Lehrermangel Alte Lehrer gehen, junge Lehrer fehlen

Lehrer in Berlin (Archiv): Fast jeder zweite Pädagoge ist Ü50 - es droht ein Lehrermangel
Foto: A9999 DB Kemal Hür/ dpaDie Zahl der Lehrer, die sich in den Ruhestand verabschieden, bleibt hoch. Rund 18.600 verbeamtete Lehrkräfte sind 2009 in Pension gegangen. Das waren zwar rund fünf Prozent weniger als im Vorjahr, aber immer noch deutlich mehr als in früheren Jahren, teilte das Statistische Bundesamt in Wiesbaden am Donnerstag mit. Ursache für das anhaltend hohe Niveau an Pensionierungen seien die zahlreichen Einstellungen von Lehrern in den sechziger und siebziger Jahren. Vor 1999 gab es nie mehr als 11.000 Pensionierungen jährlich.
Die Bildungsgewerkschaft GEW warnte, dass in den kommenden Jahren die Zahl der Pensionierungen weiter steigen werde. "Der große Berg steht uns noch bevor", sagte Ilse Schaad vom GEW-Bundesvorstand. "Der Lehrermangel in Deutschland wird sich dramatisch verschärfen. Jahr für Jahr gehen dann über 33.000 Lehrkräfte in Pension oder Rente." Dabei bezog sie - anders als das Bundesamt für Statistik - auch die angestellten Lehrer mit ein, die nicht verbeamtet sind.
"Die Länder müssen die Ausbildungskapazitäten für Referendare von derzeit rund 30.000 auf 39.000 Stellen erhöhen", so Schaad. Zudem müssten die Länder alle Lehramts-Hochschulabsolventen "ohne Wenn und Aber sofort ins Referendariat übernehmen". Lange Wartezeiten oder Ablehnungen - wie in mehreren Ländern üblich - führten nur dazu, dass die jungen Menschen in andere Berufe abwandern.
Allein in Mathe und Naturwissenschaften fehlen 30.000 Lehrer
Im vergangenen Jahr hatte eine Studie der EU ergeben, dass Lehrer fast nirgendwo in Europa durchschnittlich so alt sind wie in Deutschland: Fast jeder zweite ist demnach über 50 und wird in den kommenden zehn bis 15 Jahren in den Ruhestand gehen. Der Bildungsforscher Klaus Klemm errechnete, dass im Zeitraum 2007 bis 2020 rund 460.000 Lehrer in Pension gehen. Das sei ein großes Problem, denn im Jahresschnitt würden nur 26.000 fertig ausgebildete Junglehrer für eine Neueinstellung in den Schulen zur Verfügung stehen.
Schaad kritisierte, die zusätzlichen Lehrerkapazitäten, die durch den Rückgang der Schülerzahlen entstehen, würden "von den Ländern eingesackt". Die Länder hatten beim Bildungsgipfel 2008 zugesagt, den Schülerschwund nicht für Einsparungen zu nutzen, sondern die sogenannte demografische Rendite zur Qualitätsverbesserung an Schulen einzusetzen, etwa durch kleinere Klassen. Tatsächlich aber versuchen sich die Länder mit allerlei Rechentricks davor zu drücken.
Nach Angaben Heinz-Peter Meidinger, Vorsitzender des Philologenverbandes, klafft jährlich eine Lücke von rund 5000 Pädagogen. Im August hatte er Alarm geschlagen: Der Mangel sei in diesem Schuljahr "so groß wie nie". Rund 45.000 Lehrer würden fehlen, bis zu 30.000 allein in den Bereichen Naturwissenschaft und Mathematik.
Viele Stellen fachfremd besetzt
Eine SPIEGEL-ONLINE-Umfrage unter den Kultusministerien hatte Ende August ergeben, dass sie nahezu alle freien Stellen zum neuen Schuljahr besetzen konnten. Vor allem Leiter von Gymnasien und Berufschulen berichten allerdings immer wieder, sie müssten Stellen entweder fachfremd besetzen (also mit nicht im jeweiligen Fach ausgebildeten Lehrer) oder mit Quereinsteigern (ohne Lehramtsstudium).
Insgesamt sei an deutschen Schulen jeder 15. Lehrer nicht für sein Fach oder nicht pädagogisch ausgebildet, sagte Meidinger SPIEGEL ONLINE. An beruflichen Schulen schätzt er die Quote auf 20 Prozent, an Gymnasien auf bis zu sechs Prozent.
Dem Statistischen Bundesamt zufolge waren Lehrer 2009 zu Beginn ihres Ruhestands im Durchschnitt 62,7 Jahre alt. Vier von zehn arbeiteten bis zur Regelaltersgrenze von 65 Jahren. Dienstunfähigkeit war wie im Vorjahr nur bei gut jedem fünften Lehrer der Grund, die Schule zu verlassen - der niedrigste Stand seit Beginn der Statistik im Jahr 1993, als das durchschnittliche Rentenalter noch bei 57,9 Jahren lag.
Seit 2001 müssen Lehrer, die wegen Dienstunfähigkeit vorzeitig in den Ruhestand gehen, finanzielle Abschläge hinnehmen. Ihr Anteil ist seitdem stetig gesunken. Im Vergleich zu Beamten bei Bund, Ländern und Gemeinden, die ebenfalls bis 65 arbeiten müssen, ist der Anteil der Lehrer, die wegen Dienstunfähigkeit aufhören, aber noch immer etwas höher (um fünf Prozentpunkte).