
Danke, Videorekorder: Dirty Dancing - in Endlosschleife
Lexikon der Jugendsünden Helden, auf Magnetband gebannt
Der Videorekorder war eine Offenbarung. Es brauchte allerdings einige Zeit, bis man sich von seiner Rolle als abhängiger Fernsehkonsument gelöst hatte und begriff, dass nun eine Ära der Freiheit angebrochen war - endlich musste man sich keine Ausreden mehr einfallen lassen, warum man Montagabend nicht am Vorbereitungstreffen für die Klassenfahrt teilnehmen konnte.
Die neue Freiheit führte aber auch zu Auswüchsen: Manche Videorekorder-Besitzer begannen, Schränke voll VHS-Kassetten mit allen aufgenommenen Folgen von "Kommissar Rex" oder "MacGyver" zu horten - natürlich ohne die Folgen je wieder anzuschauen. Aber allein die Tatsache, die Lieblingsserie archiviert zu haben, vermittelte ein unheimlich beruhigendes Gefühl.
Bis zur Entdeckung der DVD verschwendete man hochgerechnet mehrere Monate seiner Lebenszeit damit, Videokassetten an die richtige Stelle zu spulen - das träg-mechanische Geräusch, das entstand, wenn man auf der Fernbedienung auf "Stop" drückte oder sich die VHS-Kassette durch das Kommando "Play" in Bewegung setzte, und das Geräusch der sirenentonartig zurück- und vorspulenden Kassette wurden irgendwann zum Phantomgeräusch, das man auch dann zu hören glaubte, wenn weit und breit kein VHS-Rekorder in der Nähe war.
Das ständige Vor- und Zurückspulen strapazierte die Kassette, und nicht selten kam es vor, dass man sich das Tanzfinale von "Dirty Dancing" fünf Mal angeguckt hatte und es plötzlich zu einem stockenden Geräusch im Gehäuse der Kassette kam und man das Drama schon ahnte: "Bandsalat" - ein heute beinahe verschwundenes Wort.

Peinlichkeiten von früher: Das Lexikon der Jugendsünden
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