Kleiderordnung an Schulen Bauchfrei im Klassenzimmer

Sollen Schülerinnen, die reichlich nackte Haut zeigen, zum Umziehen nach Hause geschickt werden? Knappe Kleidung und ultrakurze Miniröcke sorgen an den Schulen für Aufregung - aber die meisten Direktoren und Kultusministerien reagieren betont gelassen und tolerant.

Die Aufforderung einer niedersächsischen Schulleiterin an ihre Schülerinnen und Schüler, auf bauchfreie Tops und knappe Röcke zu verzichten, hat eine bundesweite Diskussion über die richtige Schulkleidung ausgelöst. Die meisten Schulen und Behörden lehnen strengere Regeln allerdings ab. Die Einführung einer strengeren Kleiderordnung oder gar einer Uniform, wie in vielen anderen Ländern üblich, ist fast nirgendwo geplant.

"Wir möchten nicht, dass Mädchen oder Jungen während der Schulzeit mit Strand- oder Discobekleidung auftreten. Wir sind der Auffassung, dass dies die Lernsituation beeinträchtigt." So hatte die Leiterin der Kooperativen Gesamtschule in Sehnde nahe Hannover in einem Brief an ihre Schüler ihr Anliegen erklärt. Bauch- und rückenfreie T-Shirts oder sehr kurze Röcke und Shorts seien in der Schule nicht angebracht. Auf Begeisterung traf diese Anweisung allerdings nicht, die jugendlichen Bauch-frei-Träger möchten sich gerne weiterhin nach ihrem Geschmack anziehen.

Rein theoretisch können sie das auch, denn untersagt ist solche Kleidung auch in Sehnde nicht. Es handele sich "um einen pädagogischen Appell an die Eltern, auf angemessene Kleidung ihrer Kinder zu achten", sagt Georg Weßling, Sprecher des niedersächsischen Kultusministeriums. "Rechtlich ist die Kleidung eine persönliche Angelegenheit der Schüler oder bei Minderjährigen auch der Eltern." Verbindliche Kleiderregeln könne eine Schule nur über die Schulordnung festlegen, über die immer die Gesamtkonferenz zu beschließen habe, in der auch Schüler und Eltern vertreten sind.

In Niedersachsen weiß das Kultusministerium lediglich von einer Schulordnung, die das Tragen von Springerstiefeln untersagt. Kultusminister Bernd Busemann sei der Direktorin Helga Akkermann dennoch dankbar, dass sie in dem Brief an die Eltern das Thema Kleidung in pädagogisch sinnvoller Weise angesprochen habe. Keinesfalls sei jedoch an einen Erlass des Kultusministeriums gedacht, der eine Kleidung, die Anstand und Sitte entspreche, verbindlich festschreibe.

Im mecklenburgischen Friedland war vor zwei Jahren eine Schülerin wegen freizügiger Kleidung zum Umziehen nach Hause geschickt worden war. Doch das Kultusministerium hatte darauf hingewiesen, dass keine Modeeinschränkungen oder Verbote zur Bekleidung an Schulen bestünden. So dürfen Mädchen in Mecklenburg-Vorpommern auch weiter mit knappen T-Shirts und Miniröcken zum Unterricht kommen. "Wer bauchfreie Shirts moniert, möge durch die Geschäfte laufen oder sich die Fernseh-Stars anschauen - da ist es doch kein Wunder, dass die Schüler sich so anziehen", sagte Heike Neitzert, Sprecherin des Kultusministeriums. "Die Mode ist im Moment so, und von unserer Seite wird da nichts unternommen."

Verbot für Springerstiefel und Lonsdale-Pullis

Dagegen hält Bremens Bildungssenator Willi Lemke (SPD) eine Kleiderordnung an den Schulen gegen "bauchfrei" und Minirock für sinnvoll. "Ich bin manchmal etwas verwundert, wie einige Schülerinnen in die Schule gehen. Etwas bedeckter ist auch akzeptabel." Allerdings werde er als Senator keinen Kleidererlass verfügen.

In Berlin reagieren die Verantwortlichen belustigt auf das Vorgehen an der niedersächsischen Schule. "Eine Kleiderordnung gibt es bei uns nicht", sagte eine Sprecherin des Schulsenators. Die Schüler könnten tragen, was ihnen gefalle - solange es keine Springerstiefel oder Lonsdale-Pullover seien. Beides gilt als bevorzugtes Outfit von Rechtsradikalen, beides ist in Berliner Schulen verboten. "Bauchfrei" dagegen sei kein Problem, betonte die Sprecherin. Schließlich sei bislang noch keine Schülerin halb nackt aufgetaucht.

Auch in Nordrhein-Westfalen will man nicht über Kleidungsfragen entscheiden. "Was Schüler anziehen, ist ihre Privatsache", so eine Ministeriumssprecherin. Aber auch sie verweist darauf, dass die einzelne Schule auf der Schulkonferenz mit Lehrern, Schülern und Eltern selbst über eine generelle Kleiderordnung entscheiden könne - allerdings nicht die Schulleitung im Alleingang. "Maßstab für Kleidungs-Regelungen ist immer der Schulfriede", betont die Sprecherin.

Schuluniformen: Bisher nur selten getestet

Solche Vorschriften gibt es auch in Hamburg nicht. Allerdings hat dort eine Haupt- und Realschule vor drei Jahren einheitliche Pullover und T-Shirts für die Schüler der fünften bis siebten Klasse eingeführt. "Die Schüler sind mehr bei der Sache. Knappe Kleidung lenkt ab", sagte Schulleiter Klaus Damian dem "Hamburger Abendblatt". Eine gute Idee, wie der CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Klaus-Peter Hesse findet. "Ich bin für die Einführung einer Schulkleidung, werde einen entsprechenden Antrag in der Bürgerschaft stellen", sagte er der "Bild"-Zeitung.

In Bayern hieß es: "Wenn sich eine Schule mit Schülern und Eltern darauf verständigt, so ein Modell zu erproben, dann hat sie die Freiheit, das auch zu tun." Dem Kultusministerium sei bisher jedoch kein solcher Fall bekannt.

Völlig akzeptabel finden die Kinder an der britischen St. George's-Schule in Köln ihre Schuluniform. "Manche wollen sie sogar am Wochenende anziehen", sagte die Direktorin, Felicity Nyman. Die Uniform hat ihrer Ansicht nach nur Vorteile, vor allem mit Blick auf die Unterschiede beim Einkommen der Familien. "Jeder ist gleich in der Schule." Die Schule wird auch von deutschen Kindern besucht.

In Wiesbaden hatten vor rund zwei Jahren zwei Klassen probeweise Einheitskleidung getragen. In einer zehnten Klasse der Albrecht-Dürer-Realschule wurde die auf ein Jahr angelegte Aktion jedoch nach drei Monaten abgebrochen. "Die Schüler hatten dann irgendwann keine Lust mehr auf Einheits-Look", sagte ein Lehrer - außerdem habe es Lieferschwierigkeiten gegeben. Im Elly-Heuss-Gymnasium hielten die beteiligten Sechstklässler zwar ein Jahr durch - danach habe sich aber keine weitere Klasse für die Einheitskleidung begeistern können.

An einigen Schulen ist dafür Piercing ein Thema. Der Leiter des Internats Bad Fredeburg im sauerländischen Schmallenberg, Franz-Josef Kremer, sagte: "Piercings, egal ob bei Jungen oder Mädchen, sind bei uns nicht erwünscht." In Ludwigshafen wies eine Stadt-Sprecherin auf Regeln zur Unfallverhütung hin: "Die Schüler sollen nicht mit Piercings in den Sportunterricht gehen."

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