Leseverbot Schulen verbannen Sexbuch-Autor

Vorsicht, explizite Lyrik! Mit dem Jugendbuch "Doktorspiele" tourt Jaromir Konecny durch Deutschland. Einige Schulen haben den Autor erst ein-, dann flugs wieder ausgeladen, um ihre Schüler vor derber Sprache zu bewahren. Dabei sind die Lesungen von Pornografie weit entfernt.

Eine Bitte hat der Jugendbuchautor Jaromir Konecny, eine Bitte an alle Lehrer: Lest meine Bücher, bevor ihr mich einladet. Lest sie wenigstens, bevor ihr mich wieder ausladet. Dann ließe sich viel Ärger vermeiden.

Und wahrscheinlich hat er recht damit.

Wer das Vokabular von Biologiebüchern bevorzugt, wer nichts hören will von Pimmeln und Mösen, vom Wichsen und von feuchten Träumen, der sollte vielleicht niemanden zu einer Lesung einladen, dessen aktuelles Werk "Doktorspiele" heißt. Niemanden, der seit fast 20 Jahren in der Poetry-Slam-Szene unterwegs und für explizite Sprache bekannt ist.

Es ist ja nicht so, dass Konecny ein Geheimnis daraus macht, womit er sich auf der Bühne und in seinen Büchern beschäftigt und in welcher Form er das tut. Bei YouTube sind Mitschnitte seiner Lesungen und Auftritte zu finden.

Aber Eltern, Lehrer und Schulleiter aus mehreren Städten haben erst spät gemerkt, wer da in die Aula kommen sollte - umso größer war die Aufregung. Kurzerhand haben sie den Schriftsteller mit einem Bann belegt, Lesungen kurzfristig abgesagt und seine Texte in die Nähe der Pornografie gerückt.

"Doktorspiele" ist bereits das dritte Jugendbuch von Konecny, sein erstes hieß "Hip und Hop und Trauermarsch" und erschien vor drei Jahren. Der 52-Jährige wurde in Prag geboren, lebt in München und ist promovierter Chemiker. Poetry-Slam ist seine Passion, auf den Bühne fühlt er sich wohl.

Derbe Sprache - nichts für Schüler?

Nun steht Konecny mitten in einer Aufregungsspirale. Es ist die Geschichte eines ziemlich aussichtslosen Versuchs, Jugendliche von deftigen Vokabeln fernzuhalten.

Erst trafen sich an einer Schule in Marburg besorgte Mütter und Väter zum außerordentlichen Elternabend und stoppten die geplante Lesung, die von einer Buchhandlung organisiert worden war. Ein paar Zeitungen schrieben darüber. Dann informierte ein Berliner Lokaljournalist den Direktor des Schadow-Gymnasiums im Süden der Hauptstadt über die Aufregung. Schulleiter Harald Mier sah sich daraufhin das YouTube-Video von Konecnys Doktorspielen an und entschied: "ungeeignet für Schüler" - zu derb sei die Sprache.

"Die Schule muss bei der Sexualerziehung sehr zurückhaltend sein", sagte Mier SPIEGEL ONLINE. Er sperrte den Autor und dessen "Verbal-Rabulistik" aus - am Tag vor dem geplanten Auftritt. Andere Schulen schlossen sich an. Denn Mier ist als Sprecher der Vereinigung der Oberstudiendirektoren in Berlin gut vernetzt. In Dresden fanden sich erst gar keine Schulen, die den Autor lesen lassen wollten, zu pikant war ihnen das Thema Sex.

Nur gelesen hat das Aufregerbuch kaum jemand.

Sonst wäre schnell klar gewesen, dass es sich bei "Doktorspielen" zwar nicht um hohe Literatur handelt, doch mit Pornos hat das Buch beileibe nichts zu tun. Es erzählt die Geschichte von Andi, 16, der sich verliebt und ansonsten vor allem darum sorgt, dass seine Cousine Lilli ihn für nicht ausreichend ausgestattet halten könnte, längentechnisch.

Das ist nur recht deutlich formuliert, inklusive all der expliziten Vokabeln und einiger peinlich-komischer Szenen. Da werden Kosmetiktaschen und Gießkannen an Körperteile gehängt, die dafür eher nicht vorgesehen sind.

"Ich betrachte das Buch als ein Stück Aufklärung", sagte Konecny SPIEGEL ONLINE. Er findet: Man kann sich nicht einerseits darüber aufregen, dass Jugendliche zu wenig lesen, und sie andererseits fernhalten wollen von einem Thema, das sie interessiert. Und von einer Sprache, die sich an ihrem Alltag orientiert. Sex sei bei allen Jugendlichen Thema, doch im Gegensatz zu HipHop-Stars wie Bushido benutze er eben keine herabwürdigende und pornografische Sprache.

"Soll ich Faust-Passagen schreiben auf die Schnelle?"

Schulleiter Mier sagt, er habe noch versucht, Konecny eine Brücke zu bauen: Der Autor hätte aus einem anderen Buch lesen können und auf derbe Sprache verzichten müssen.

"Soll ich etwa nicht Pimmel sagen auf der Bühne?", kontert Konecny. "Soll ich Faust-Passagen schreiben auf die Schnelle?" Eine "Wischi-Waschi-Lesung" produziere nur Langeweile. Zumal die Schulen von den Veranstaltern frühzeitig informiert waren über Autor und Werk, samt Hinweis auf das YouTube-Video.

Ganz überraschend ist die Aufregung für Konecny dennoch nicht, 150 Lesungen mit drei Büchern hat er bereits hinter sich. Immer wieder hätten sich Lehrer, Eltern und Schulleiter empört, meist an Gymnasien. "An Hauptschulen läuft es besser", sagt er - und vermutet, dass die Lehrer dort näher dran sind an ihren Schülern und deren Sprache.

Genutzt hat die Aufregung vor allem dem Verlag. Einer Sprecherin zufolge stiegen die Verkaufszahlen nach der Absage in Marburg stark an.

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