Lehrerin des Jahres 2005
Talentscout im Klassenzimmer
Eine Haupt- und Realschullehrerin aus Wiesbaden erhält Sonntag die Auszeichung "Lehrerin des Jahres 2005". Ihre Schüler mögen Ingrid Timm, 55, weil sie temperamentvoll und schlagfertig ist. Und weil sie anbietet, was Schüler besonders dringend brauchen: Hilfe beim Berufseinstieg.
Rund 600.000 Lehrer unterrichten an Deutschlands Schulen. Doch nur einer darf sich jedes Jahr den Orden für den "Lehrer des Jahres" an die Brust heften. Die vom Magazin "Stern" vergebene Auszeichung geht in diesem Jahr an Ingrid Timm von der Kellerskopfschule in Wiesbaden-Naurod. Timm lehrt an der Haupt- und Realschule Englisch, Politik und Wirtschaft.
Sie setze sich in außergewöhnlicher Weise für die Charakterbildung ihrer Schüler ein und lege größten Wert auf den Praxisbezug ihres Unterrichts, begründete die Jury ihre Entscheidung. Der mit 5000 Euro dotierte Preis wird Timm am Sonntag in Dortmund in Anwesenheit des Bundespräsidenten überreicht. "Ich habe erst gedacht, ich bin in der versteckten Kamera", schilderte sie ihre erste Reaktion auf die Ehrung.
Der Preis wird zum fünften Mal vergeben. Im vergangenen Jahr hatte der Mathe-und Physiklehrer Winfried Sturm vom Faust-Gymnasium im südbadischen Staufen die Trophäe erhalten. Im Interview mit SPIEGEL ONLINE verteidigte er seine Berufskollegen gegen Pauschalanschuldigen, forderte aber eine grundlegende Reform des Berufsbildes, unter anderem durch ein Überdenken des Beamtenstatus für Lehrer, um so die verkrusteten Strukturen, die teilweise als Motivationsbremsen wirken, im Bildungssystem aufbrechen zu können.
Fordern und Fördern
Die neue Preisträgerin gilt bei ihren Schülern als starke Persönlichkeit, temperamentvoll, engagiert, schlagfertig und mit viel Autorität. Sie versteht sich selbst als "Talentscout", der die Schüler beim Übergang in den Beruf unterstützt. So besuchte sie mit Schulklassen des öfteren Ausbildungsmessen und Betriebe wie den Frankfurter Flughafen und organisierte Bewerbungstrainings. Bisher habe sie die Schüler aus ihren Klassen immer untergebracht, meint die Lehrerin selbstbewusst.
Dafür erwartet sie Einsatzbereitschaft von ihren Schülern, auch außerhalb des Unterrichts. Wer regelmäßig fehlt, muss den Unterrichtsstoff mit ihr in Einzelstunden nacharbeiten.
Der Jury gehören neben Stern-Chefredakteur Thomas Osterkorn die Geschäftsführerin von "Jugend forscht", Uta Krautkrämer-Wagner, der Pisa-Beauftragte der OECD, Andreas Schleicher, und der Bremer Bildungssenator Willi Lemke an. Die Vorschläge für den "Lehrer des Jahres" können nur von Schülern eingereicht werden.