Lehrer-Test "Allein vom Wiegen wird die Sau nicht fett"

Der geplante Pisa-Test für Pädagogen hat bei Lehrern und Kultusministern ein geteiltes Echo ausgelöst. Während sich der deutsche Lehrerverband empört gegen die "Testeritis" wandte, plädieren andere Organisationen für einen internationalen Vergleich der Lehrer.

Nach den Schülern sollen nun auch die Lehrer auf den Prüfstand: Die OECD plant eine weitere internationale Studie, bei der diesmal Wissen und Unterrichtspraktiken von Pädagogen in den 30 Mitgliedsstaaten untersucht werden sollen. 20 Länder hätten bereits zugesagt, berichtete die "Zeit" am Donnerstag. Deutschland allerdings gebe sich zugeknöpft.

Der Vorwurf von Andreas Schleicher, der bereits den Schülertest organisiert hatte: Die Kultusministerkonferenz (KMK) wolle sich lediglich an einer Fragebogenaktion, aber nicht an Vor-Ort-Studien beteiligen. Dabei wollen Experten unter anderem Videoaufnahmen machen. Die Bundesländer seien jedoch nicht bereit, den Aufenthalt der OECD-Gruppe zu finanzieren, kritisierte Schleicher. Die 35.000 Euro seien ihnen zu teuer, was der OECD-Mitarbeiter in Paris für einen Vorwand hält: "Das ist nicht mal das Jahresgehalt eines Lehrers."

Transparenz und Evaluation spielten im öffentlichen Dienst in Deutschland "noch keine so große Rolle", legte Schleicher im "Hamburger Abendblatt" nach. "Da lässt sich niemand so gern in die Karten gucken", sagte er, "dabei ist die Idee der Studie, voneinander zu lernen. Es geht nicht um Kontrolle."

Die KMK indes bezeichnete Schleichers Äußerungen als "unrichtig". Deutschland wolle sich keineswegs vor der internationalen Untersuchung drücken. Bund und Länder hätten sich einvernehmlich für die Teilnahme an einem OECD-Projekt zur Lehrerbildung ausgesprochen; der zusätzliche Besuch einer externen Expertengruppe würde die Kosten allerdings verdoppeln.

"Auch mal wieder in Ruhe arbeiten"

Die KMK-Vorsitzende Dagmar Schipanski begründete die Ablehnung mit der Haushaltslage in den Ländern, gerade nach der Flutkatastrophe - angesichts der niedrigen Kosten nicht wirklich überzeugend.

Einzelne Kultusminister unterstützten dagegen das Projekt, zum Beispiel Hamburgs Bildungssenator Rudolf Lange, seine niedersächsische Kollegin Renate Jürgens-Piper und Ute Erdsiek-Rave aus Schleswig-Holstein. Und Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn sagte gegenüber dem "Kölner Stadt-Anzeiger": "Ich bin durchaus dafür, einen Pisa-Test für Lehrer zu machen. Aber an erster Stelle steht die Reform der Lehrerausbildung mit mehr Praxisnähe."

Die Lehrerorganisationen äußerten sich sehr unterschiedlich. Energischer Widerstand leistet der Deutsche Lehrerverband: "Jede Woche eine neue Testerei durch die Schulen zu jagen, das bringt nichts. Man muss uns auch mal wieder in Ruhe arbeiten lassen", sagte Josef Kraus.

Der Verbandsvorsitzende hält den Lehrer-Vergleich für überflüssig, weil es neben Pisa auch schon reichlich andere Tests gegeben habe, etwa die TIMSS-Studie vor sechs Jahren. Er habe manchmal den Eindruck, die OECD sei "krampfhaft auf der Suche nach einer Rechtfertigung ihrer Existenz".

Angst vor unangenehmen Wahrheiten hätten die Lehrer keineswegs, sagte Kraus gegenüber UniSPIEGEL ONLINE - "aber allein vom Wiegen wird die Sau nicht fett." Er forderte, die Schulen müssten nach der "Testeritis" durchatmen können und die Bundesländer jetzt die Pisa-Konsequenzen ziehen. Bisher seien ja nicht einmal alle Ergebnisse veröffentlicht. "Pisa war ein heilsamer Schock", so Kraus weiter, "nun kommt es darauf an, zum Beispiel die Aus- und Fortbildung der Lehrer zu verbessern."

Noch vor einem Jahr sei es zum Beispiel undenkbar gewesen, in der KMK über gemeinsame Länderstandards für Unterrichtsinhalte und Prüfungen zu sprechen, sagte der Leiter eines Gymnasiums nahe Landshut. So habe die SPD sich "regelmäßig bekreuzigt, sobald das Wort Zentralabitur fiel".

Alle suchen Anstöße für die Reform der Ausbildung

Während der konservative Deutsche Lehrerverband den geplanten Test rundweg ablehnte, äußerte sich die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) verhalten positiv. "Wenn die Untersuchung Anhaltspunkte für Verbesserungen in der Ausbildung und das Ansehen der Lehrkräfte gibt, ist sie sinnvoll", sagte die Vorsitzende Eva-Maria Stange, "mit Blick auf den anstehenden Generationswechsel in den deutschen Lehrerzimmern müssen wir mehr qualifizierte Nachwuchspädagogen gewinnen."

Für das Kostenargument zeigte Stange kein Verständnis: "Es ist lächerlich, wenn Deutschland wegen 35.000 Euro auf seine Einflussmöglichkeiten bei der Entwicklung der Studie verzichtet."

Ebenfalls für das Projekt plädierten der Verband Bildung und Erziehung (VBE) und sogar der Philologenverband - immerhin Mitglied bei der Dachorganisation Deutscher Lehrerverband. Der Philologenverband verhandele gerade mit den Kultusministern über eine bessere Lehrerfortbildung, um etwa Schülerschwächen besser diagnostizieren zu können, sagte der Vorsitzende Peter Heesen. "Da begrüßen wir alles, was uns bei einer punktgenauen Ausrichtung hilft", so Heesen, "eine Pisa-Studie für Lehrer könnte wichtige Erkenntnisse liefern."

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