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Braunes Liedgut: Nazi-Rock beim Abschlussball

Rechtsrock auf der Schulbühne Brauner Sound als Abschlusshymne

Im rheinland-pfälzischen Kirchberg haben Schüler bei ihrer Abschlussfeier ein Lied der Nazi-Band Sleipnir gesungen. Die verantwortlichen Schüler feixten über ihren braunen Coup - die Lehrer waren offenbar ahnungslos.
Von Marein Budiner

Alle waren sie gekommen zur Abschlussfeier für drei zehnte und eine neunte Klasse der Kooperativen Gesamtschule (KGS) in Kirchberg im Hunsrück. Ende Juni, Donnerstagabend, Sommeranfang, die Stadthalle gut gefüllt.

Auf der Bühne versucht sich ein improvisierter Schülerchor an einer Rockballade. Der Text ist schwermütig, aber er passt ganz gut zum Ende des Lebensabschnitts Schule: Es geht darin um Freundschaft und um die gute alte Zeit, die jetzt vorbei ist. Schön ist das Lied nicht, etwas düster für den Anlass, aber die Musiker an Gitarre und Bass, sie tragen raspelkurz rasiertes Haupthaar, haben sichtbar Spaß an ihrer Darbietung.

Die Szenen sind durch zwei verwackelte YouTube-Videos belegt, eins wurde inzwischen gelöscht, das andere gesperrt. Was das Lied nun aber zum Problem für die ehemaligen Schüler und die Schulleitung werden lässt, ist sein Urheber: Das Stück "Verlorene Träume" stammt von Sleipnir - einer Band, die man unter anderem von mehreren sogenannten Schulhof-CDs der rechtsextremen NPD kennt. Und von Rechtsrock-Konzerten vor grölenden Neonazis.

Mehrere Sleipnir-Alben sind wegen rassistischer Hetze indiziert, seit Mitte der neunziger Jahre ist die Band fester Bestandteil der deutschen Nazi-Rock-Szene, der Bandname ist der germanischen Mythologie entlehnt: Sleipnir heißt das achtbeinige Pferd Odins.

Die Videos der Kirchberger Abschlussfeier sind mit Handkameras gefilmt, teilweise grölen die Hobby-Kameraleute den Text mit, man hört sie johlen und feixen. Sie wussten offenbar schon während sie filmten, was da auf der Bühne gesungen wurde. Auch wenn die Ballade selbst keine expliziten Textstellen enthält, die Kommentare unter den nicht mehr zugänglichen YouTube-Videos waren unmissverständlich: h8parabellum zeichnet seinen Eintrag mit "gruSS" - eine Anspielung auf die SS im Nationalsozialismus. Ein anderen kommentiert: "da sagt man rechtsrock is nichts für die massen."

Ein Kommentator, der offenbar an dem Abend dabei war, mutmaßt, auch einigen Lehrern sei der rechtsextreme Hintergrund des Liedes nicht unbekannt gewesen. "Die Lehrer wussten das teilweise...Viele sind einfach rausgegangen, als wir angefangen haben zu singen", schreibt BVEboStar.

Vizeschulleiter Stoffel: "Unsere Schule ist vehement gegen rechts"

Dem widerspricht Torsten Stoffel, stellvertretender Schulleiter der KGS. Der Sozialkundelehrer war dabei, als die Schüler das Lied der Nazi-Band sangen, und erinnert sich nicht daran, dass Lehrer aus Protest den Raum verlassen hätten. "Es gab während der Feier keine Diskussionen darüber", sagte Stoffel SPIEGEL ONLINE. Auch seien ihm persönlich weder das Lied noch die Band Sleipnir bislang bekannt gewesen. Man werde prüfen, wer für den Vorfall verantwortlich ist und versuchen, mit den für die Band verantwortlichen ehemaligen Schülern Kontakt aufzunehmen.

Vizeschulleiter Stoffel betont, die KGS Kirchberg habe bisher keine Probleme mit rechtsextremen Tendenzen unter Schüler gehabt. "Unsere Schule ist vehement gegen rechts, pflegt seit Jahren vielfältige Kontakte zu Partnerschulen im Ausland." Regelmäßig gäbe es Schüleraustauschprogramme in europäische Nachbarländer.

Die zuständige Schulaufsichtsbehörde erklärt sich das Sleipnir-Lied mit "bedauerlicher jugendlicher Naivität und Unüberlegtheit", sagte eine Sprecherin der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion in Trier. Die Feier sei von den Schülern selbst gestaltet und die Inhalte nicht vorher mit der Schulleitung abgesprochen worden. Diese Freiheiten hätten sich bisher bewährt.

Die Sprecherin fügte hinzu, die Schüler hätten für den Abend selbst eine Moderatorin mit Migrationshintergrund aus ihrer Mitte ausgewählt. Künftig müsse die Schulleitung über Inhalte von Veranstaltungen, die von Schülern organisiert werden, informiert werden. Die Behörde hatte die Schulleitung wegen des Vorfalls am Mittwoch aus den Sommerferien zurückbeordert.

Ein Sprecher der zuständigen Kreisverwaltung Simmern sagte: "Wir erwarten von der Schule und der Schulaufsicht eine rückhaltlose Aufklärung." Ein solcher Vorgang dürfe sich nicht wiederholen. Der Sprecher sagte: "Es ist nicht zu tolerieren, dass bei Schulabschlussfeiern im Rhein-Hunsrück-Kreis Lieder rechtsextremistischer Bands gesungen werden."

mit Material von dapd
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