen Tisch herum und starrt auf den Monitor. Dahinter türmen sich Berge von Lebensmittelverpackungen. Die Küche liegt direkt neben dem Raum, in dem ein Stück neue virtuelle Welt entsteht.
Morgens um zehn Uhr schälen sich die Jungs aus dem Bett, fahren zu Müsli und Kaffee schon die Laptops hoch und checken ihre E-Mails. Doch bis zum Nachmittag arbeitet keiner. Am Strand erholt sich das Team von den Strapazen der letzten Nacht. Denn ab nachmittags wird oft bis tief in die Nacht hinein gearbeitet. "Es wäre sinnlos, zwölf Stunden am Tag programmieren zu wollen. Am Ende wäre man zu gar nichts mehr fähig. Es ist viel effektiver, hochkonzentriert und dafür weniger zu arbeiten", sagt Christof.
"Meine Freunde finden den Trip cool"
Christof Doll, der mit zehn zu programmieren begann, hat kein Problem, seine Freizeit zu gestalten. Er jongliert, spielt Beachvolleyball, Klavier und Gitarre. Sein Abitur hat er nebenbei mit 1,0 abgeschlossen - spielerisch, so scheint es. Im Informatikunterricht habe er nie zugehört, sagt Christof, "die volle Punktzahl habe ich trotzdem bekommen".
Christoph Flake hat das Problem anders gelöst: Statt sich als Zuschauer zu langweilen, hat er seinen Lehrer auf die Bank verfrachtet und sich selbst vor die Klasse gestellt. Ein Jahr lang unterrichtete er seine Freunde offiziell in den Informatikstunden: "Es war schwierig, eine Mischung aus Respekt und Spaß zu finden." Informatiklehrer als Beruf, das wäre trotzdem nichts für ihn.
Was er stattdessen in der Zukunft machen wird, weiß Christoph Flake noch nicht. Momentan studiert er Informatik in München. "Ich glaube nicht, dass meine Studienfreunde neidisch auf mich sind. Sie finden diesen Trip einfach nur cool, denke ich", sagt Christoph. In München an der Universität sage man ihm und den anderen immer, sie seien die Elite. Ob das stimmt, weiß der junge Programmierer nicht. Aber er glaubt an sich.
Christof Doll mit dem 1,0-Abischnitt will jetzt erst einmal Geld verdienen. Er hat mit einem Freund eine Möglichkeit gefunden, automatisch Textzusammenfassungen zu erstellen. Damit könne man ganze Bücher per Mausklick zusammenfassen, sagt Christof. Wie das genau funktioniert, will er nicht verraten, ist aber überzeugt, dass seine Entwicklung ein Erfolg wird: Schon bald bräuchten Schüler auf der ganzen Welt nur noch Zusammenfassungen statt die komplette Lektüre lesen - das wäre doch wirklich mal eine Errungenschaft.