Arbeitspensum von Pädagogen Sportlehrer sollten endlich mehr arbeiten!
Mittwoch Nachmittag, 17 Uhr, im Lehrerarbeitszimmer meiner Schule. Ich bereite gerade eine Doppelstunde zu Goethes "Faust" für meine 12. Klasse vor, als meine Augen am Klassenarbeitsplan an der Wand hängen bleiben: Kommenden Donnerstag, Langzeitklausur im Fach Deutsch, Klasse 12 - sechs Stunden. Ich seufze.
Ich lasse mich vom "Faust" ablenken und grüble, welche Aufgaben ich nächste Woche stellen könnte und wie in aller Welt ich die 22 Klausuren mit durchschnittlich 14 Textseiten noch vor dem Abitur korrigiert bekomme. Dabei fällt mein Blick durchs Fenster auf den Sportkollegen draußen, der gerade seine 9c auf dem Hartplatz Fußball spielen lässt. Neid schäumt durch meinen Körper. Denn eins steht fest: Für das gleiche Gehalt habe ich - wegen meiner Fächer - eine viel höhere Arbeitszeit!
Im Laufe eines Schuljahres korrigiere ich Tausende Seiten Deutschaufsätze, bearbeite eine zweistellige Anzahl von Lektüren und überlege mir, wie ich Grammatik und Rechtschreibung kreativ vermittelt bekomme. Dagegen schnappt sich der Sportkollege einen Fußball, und fertig ist die Unterrichtsvorbereitung.
Um Protesten vorzubeugen, räume ich ein, dass natürlich nicht jede Sportstunde so abläuft und Sportlehrer in manchen Bundesländern schon drei oder vier Unterrichtsstunden mehr abhalten müssen. Trotzdem gilt, dass alle Lehrkräfte die gleiche Arbeitszeit zu erfüllen haben, und die liegt eben qua Gesetz bei 41 Zeitstunden pro Woche und 30 Tagen Jahresurlaub. Die eigentlichen Unterrichtsstunden sind nur ein Teil davon. In unserem Fall heißt das: Ich unterrichte 25 Stunden pro Woche und mein Sportkollege ebenso. Selbst wenn sie in manchen Fällen etwas mehr unterrichten müssen, fängt das den Unterschied in Vor- und Nachbereitung zwischen beiden Fächern auf keinen Fall auf.
Und solange ich und viele Kolleginnen und Kollegen die 41-Stunden-Marke deutlich überschreiten, während andere mit weniger arbeitsintensiven Fächern sie unterschreiten, bleibt aus Gerechtigkeitsgründen nur eine Lösung: Koppelt die zu unterrichtenden Stunden an die Fächer - und zwar in allen Bundesländern angemessen!
Am Elternsprechtag zum Sportlehrer?
Oder wann haben Sie das letzte Mal eine Klassenarbeit Ihres Kindes im Fach Sport gesehen, den Sportlehrer beim Elternsprechtag treffen wollen oder ihn wegen einer schlechten Note sonntagabends am Telefon verhört? Genau: noch nie!
Währenddessen werden in Deutsch alle paar Jahre per Erlass des Kultusministeriums die Lektüren ausgewechselt, aus Liebes- wird Natur- und letztlich Reiselyrik und aus "gestaltender Interpretation" plötzlich ein Essay. Ähnliches gilt im Übrigen für die Kolleginnen und Kollegen mit Fremdsprachen, und auch die wunderbare Knallgasprobe in Chemie muss vorbereitet werden, inklusive "Gefährdungsbeurteilung" versteht sich.
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"Augen auf bei der Fächerwahl", meinte erst neulich wieder mein Nebensitzer im Lehrerzimmer (Fächer: Sport und Mathe) zu mir, als ich über die Korrekturbelastung im Abitur klagte.
Aber ist das die Lösung? Wollen wir Lehrerinnen und Lehrer, die ihre Fächer aufgrund der geringen Arbeitsbelastung gewählt haben? Ich glaube kaum.
Deshalb könnte mit einer stärker nach Fächern gestaffelten Unterrichtsverpflichtung zumindest ein bisschen mehr Fairness in den Lehrerzimmern herrschen. Ich würde für meinen massiven Korrektur- und Vorbereitungsaufwand mit weniger Unterrichtsstunden entschädigt, und umgekehrt müsste mein Sportkollege einige Stunden mehr in der Sporthalle verbringen. Das wäre gerechter als der Status quo.
"Was treibst du in den Ferien?", fragte mich mein Nebensitzer, der zwei Wochen Aktivurlaub auf Mallorca gebucht hat, am letzten Schultag vor den Osterferien. "Einen Großteil der Zeit korrigieren und vorbereiten", antworte ich.
Der Autor ist Lehrer an einem baden-württembergischen Gymnasium.